FAU Erlangen-Nürnberg 11.09.2025, 11:00 Uhr

Nasse Biomasse direkt nutzen: Neue Pfade zum grünen Methanol

Von der Wiese in den Tank: Ein neues Verfahren macht Methanol aus nasser Biomasse und erneuerbarem Strom – nachhaltig und dezentral.

Biomasse

Forschende der FAU Erlangen-Nürnberg haben eine Methode entwickelt, die es ermöglicht, nasse Biomasse direkt in Methanol zu verwandeln. Langfristig soll die Herstellung preislich auf einem Niveau liegen wie die Herstellung von Methanol aus Erdgas.

Foto: Smarterpix / nostal6ie

Methanol feiert ein Comeback. Der einfache Alkohol, lange Zeit vor allem ein unauffälliger Grundstoff der Chemie, wird plötzlich zum Joker der Energiewende. Flüssig, lagerfähig, vielseitig – die Eigenschaften klingen wie gemacht für eine Zukunft ohne fossile Brennstoffe. Doch bislang stammt Methanol fast ausschließlich aus Erdgas oder Kohle. Forschende der FAU Erlangen-Nürnberg wollen das ändern: Ihr Konzept setzt auf nasse Biomasse, flexible Stromnutzung und Anlagen direkt vor Ort – und könnte Methanol so zu einem echten Klimakraftstoff machen.

Alter Bekannter der Chemie

Methanol ist ein alter Bekannter der Chemie. Gleichzeitig wirkt es wie ein Joker für die Energiewende. Flüssig bei Raumtemperatur. Leicht zu lagern. Vielseitig einsetzbar. Genau diese Kombination macht den Alkohol CH₃OH spannend für Ingenieurinnen und Ingenieure, die erneuerbare Energie speichern oder fossile Rohstoffe ersetzen wollen.

Heute stammt das meiste Methanol noch aus Erdgas oder Kohle. Das passt nicht zu den Klimazielen. Also rückt eine einfache Frage in den Mittelpunkt: Wie lässt sich Methanol klimafreundlich herstellen – und zwar dort, wo die Rohstoffe anfallen?

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Was Forschende der FAU vorschlagen

Forschende der FAU Erlangen-Nürnberg schlagen ein Verfahren vor, das nasse Biomasse direkt nutzt. Ohne Trocknung, ohne lange Transporte, mit milden Bedingungen. Die Grundidee: den Prozess in einem Kreislauf führen, mit einem Elektrolyseur koppeln und die Anlage näher an Hof, Forst oder Genossenschaft rücken. So entstehen kurze Wege und flexible Fahrpläne – je nach Strompreis, Erntekalender und Platz vor Ort.

„Nachhaltiges Methanol aus Biomasse wird in Zukunft einen Teil der Methanolproduktion aus fossilen Brennstoffen kompensieren können. Mit den derzeitigen Verfahren ist dieser Prozess jedoch sehr aufwendig und verbraucht große Mengen an Energie“, sagt Dr. Patrick Schühle vom Lehrstuhl für Chemische Verfahrenstechnik der FAU.

Was stört an den bisherigen Routen?

Die etablierte Route startet meist mit Erdgas. Beim Steamreforming entsteht Synthesegas, anschließend folgt die Methanolsynthese. In China spielt auch Kohle als Ausgangsstoff eine Rolle. Beide Wege sind industrieerprobt, aber CO₂-intensiv. Es gibt alternative Pfade: Biomassevergasung und Power-to-Methanol aus erneuerbarem Wasserstoff und abgeschiedenem CO₂. In der Praxis bremsen jedoch Aufwand, Kosten und Effizienz.

Gerade die Vergasung hat Hürden. Reststoffe aus Land- und Forstwirtschaft, Hydrolysate aus der Papierherstellung oder Holz müssen meist zuerst trocknen und oft zerkleinert werden. Dann geht es in große Anlagen. Dort herrschen Temperaturen bis zu 1000 °C. Der Syntheseschritt läuft bei 50–100 bar. Weil trockene Biomasse eine geringe volumetrische Energiedichte hat, pressen Betreiber sie häufig zu Pellets. Das spart Raum, kostet aber Energie und Geld. Am Ende summieren sich viele kleine Reibungen zu einem großen Hemmnis.

Der neue Blick: nasse Biomasse direkt nutzen

Das FAU-Konzept setzt bei genau diesen Reibungen an. Nasse Rohstoffe – etwa Trester, Grasschnitt, Holzhackschnitzel oder Stroh – gehen ohne Trocknung in den Prozess. Das spart Prozesswärme, Maschinen und Zeit. Sie brauchen weniger Vorbehandlung. Sie umgehen Pelletierung und reduzieren Transportkilometer. Der Effekt: Die Anlage kann kleiner werden und näher an die Quelle rücken.

