Zirkulär bauen, CO₂ sparen: Das Circular House macht’s vor
Zirkuläres Bauen im Test: Das Circular House in den Niederlanden zeigt, wie Materialien Emissionen senken – vom Rohstoff bis zur Wiederverwendung.
Das Circular House im niederländischen Sittard-Geleen: Hier zeigen Covestro, Recticel und Brightlands, wie zirkuläre Materialien den CO₂-Fußabdruck im Bau senken können.
Foto: Brightlands
Wie kann zirkuläres Bauen funktionieren und wie senken moderne Baustoffe den CO₂-Fußabdruck? Das wollen Covestro, Recticel und der Brightlands Circular Space gemeinsam zeigen. Die Bühne dafür: das „Circular House“ im niederländischen Sittard-Geleen. Das Gebäude versteht sich als Demonstrationszentrum und Reallabor. Es soll greifbar machen, wie sich zirkuläre Materialien im Alltag eines Hauses bewähren – vom Rohstoff über die Nutzung bis zur Wiederverwendung.
Der Zugriff auf den CO₂-Hebel erfolgt dabei nicht nur über Energieeffizienz im Betrieb. Das Projekt richtet den Scheinwerfer auf Emissionen, die schon entstehen, bevor die erste Kilowattstunde Strom durchs Haus fließt: die Herstellungsphase von Baustoffen.
Inhaltsverzeichnis
Die Emissionstreiber auf dem Bau
Im Bausektor stammen große Emissionsanteile aus der Produktion von Zement, Stahl, Dämmstoffen oder Kunststoffen. Experten sprechen hier vom „embodied carbon“. Gemeint sind alle Treibhausgasemissionen, die in den Baustoffen „stecken“, von der Rohstoffgewinnung bis zum fertigen Produkt am Werkstor. Erst danach beginnt die Betriebsphase eines Gebäudes. Die Größenordnung macht nachdenklich.
Wörtlich heißt es aus dem Projektumfeld: „Der Bausektor ist weltweit für etwa 37 % der CO₂-Emissionen verantwortlich. Etwa ein Viertel entfällt dabei auf das sogenannte „embodied carbon“, also auf Emissionen, die bereits bei der Herstellung der Baumaterialien entstehen, lange bevor ein Gebäude überhaupt genutzt wird“, erklärt Fernando Resende, Marketing Manager Building & Construction EMEA-LATAM bei Covestro. „Das muss sich dringend ändern. Dank unserer Zusammenarbeit mit Recticel können wir eine zukunftsfähige und überzeugende Alternative anbieten.“
Der Ansatz im Circular House: baubegleitend zeigen, wie sich dieser Anteil reduzieren lässt, ohne bei Leistung und Praxistauglichkeit Abstriche zu machen.
Der Stoff, aus dem die Dämmung ist
Kern des Vorhabens ist die Dämmung. Im gesamten Circular House kommen PU-Dämmplatten von Recticel zum Einsatz. Produziert werden sie mit einem Rohmaterial von Covestro: Desmodur® CQ MS. Hinter dem Kürzel steckt MDI (Methylendiphenyldiisocyanat), das laut Hersteller mit bio-zirkulären Rohstoffen hergestellt und per Massenbilanz zertifiziert wird.
Kurz erklärt: Bei der Massenbilanz werden nachhaltige und fossile Rohstoffe in einem gemeinsamen Produktionsverbund verarbeitet. Über ein anerkanntes Rechenmodell wird der nachhaltige Anteil bestimmten Produkten zugeordnet. Das Produkt selbst kann so die Nutzung erneuerbarer Rohstoffe „mitnehmen“, auch wenn der Herstellprozess chemisch nicht getrennt läuft.
Laut Projektteam weisen die im Circular House verbauten Dämmplatten dadurch 43 % weniger „embodied carbon“ aus als vergleichbare Standardprodukte. Gemeint ist der Abschnitt A1–A3 der Lebenszyklusanalyse (Cradle-to-Gate), also vom Rohstoff bis zum Werkstor. Die technische und thermische Leistung soll unverändert bleiben. Diese Aussage basiert auf internen LCA-Berechnungen und Zertifikatsangaben der beteiligten Unternehmen.

