Aus Sägespänen wird Bio-Plastik: TU Graz entwickelt Kunststoffe aus Holzabfällen
Mit „B3PO“ koordiniert die TU Graz ein neues Forschungsnetzwerk, das aus Holzresten umweltfreundliche Kunststoffe entwickelt. Wie die Technologie funktioniert – und welche Vision hinter dem Projekt steckt.
Jedes Jahr fallen Millionen Tonnen Lignin an - könnte bald daraus Bio-Plastik werden?
Foto: ramona431 - Adobe Stock
Jedes Jahr fallen Millionen Tonnen Lignin in der Holz- und Papierindustrie an. In der Natur sorgt das Material für Stabilität in den Zellwänden von Pflanzen – in der Industrie wird es aktuell fast vollständig verbrannt.
Inhaltsverzeichnis
Was steckt hinter B3PO („Better BioBased Polymer“)?
Das wollen Forschende der TU Graz ändern. Gemeinsam mit acht europäischen Partneruniversitäten untersuchen sie ein Verfahren, mit dem aus Lignin und anderen pflanzlichen Reststoffen ein nachhaltiger Kunststoff wird. Dieser könnte perspektivisch umweltschädliche Erdölprodukte ersetzen.
„Wir wollen zeigen, dass sich aus Holzresten Hochleistungspolymere herstellen lassen, die biologisch abbaubar und rezyklierbar sind“, erklärt Robert Kourist, Koordinator des B3PO-Netzwerks und Forscher am Institut für Molekulare Biotechnologie der TU Graz.
Warum ist Lignin als Rohstoff so spannend?
Lignin ist nach Cellulose der zweithäufigste Naturstoff der Erde. Als Nebenprodukt in der Holz- und Papierproduktion ist es in riesigen Mengen verfügbar – aktuell liegt die jährliche Produktion laut dem Marktforschungsinstitut Research Nester bei etwa 50 Mio. t, Tendenz stark steigend. Theoretisch wäre dies genug, um große Teile der Kunststoffindustrie zu versorgen.
Allerdings besitzt das Material eine komplexe Struktur, die den industriellen Einsatz erschwert. Daher wird Lignin bislang kaum stofflich genutzt.
Wie sollen daraus Kunststoffe entstehen?
Mit einer dreistufigen „Innovationsstrategie“ will das B3PO-Netzwerk aus pflanzlichen Reststoffen wie Lignin chemische Grundstoffe gewinnen. Aus diesen lassen sich anschließend Bio-Kunststoffe gewinnen. Der Clou: Am Ende ihres Lebenszyklus können sie wieder als Rohstoff dienen – ein Musterbeispiel für Kreislaufwirtschaft.
Ihre Strategie beschreiben die Forschenden so:
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Nachhaltiger Biomasse-Abbau:
Holzreste werden mit einem speziellen Verfahren „aufgeschlossen“, das keine schädliche Nebenprodukte erzeugt. -
Biotechnologische Aufbereitung:
Mit Enzymen und Machine-Learning-Methoden wandeln die Forschenden die Lignin-Bausteine anschließend in chemisch nutzbare Moleküle um. Auch hier sollen keine schädlichen Chemikalien zum Einsatz kommen. -
Wiederaufbau zu neuen Polymeren:
Aus diesen Grundstoffen synthetisieren die Wissenschaftler biobasierte Kunststoffe– etwa für Verpackungen, Beschichtungen oder Klebstoffe.
So entsteht ein geschlossener Kreislauf: Abfälle werden zu Wertstoffen, die am Ende ihrer Lebensdauer wieder biologisch abgebaut werden können.
Warum ist das wichtig?
Die Produktion von Kunststoffen basiert heute zu über 95 % auf Erdöl. Biobasierte Alternativen könnten hier also zu einer Reduktion der CO₂-Emissionen beitragen. Zugleich erlauben sie völlig neue Wertschöpfungsketten für ländliche Regionen.
Anders ausgedrückt könnten Verpackungen, Lacke oder Klebstoffe bald aus Holzabfällen bestehen – und damit kompostierbar oder rezyklierbar sein.
„Unser Ziel ist es, fossile Kunststoffe Schritt für Schritt zu ersetzen“, kommentiert Kourist, „und das mit Materialien, die im Kreislauf geführt werden können.“
Wer ist an Bord?
Insgesamt entstehen im Rahmen von B3PO 15 Doktoratsprojekte an neun europäischen Universitäten. Beteiligt sind:
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TU Graz (Koordination)
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BOKU Wien, RWTH Aachen, Humboldt-Universität zu Berlin, Universität Hannover
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Universität Aix-Marseille, Universität Aveiro, Universität Complutense Madrid, Universität Zagreb
Hinzu kommen assoziierte Partner aus der Industrie wie Henkel, Novonesis oder SpinChem, die das Projekt mit Praxiserfahrung unterstützen. Finanzielle Unterstützung erhält das neue Netzwerk über das EU-Programm „Marie Skłodowska-Curie Doctoral Networks“. Ziel ist, internationale Forschungskooperationen zu bündeln und den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern.
Wie funktioniert das Ausbildungsmodell?
Die an B3PO beteiligten Doktorandinnen und Doktoranden erhalten laut der TU Graz Doppeldoktorate an jeweils zwei europäischen Universitäten.
Während des Projekts lernen sie interdisziplinär in den Bereichen Biotechnologie, Chemie, Polymerwissenschaft und Werkstofftechnik. Auch längere Forschungsaufenthalte bei Industriepartnern sind Teil des Programms.
Langfristig entsteht so eine neue Generation von Fachkräften, die die komplette Wertschöpfungskette nachhaltiger Materialien versteht – vom Labor bis zur Anwendung.
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