„Little Berlin“ modernisiert: Technik trifft Geschichte in Mödlareuth
Neuer Holzbau im „Little Berlin“: Das Museum Mödlareuth macht die deutsche Teilung erlebbar, mit moderner Technik und nachhaltiger Architektur.
Der Neubau des Deutsch-Deutschen Museums Mödlareuth am Tag der Einweihung des neuen Museumsgebäudes und des umgestalteten Außenbereichs.
Foto: picture alliance/dpa | Martin Schutt
Mödlareuth ist ein kleiner Ort an der bayerisch-thüringischen Landesgrenze. Jahrzehntelang war das Dorf Symbol der deutschen Teilung. Eine 700 Meter lange Mauer zerschnitt den Ort in Ost und West. Nur wenige Meter trennten die 34 Einwohnerinnen und Einwohner der DDR-Seite von den 21 auf westdeutscher Seite.
Der frühere US-Präsident George H. W. Bush nannte Mödlareuth 1983 „Little Berlin“. Heute zieht der Ort jedes Jahr rund 80.000 Besucherinnen und Besucher an. Sie wollen sehen, wo einst Stacheldraht, Beton und Wachtürme den Alltag bestimmten.
Zum 36. Jahrestag des Mauerfalls wurde nun der Erweiterungsbau des Deutsch-Deutschen Museums eröffnet. Das neue Gebäude soll die Geschichte der Teilung zeitgemäß vermitteln – und zugleich ein Beispiel für nachhaltiges Bauen im historischen Kontext sein.
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Planen und Bauen im sensiblen Umfeld
Die Projektsteuerung lag beim Stuttgarter Beratungsunternehmen Drees & Sommer SE, das auf Bau und Infrastruktur spezialisiert ist. Das Team unter Leitung von Maximilian Loos koordinierte alle Phasen – von der Auswahl der Planungsbüros über das Fördermittelmanagement bis zur Betriebskostenprognose.
„Wir haben die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten koordiniert und eine transparente Informationslage sichergestellt. Das trug dazu bei, dass alle Prozesse reibungslos und termingerecht ablaufen konnten“, sagt Loos.
Das Vorhaben stellte hohe Anforderungen. Der Bau sollte sich in das gewachsene Dorfbild einfügen und gleichzeitig modernen energetischen und funktionalen Ansprüchen genügen.
Architektur mit Rücksicht auf den Ort
Der Entwurf stammt vom Kasseler Büro ATELIER 30. Die Architektinnen und Architekten entschieden sich für einen schlanken Holzbau mit klarer Linienführung. Statt eines dominanten Neubaus entstand ein Baukörper, der sich in Maßstab und Materialität an den landwirtschaftlichen Gebäuden der Region orientiert.
Die Fassade aus geöltem Fichtenholz stammt aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Das Material altert gleichmäßig und fügt sich unauffällig in die Umgebung ein. Ein begrüntes Dach verbessert das Mikroklima und bietet Lebensraum für Insekten.
Zur Energieversorgung nutzt das Gebäude eine Erdwärmepumpe, ergänzt durch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Dreifachverglasung und gute Wärmedämmung reduzieren den Energiebedarf. Das Museum erreicht damit einen hohen Effizienzstandard, ohne auf fossile Energien zurückzugreifen.
Historischer Blick durch große Fenster
Große Panoramafenster im Ausstellungsraum geben den Blick frei auf Mauerreste, den Wachturm und den früheren Grenzstreifen. Besucher*innen sehen beim Rundgang, wie eng Architektur und Geschichte hier miteinander verbunden sind.
„Wir wollten dem wachsenden Interesse mit einem Gebäude begegnen, das nicht nur funktional ist, sondern auch dem Ort gerecht wird“, sagt Oliver Bär, Landrat des Landkreises Hof und Vorsitzender des Museumszweckverbands. „Ein Museum, das sich ideal in das Dorf einfügt – und sich zugleich öffnet für die Geschichte, die hier sichtbar bleibt.“
Das bisherige Museumsgebäude – ein früheres Rittergut – reichte längst nicht mehr aus. Es fehlten Räume für Sonderausstellungen, pädagogische Angebote und Veranstaltungen.