Raumeindruck der ersten Etage des Circular House.
Foto: Brightlands
Ein Haus als Lernort
Das 7.500 m² große Circular House ist mehr als ein Ausstellungsgebäude. Es will als offener Lernort funktionieren. Hier sollen Unternehmen, Studierende und Fachleute aus der Bau- und Kunststoffbranche zusammenkommen, um Lösungen zu testen, zu messen und weiterzuentwickeln. Geplant sind Formate, die Best Practices zeigen, Erfahrungen teilen und den Transfer in reale Bauprojekte beschleunigen.
Die Projektverantwortlichen bringen es in einem Doppelzitat auf den Punkt: „Für das Circular House haben wir uns bewusst für Dämmplatten entschieden, die auf nachhaltigeren Rohstoffen basieren und sowohl in puncto Leistung als auch Nachhaltigkeit überzeugen“, sagt Lia Voermans, Vorsitzende des Steering Boards des Brightlands Circular Space.
„Damit übertragen wir die zirkulären Prinzipien, die den Brightlands Circular Space leiten, konsequent auf die Gestaltung unseres Demonstrationszentrums für zirkuläre Kunststoffe und zeigen konkret, wie sich kreislauffähige und CO₂-arme Materialien in reale Bauprojekte integrieren lassen.“
Vom Campus in die Branche
Der Standort ist bewusst gewählt. Der Brightlands Chemelot Campus gilt als Knotenpunkt für Polymer- und Materialforschung. Der dazugehörige Brightlands Circular Space (BCS) vernetzt Akteur*innen entlang der gesamten Kunststoff-Wertschöpfungskette. Ziel ist, Lösungen nicht im Labor verharren zu lassen, sondern sie unter realen Bedingungen zu skalieren – ob in Verpackung, Mobilität oder Elektronik.
Das Circular House fungiert dabei als Schaufenster und Prüfstand. Bauteile sollen modular, rückbaubar und wiederverwendbar sein. Wo immer möglich, wird dokumentiert, wie Materialien in einen Kreislauf zurückkehren können. So lässt sich später nachvollziehen, welchen Emissionseffekt die Entscheidung für einen bestimmten Werkstoff tatsächlich hatte.
Zusammenarbeit: Zahlen, Zitate, Zuschnitte
Im Projekt wurden Desmodur® CQ MS-Rohstoffe in die Eurothane® Silver Impact-Dämmplatten integriert. Diese kommen als Dachdämmung des Circular House zum Einsatz. Die Kommunikation bleibt dabei nahe an der Praxis.
Benedikt van Roosmalen von Recticel formuliert die Erwartung an künftige Bauteile so: „Die Gebäude der Zukunft müssen sich nicht nur an ihrer Energieeffizienz messen lassen. Auch der CO₂-Fußabdruck, die Kreislauffähigkeit der Materialien sowie die langfristigen Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus hinweg müssen berücksichtigt werden“, sagt Benedikt van Roosmalen, Commercial Manager bei Recticel.
„Die Zusammenarbeit mit Covestro hat es uns ermöglicht, mit Eurothane® Silver Impact eine Dämmplatte zu entwickeln, die im Vergleich zu herkömmlichen Lösungen einen deutlich reduzierten CO₂-Fußabdruck aufweist.“
Einordnung: Was „klimaneutral“ hier meint
In der Kommunikation zum Projekt fällt der Begriff „klimaneutral“ für bestimmte Rohstoffe. Gemeint ist hier eine Cradle-to-Gate-Bilanzierung, die biogene Kohlenstoffbindung und zertifizierte Zuweisungen über Massenbilanz einbezieht. Kompensationen sollen in dieser Angabe nicht enthalten sein.
Wichtig: Cradle-to-Gate deckt nicht den gesamten Lebenszyklus ab. Nutzung, Instandhaltung und End-of-Life kommen später hinzu. Wer Gebäude mit Blick auf Net-Zero-Ziele plant, sollte deshalb alle Lebenszyklusmodule betrachten.
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