Wolfsschanze – so funktionierte Hitlers Bunker in Masuren
Hitlers Wolfsschanze: Geheimes Hauptquartier im masurischen Wald. Von 1940 bis 1944 gebaut, heute Ruinen und Mahnmal für Millionen.
In diesem Bunker "versteckte" sich Hitler von Juni 1941 bis November 1944.
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Mitten in den Wäldern der masurischen Seenplatte, fernab großer Städte, entstand ab 1940 eines der größten Geheimprojekte des „Dritten Reichs“: die Wolfsschanze. Offiziell lief die Baustelle unter dem Tarnnamen „Chemische Werke Askania“. Tatsächlich handelte es sich um das wichtigste Führerhauptquartier Adolf Hitlers. Über 800 Tage hielt er sich dort auf. Von hier aus dirigierte er einen Krieg, der Millionen Menschen das Leben kostete – verborgen unter bis zu neun Metern Stahlbeton.
Heute ist die Wolfsschanze eine Ruinenlandschaft aus Stahlbeton, die jährlich Hunderttausende Besucherinnen und Besucher anzieht. Sie ist Mahnmal, Touristenziel und Symbol für Größenwahn zugleich.
Warum gerade hier?
Die damalige Stadt Rastenburg – heute Kętrzyn in Polen – lag am westlichen Rand der masurischen Seenplatte. Die Region galt seit Jahrhunderten als militärisch bedeutsam. Der dichte Mischwald bot natürliche Tarnung, die Seen bildeten eine natürliche Barriere gegen Angriffe aus dem Osten.
Als 1940 die Entscheidung für ein neues Führerhauptquartier fiel, sprach einiges für den Standort: die Nähe zur sowjetischen Grenze, die starke Befestigung Ostpreußens mit Festungen und Panzergräben sowie die Abgeschiedenheit des Stadtwaldes bei Görlitz. So verband sich Sicherheit mit der Nähe zur Front – ein idealer Ort für Hitlers Pläne.
Tarnname „Wolfsschanze“
Hitler hatte eine Vorliebe für den Namen „Wolf“. Abgeleitet von Adolf („edler Wolf“ im Althochdeutschen), nutzte er ihn schon in den 1920er-Jahren in Briefen. Mehrere Hauptquartiere griffen den Namen auf: „Werwolf“ in der Ukraine, „Wolfsschlucht“ in Belgien und Frankreich – und eben die „Wolfsschanze“.
Der Name sollte harmlos klingen, fast wie eine Jagdhütte. In Wirklichkeit war die Wolfsschanze eine militärische Großanlage mit über 2000 Bewohnern.
Bau des Großprojekts
Ende 1940 begannen die Bauarbeiten, verantwortlich war die Organisation Todt. Offiziell galt das Ganze als Erweiterung der Askania-Werke, eines Rüstungsbetriebs. Die Bevölkerung erfuhr lediglich, dass Teile des Waldes „für militärische Zwecke“ genutzt wurden.
Ab Frühjahr 1941 wurde die gesamte Region für Zivilisten gesperrt. Der Reichssicherheitsdienst kontrollierte das Personal streng – und das war zahlreich.

Große Teile der Wolfsschanze sind heute verwüstet, auch weil die Wehrmacht vieles zerstörte, als sie 1944 vor den sowjetischen Truppen floh.
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4500 Menschen auf der Baustelle
In Spitzenzeiten arbeiteten über 4500 Menschen am Bau. Für die Kernbauten wurden keine KZ-Häftlinge oder ausländischen Zwangsarbeiter eingesetzt – im Umfeld, etwa beim Straßen- und Infrastrukturbau, jedoch sehr wohl.
Die Arbeiter wurden regelmäßig ausgetauscht, um Geheimhaltung zu sichern. Gebaut wurde in drei Abschnitten:
- Ende 1940 bis Sommer 1941: erste Bunker und Baracken, rechtzeitig zum Überfall auf die Sowjetunion einsatzbereit.
- 1942 bis 1943: Erweiterungen mit neuen Betonbauten und Sperranlagen.
- 1944: letzte Ausbaustufe mit noch stärkeren Bunkern, teilweise unvollendet.
Dimensionen aus Beton
Zwischen 1940 und 1944 wuchs die Anlage auf rund 250 Hektar Fläche zu einer gigantischen Festung. Dazu gehörten:
- 7 massive Stahlbetonbunker mit bis zu 9 Meter dicken Decken,
- rund 40 leichtere Bunker,
- etwa 40 Wohn- und Verwaltungsgebäude,
- ein eigener Bahnhof und zwei Flugplätze,
- Stellungen für Flugabwehr, ein Kino und mehrere Kasinos.