Neue Räume für Geschichte
Der Neubau bietet rund 1.350 Quadratmeter Nutzfläche, davon 500 Quadratmeter für die neue Dauerausstellung. Sie führt durch vier Zeitabschnitte – vom Ende des Zweiten Weltkriegs über den Mauerbau bis zur Wiedervereinigung.
Die Ausstellung arbeitet mit 180 Fotografien, 20 Filmen und virtuellen Formaten. Besucher*innen können in Zeitzeugeninterviews eintauchen oder über ein 3D-Modell das geteilte Dorf erkunden. „Texttafeln und Vitrinen reichen heute nicht mehr aus, um Interesse zu wecken“, sagt Museumsleiter Robert Lebegern, der das Haus seit 1992 leitet.
Zum Museum gehört auch ein Bistro sowie neue Räume für Bildung und Forschung. Die Umgestaltung des Freigeländes begann bereits 2022 und war im Sommer 2023 abgeschlossen. Dort sind nun verschiedene Abschnitte der früheren DDR-Grenzanlagen rekonstruiert.

Blick in die Ausstellung im Deutsch-Deutschen Museum Mödlareuth.
Foto: picture alliance/dpa | Heiko Rebsch
Was das Museum zeigt
Das Deutsch-Deutsche Museum Mödlareuth dokumentiert die politischen und sozialen Folgen der deutschen Teilung im Alltag der Menschen. Die neue Dauerausstellung ordnet historische Ereignisse in vier thematische Abschnitte:
- Nachkriegszeit und Besatzung,
- Gründung der beiden deutschen Staaten,
- Leben an der innerdeutschen Grenze,
- Friedliche Revolution und Wiedervereinigung.
Im Mittelpunkt stehen persönliche Schicksale und lokale Beispiele. Karten, Modelle und Originalobjekte zeigen, wie eng das Grenzregime organisiert war. Besucher*innen erfahren, wie Überwachung, Kontrolle und Ideologie bis in das Privatleben hineinwirkten.
Digitale Medien ergänzen klassische Exponate. Über Touchscreens und VR-Stationen lassen sich Zeitzeugeninterviews oder historische Szenen aufrufen. Ein 3D-Modell des Dorfes macht sichtbar, wie nah sich Ost und West gegenüberstanden.
Das Freigelände zeigt erhaltene Grenzanlagen mit Beobachtungsturm, Mauer und Sperrzäunen. Tafeln erklären Aufbau und Funktion der DDR-Grenze. Zudem markieren neue Rundgänge ehemalige Fluchtpunkte und historische Orte im Dorf.
Ein pädagogischer Bereich bietet Programme für Schulen, darunter Projekttage und Seminare. Thematisch geht es dabei um Freiheit, Grenzen und gesellschaftliche Teilung – Fragen, die auch gegenwärtig Relevanz besitzen.
Kosten und Finanzierung
Die Gesamtkosten lagen bei rund 22 Millionen €. Sie wurden über die gesamte Bauzeit eingehalten – ein Ergebnis, das heute kaum selbstverständlich ist.
- Die Bundesregierung und der Freistaat Bayern steuerten jeweils 5,6 Millionen € bei.
- Der Freistaat Thüringen beteiligte sich mit 800.000 €.
- Weitere Mittel kamen von der Oberfrankenstiftung (4 Mio. €) und der Bayerischen Landesstiftung (0,5 Mio. €).
Ein wichtiger Faktor war das Anti-Claim-Management. Damit konnten Konflikte und Nachforderungen frühzeitig erkannt und vermieden werden.
Erinnerung als Auftrag
Zur Eröffnung betonte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, wie aktuell der Ort geblieben ist. „In Zeiten, in denen neue Mauern hochgezogen werden – nicht unbedingt aus Beton, vor allem aber in Köpfen und Herzen –, in denen Spaltung wieder zum politischen Programm erhoben wird, ist Mödlareuth ein Mahnmal.“
Er erinnerte daran, dass der Mauerfall 1989 das Ergebnis jahrelanger zivilgesellschaftlicher Bewegung war. „Jede Form der Unfreiheit, jede Diktatur, jeder Versuch, Menschen einzusperren in Ideologien oder hinter Grenzen, muss am Ende scheitern – weil der Freiheitsdrang des Menschen stärker ist als jede Mauer.“
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