„Mit diesem Verfahren kann Methanol dezentraler hergestellt werden als bisher“, sagt Patrick Schühle. „Für große landwirtschaftliche Betriebe, Forstbetriebe oder landwirtschaftliche Genossenschaften könnte sich die Investition in diese neue Technologie durchaus lohnen.“

Die Forschenden geben an, eine Kohlenstoffeffizienz von bis zu 80 % erreicht zu haben. Das bedeutet, dass ein großer Teil des Kohlenstoffs der Biomasse im Produkt ankommt. Für Sie heißt das: Aus jedem Hänger mit Schnittgut wird mehr Methanol als bislang üblich – zumindest in der Bilanz der Forschenden. Der Wert ist eine Prozesskennzahl und hängt von Rohstoff, Fahrweise und Katalyse ab.

Kreislaufgedanke trifft Elektrolyse

Der zweite Baustein ist Strom. Ein integrierter Elektrolyseur spaltet Wasser und liefert Wasserstoff und Sauerstoff für die Reaktionen. Der Wasserstoff dient als Energie- und Reduktionsquelle. Der Sauerstoff kann Prozessschritte unterstützen. Die Forschenden verknüpfen das mit erneuerbaren Quellen wie Photovoltaik oder einem regionalen Windpark.

Weil die Elektrolyse viel Strom braucht, spielt der Preisverlauf eine wichtige Rolle. Genau hier zeigt das Konzept seine Flexibilität: Läuft die PV-Anlage mittags hoch oder dreht der Wind, reagiert die Methanolkette. Sie können Zwischenschritte zeitlich strecken oder puffern, zum Beispiel über Zwischenprodukte wie Ameisensäure. Diese lässt sich vorübergehend speichern, wenn der Strompreis besonders niedrig ist.

So entsteht eine Art saisonale und tägliche Schaltzentrale: Ernten im Sommer, verarbeiten im Takt des Wetters, produzieren, wenn die Kilowattstunde günstig ist. Der Begriff Agrivoltaik fällt in diesem Zusammenhang ebenfalls. Gemeint ist die Doppelnutzung von Flächen für Landwirtschaft und Solarstrom. Wenn die Einspeisevergütung stagniert oder sinkt, wächst der Anreiz, den eigenen PV-Strom vor Ort in einen chemischen Energieträger zu verwandeln.

Power-to-Methanol: CO₂ als Rohstoff, Strom als Treiber

Neben Biomasse rückt noch ein zweiter grüner Baustein in den Fokus: CO₂. Beim Power-to-Methanol-Verfahren kombinieren Sie erneuerbaren Wasserstoff mit abgeschiedenem CO₂. Das CO₂ kann aus Industrieabgasen stammen. Die Synthese bindet das Gas chemisch und macht daraus einen flüssigen Energieträger. Der Vorteil: Sie nutzen überschüssigen Wind- oder Solarstrom und speichern ihn in einer Flüssigkeit. Das bettet Methanol in die Energiewende ein – als Bindeglied zwischen Elektronen und Molekülen.

Die offenen Punkte sind bekannt: Wirkungsgrad, Skalierung, Kosten. Diese Fragen entscheiden, ob die Route vom Technologiedemonstrator zur verlässlichen Option wird. „Wir haben berechnet, dass grünes Methanol in Zukunft zu ähnlichen Kosten wie Methanol aus Erdgas hergestellt werden könnte“, erklärt Patrick Schühle. „Damit könnte es aus wirtschaftlicher Sicht einen bedeutenden Beitrag zur Defossilisierung unserer Industrielandschaft leisten.“

Anwendungen: vom Reaktor bis aufs Schiff

Methanol bleibt ein wichtiger Grundstoff der Chemie. Daraus entstehen Formaldehyd, Kunststoffe oder Lösungsmittel. Gleichzeitig wächst die Rolle als Energieträger. In der Stromwelt kann Methanol Überschüsse speichern und später wieder in Strom verwandelt werden – durch Verbrennung oder in Brennstoffzellen. Im Verkehr taucht es als Beimischung oder direkter Kraftstoff auf.

Forschende sprechen von einem „Drop-in-Kraftstoff“, also einem Treibstoff, der in bestehende Systeme passt. Besonders in der Schifffahrt gilt Methanol als Kandidat, um Schweröl zu ersetzen. Tanks, Leitungen und Logistik lassen sich mit vergleichsweise wenigen Änderungen nutzen. Der Schritt mindert Abhängigkeiten von extremen Drücken oder Kühlung, wie sie Wasserstoff braucht.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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