Die Anlage war in drei Sperrkreise gegliedert. Im innersten lag Bunker 13 – Hitlers Aufenthaltsort. Dort arbeiteten auch die Stäbe des Oberkommandos. Im zweiten Sperrkreis lebten Soldaten des Führer-Begleit-Bataillons, der dritte enthielt weitere Baracken und Versorgungseinrichtungen.
Ein zehn Kilometer langer Stacheldrahtzaun, ein 150 Meter breiter Minengürtel und zahlreiche Wachtürme sicherten das Areal.
Tarnung als Bauprinzip
Tarnung war von Beginn an eingeplant. Eine Stuttgarter Gartenbaufirma erhielt den Auftrag, die Anlage unsichtbar zu machen. Mitarbeitende versetzten Bäume, stellten Attrappen auf und spannten Tarnnetze über Wege und Dächer.
Die Bunker erhielten Vertiefungen, die mit Erde und Sträuchern gefüllt wurden. So wirkten sie aus der Luft wie Lichtungen. Die Außenwände bekamen Putz mit Seegras und Holzspänen, bemalt mit Tarnfarben – so verschmolzen sie mit dem Wald.
Das Ergebnis: Aus großer Höhe war die Anlage kaum zu erkennen. Selbst sowjetische Linienmaschinen, die bis Juni 1941 noch regelmäßig die Strecke Moskau–Berlin überflogen, bemerkten nichts.
Alltag im Führerhauptquartier
Am 24. Juni 1941, zwei Tage nach Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion, traf Hitler ein. Mit Unterbrechungen blieb er bis November 1944.
Der Tagesablauf folgte seinem Rhythmus: spätes Frühstück, Spaziergänge, danach lange Lagebesprechungen. Gegen 13 Uhr begann die erste Sitzung, oft mehrere Stunden lang. Abends folgte eine zweite, die bis in die Nacht dauerte. Hitler sprach oft stundenlang, Stenografinnen und Stenografen protokollierten jedes Wort. Nur ein Bruchteil dieser Aufzeichnungen liegt heute im Bundesarchiv. Der Rest ist verbrannt.
Zur Freizeit standen Kasinos, ein Kino und ein See zur Erholung bereit. Für Hitler waren Spaziergänge mit seiner Schäferhündin Blondie der wichtigste Ausgleich.

Nachbau der Baracke des Stauffenberg-Attentats.
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Das Stauffenberg-Attentat
Die Wolfsschanze ist untrennbar mit dem 20. Juli 1944 verbunden. An diesem Tag versuchte Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Hitler mit einer Bombe zu töten.
Während einer Lagebesprechung deponierte er seine Aktentasche neben Hitler. Doch jemand stellte sie beiseite, weil sie im Weg stand. Als die Bombe detonierte, entwich der Druck durch die dünnen Wände der Baracke nach außen. Ein massiver Tisch schirmte Hitler zusätzlich ab.
Vier Offiziere starben, Hitler erlitt nur leichte Verletzungen. Stauffenberg und seine Mitverschwörer wurden noch in derselben Nacht hingerichtet.
Die letzten Tage der Wolfsschanze
Im November 1944 verließ Hitler das Quartier, da die Rote Armee immer näher rückte. Kurz darauf sprengte die Wehrmacht große Teile der Anlage. Für einzelne Bunker sollen bis zu acht Tonnen Sprengstoff eingesetzt worden sein – dennoch widerstanden viele Mauern.
Als sowjetische Truppen im Januar 1945 eintrafen, fanden sie eine Ruinenlandschaft. Zwischen 1945 und 1955 wurden dort über 50.000 Minen entschärft.
Vom Sperrgebiet zum Erinnerungsort
Seit 1959 ist die Wolfsschanze für Besucher zugänglich. Zunächst fehlte eine kritische Aufarbeitung. In den 1990er-Jahren nutzte ein privater Betreiber das Gelände eher wie einen Abenteuerspielplatz – mit Panzerfahrten, Schießständen und Kriegsszenarien. Erst seit 2017 steht die Anlage unter staatlicher Verwaltung.
Heute führen ausgeschilderte Rundgänge durch die Ruinen. Infotafeln erläutern die Geschichte, rekonstruierte Räume veranschaulichen das Leben im Quartier. Besonders eindrücklich ist die Baracke des Attentats: Dort steht eine lebensgroße Hitlerfigur am Tisch.
Rund 300.000 Menschen besuchen die Wolfsschanze jedes Jahr – manche aus Neugier, andere aus ernstem historischen Interesse. Die Verwaltung betont, dass das Gelände streng überwacht wird, um Missbrauch durch Neonazis zu verhindern.
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