Marode Gebäude 04.11.2025, 13:00 Uhr

Raus aus dem Sanierungsstau bei Schulen – so soll es gelingen

Wie Kommunen mit Sondervermögen, Multiprojektmanagement und Gebäudetyp E den Sanierungsstau an Schulen abbauen können.

Schimmel in der Schule

Schimmel ist kein Schönheitsfehler mehr in der Schule, sondern gesundheitsgefährdend. Hier ist schnelles Handeln gefragt.

Foto: picture alliance/dpa | Annette Riedl

In vielen deutschen Klassenzimmern erzählt schon das Gebäude seine eigene Geschichte: Putz bröckelt, Fenster schließen nicht richtig, der Lärm von draußen dringt ungehindert hinein. Gleichzeitig wächst die Zahl der Schülerinnen und Schülern, Ganztagsangebote kommen hinzu, inklusive Bildung wird ausgebaut. Kurz gesagt: Die Anforderungen steigen – die Gebäude hinken hinterher.

Die staatliche Förderbank KfW schätzt den Sanierungsstau an Schulen auf rund 55 Mrd. €. So viel wäre nötig, um sie wieder sicher und funktional zu machen. Parallel rechnet die Kultusministerkonferenz bis 2035 mit 758.000 zusätzlichen Schülerinnen und Schülern – insgesamt etwa 11,8 Millionen. Ab 2026 kommt die Ganztagsgarantie an Grundschulen hinzu, und in wachsenden Städten wird der Platz ohnehin knapp.

Doch es gibt Wege aus dem Stillstand – wenn Kommunen Finanzierung, Planung und Organisation zusammendenken. Ein Schlüssel liegt im neuen Sondervermögen des Bundes, ein anderer in innovativen Planungsansätzen wie dem Gebäudetyp E und einem konsequenten Multiprojektmanagement.

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Warum Sanierungen so dringend sind

Wer mit Planerinnen und Planern spricht, hört schnell: Es geht längst nicht mehr nur um ein paar Risse im Putz. „Der bauliche Zustand vieler Schulen ist eine ernstzunehmende Gefahr für Gesundheit und Lernqualität“, sagt Thomas Köhler, Spezialist für Bildungsbauten bei Drees & Sommer. „Wer sich in einem Raum nicht wohlfühlt, kann sich schlechter konzentrieren und weniger entfalten.“

Köhler berät Städte und Kommunen in ganz Deutschland bei Neubau, Erweiterung oder Sanierung von Schulen. Er kombiniert technisches Wissen, pädagogisches Verständnis und strategische Planung – eine Kombination, die heute dringend gebraucht wird.

Die Zuständigkeiten erschweren vieles: Die Länder sind für das Schulwesen verantwortlich, die Gebäude gehören aber meist den Kommunen. Und dort fehlen oft Personal, Zeit und Geld. „Bürokratie bremst zusätzlich, und die Budgets sind knapp bemessen“, so Köhler.

Sondervermögen als Chance

Am 18. März 2025 kam Bewegung in die Sache: Der Bund beschloss ein Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität in Höhe von 500 Mrd. €, davon rund 100 Mrd. € für Länder und Kommunen. Wie viel davon an Schulen fließt, ist offen – doch der Spielraum wächst. „Jetzt besteht die Chance, dringend benötigte Mittel schnell und unbürokratisch bereitzustellen“, sagt Köhler.

Für viele Kommunen heißt das: Sie können Projekte angehen, die jahrelang in Schubladen lagen. Aber Geld allein genügt nicht. Es braucht Strukturen, um die Vielzahl der Bau- und Sanierungsvorhaben überhaupt stemmen zu können.

Die Babyboomer-Schulen kommen ins Rentenalter

Besonders kritisch sind Gebäude aus den 1950er bis 1970er Jahren. Sie entstanden unter Zeitdruck – funktional, günstig und in Serie. „Damals zählte Quantität statt Qualität“, erklärt Köhler. „Heute sehen wir die Folgen: Schadstoffe, mangelhafte Wärmedämmung, einfache Aluminiumverglasung, veraltete Heiz- und Lüftungssysteme.“

Auch die Barrierefreiheit fehlt oft völlig. Förderprogramme gibt es zwar, doch sie reichen angesichts des riesigen Sanierungsstaus nicht aus.

Wenn Köhler von Sanierung spricht, meint er keine Schönheitskur. „Ein neuer Anstrich reicht nicht. Wer nachhaltig sanieren will, muss tief in die Bausubstanz eingreifen“, betont er. Denn Asbest oder PCB verschwinden nicht durch neue Farbe, und Klassenzimmer aus der Halbtagsära werden dadurch nicht größer. Moderne Ganztagsschulen brauchen flexible Lernräume – und dafür reichen zwei Quadratmeter pro Schülerin oder Schüler längst nicht mehr aus.

Sanierung braucht Strategie

Wo fängt man an? Laut Köhler ist der erste Schritt ein klarer Überblick: „Wir brauchen koordinierte Maßnahmen und eine Art Sanierungsfahrplan.“

Gemeint ist ein strategisches Liegenschaftsmanagement, bei dem Kommunen den Zustand ihrer Schulen erfassen, bewerten und priorisieren. So lässt sich gezielt handeln – nicht nur dort, wo der Druck am größten ist.

Gerade in Ballungsräumen lohnt sich der Blick über Gemeindegrenzen hinweg, wenn Schülerströme sich überschneiden oder Kapazitäten gemeinsam genutzt werden können.

marode Schule

Fleckige Fassade, kaputte Fenster – bei dieser Schule ist der Sanierungsstau offensichtlich.

Foto: picture alliance/dpa | Annette Riedl

Multiprojektmanagement: Köln macht’s vor

Wie so etwas funktioniert, zeigt Köln. Dort arbeitet die Stadt seit Jahren mit Drees & Sommer zusammen, um Sanierung, Erweiterung und Neubau gleich mehrerer Schulen zu koordinieren.

Zwischen 2017 und 2023 wurden sieben Projekte pünktlich abgeschlossen. Mittlerweile betreut das Team 22 Schulbauprojekte im Verbund – gesteuert nach industriellem Vorbild über ein Multiprojektmanagement.

„Wir koordinieren alle Projekte gemeinsam, statt jede Schule einzeln zu planen“, erklärt Teamleiterin Anja Könings. „Das spart Zeit, Ressourcen und schafft Synergien.“

Ein interdisziplinäres Team aus rund 20 Fachleuten bündelt pädagogisches, soziologisches und technisches Wissen. Dadurch lassen sich Standards entwickeln, die mehrfach genutzt werden – etwa für Raumaufteilungen, Materialien oder Gebäudetechnik.

Digitale Werkzeuge bringen Tempo und Transparenz

In Köln kommt auch Building Information Modeling (BIM) zum Einsatz. Das digitale 3D-Modell vereint alle relevanten Informationen – von Statik über Haustechnik bis zum Raumprogramm.

So arbeiten alle Beteiligten am selben „digitalen Zwilling“. Konflikte, etwa bei Leitungen oder Fluchtwegen, werden früh erkannt. Drees & Sommer sorgt zusätzlich für ein BIM-Qualitätsmanagement, damit Daten konsistent bleiben.

Ein weiterer Vorteil: Köln vergibt viele Projekte an General- oder Totalunternehmer, die Planung und Bau aus einer Hand liefern. Das reduziert Schnittstellen, spart Zeit – und verlangt gleichzeitig klare Vorgaben und gutes Controlling.

Gebäudetyp E: Bayerns modularer Weg

Während Köln organisatorisch neue Wege geht, setzt Bayern auf ein innovatives Baukonzept: den Gebäudetyp E – „E“ steht für einfach und effizient.

Statt jede Schule individuell zu entwerfen, werden modulare Bausteine entwickelt – etwa für Klassenräume, Fachräume oder Gemeinschaftsbereiche. Diese lassen sich flexibel kombinieren, erweitern oder anpassen.

Bayern hat die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen: Seit 2023 erlaubt die Bayerische Bauordnung den Behörden, von Normen abzuweichen, solange Sicherheit und Funktion gewährleistet sind. Dadurch entstehen schnellere Verfahren, niedrigere Kosten und ressourcenschonende Bauweisen. In Mittelfranken und Oberbayern laufen derzeit mehrere Pilotprojekte – bundesweit beobachtet.

Finanzierung: Neue Wege im Förderdschungel

Sanierung kostet – je nach Projekt zwischen 34.000 und 77.000 € pro Schulplatz. Beim Neubau liegen die Kosten bei 4.800 bis über 6.400 € pro m², eine neue Grundschule kostet im Schnitt rund 30 Millionen €.

Viele Kommunen können das nicht allein stemmen. Neben klassischen Förderprogrammen rücken deshalb neue Finanzierungsmodelle in den Fokus.

Drees & Sommer unterstützt dabei, Fördermittel zu finden, Anträge zu stellen und Programme zu kombinieren. Ergänzend setzen einige Städte auf Public-Private-Partnerships (PPP): Private Investoren finanzieren den Bau, die Kommune mietet das Gebäude über Jahre zurück. So werden Investitionskosten gestreckt.

Die Drees-&-Sommer-Tochter Real Blue KVG entwickelt dafür passende Modelle – öffentliche Gelder und privates Kapital fließen zusammen, ohne die städtischen Haushalte zu überlasten.

Bildung braucht gemeinsamen Willen

Bleibt die Frage: Reicht der politische Wille, um den Sanierungsstau wirklich aufzulösen – statt ihn nur zu verwalten?

„Es braucht Rückhalt und gezielte Investitionen statt tröpfchenweiser Förderung“, fordert Köhler. „Nur wenn Bund, Länder und Kommunen gemeinsam Verantwortung übernehmen, lassen sich die Herausforderungen im Bildungsbau bewältigen.“

Er fordert ein Umdenken: „Der Staat muss nicht alles selbst bauen, aber er muss sicherstellen, dass gebaut wird. Unsere Kinder haben ein Recht darauf.“

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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