Kein Platz? Kein Problem! Schwerlastlogistik am Limit
Mammoet löst das Platzproblem beim Bau des neuen Kraftwerks Altbach mit Schiffstransporten, Präzisionskranen und Just-in-Time-Logistik.
Schweres Heben eines Stapelmoduls für den großen Schornstein. Bis das Modul auf der Baustelle war, mussten einige logistische Klimmzüge unternommen werden.
Foto: Mammoet
Wenn der Platz knapp wird, fängt die Ingenieurskunst erst richtig an. In Altbach bei Stuttgart, direkt am Neckar, entsteht derzeit ein neues Kraftwerk der EnBW – umweltfreundlich, wasserstofffähig und dicht an ein bestehendes Kohlekraftwerk gebaut. Der Standort ist eng, die Aufgabe komplex. Und genau hier kam Mammoet ins Spiel: mit einem Plan, der so einfach wie genial war – zumindest auf dem Papier.
Inhaltsverzeichnis
Eine Baustelle ohne Spielraum
Das neue Gas- und Dampfturbinenkraftwerk steht für den sogenannten „Fuel Switch“: eine Anlage, die heute mit Erdgas läuft, aber künftig auch Wasserstoff oder Mischungen beider Brennstoffe nutzen kann. Damit bereitet EnBW den Übergang von fossilen zu klimafreundlichen Energieträgern vor.
Das Problem: Die neue Anlage entsteht unmittelbar neben dem alten Kohlekraftwerk, das aus strategischen Gründen in Reserve bleibt – jederzeit einsatzbereit.
Stillstand? Keine Option. Die Baustelle glich daher einem Schachbrett mit zu vielen Figuren. Jeder Quadratmeter musste doppelt durchdacht werden. „Wir mussten den Platz optimal nutzen und gleichzeitig sicherstellen, dass der laufende Betrieb nicht gestört wird“, beschreibt Andreas Franzke, Senior Sales Manager Power & Nuclear bei Mammoet, die Herausforderung.
Der Neckar als Rettungsanker
Das Kraftwerk liegt direkt am Neckar – ein Glücksfall, aber nicht ohne Tücken. Zwar gibt es dort einen bestehenden Anlegeplatz, doch der dient ausschließlich der Kohleanlieferung. „Seine Nutzung hätte die Aktivitäten vor Ort erheblich beeinträchtigt“, erklärt Franzke.
Mammoet führte daher eine Machbarkeitsstudie durch – mit überraschendem Ergebnis: Statt umständlicher Umwege über Land schlug das Team einen temporären Schiffsanleger direkt vor der Baustelle vor.
Ein Provisorium also, das den entscheidenden Vorteil bot: Der Hauptkran konnte direkt am Fluss positioniert werden und sowohl beim Entladen als auch beim Montieren der tonnenschweren Komponenten im Einsatz bleiben.
Der Ansatz passte perfekt zur sogenannten Just-in-Time-Strategie – einer logistischen Taktung, bei der Bauteile erst dann geliefert werden, wenn sie wirklich gebraucht werden. So blieb die Baustelle frei von unnötigen Lagerflächen und Engpässen.

Ein Stapelmodul des Kraftwerks Altbach auf dem Weg zur Baustelle.
Foto: Mammoet
Vom Hafen in Schiedam bis ans Kraftwerkstor
Ein wesentlicher Teil der Arbeit fand gar nicht in Deutschland statt. Viele der größten Bauteile – darunter Module des Abhitzedampferzeugers (HRSG), eine 400-Megawatt-Gasturbine und der Generator – wurden zunächst im Mammoet-Lager im niederländischen Schiedam zwischengelagert.
Dort sortierte und prüfte das Team die Komponenten, bevor sie mit Spezialschiffen über Rhein und Neckar nach Altbach gebracht wurden – millimetergenau terminiert, um keine Wartezeiten zu erzeugen.
Diese Transporte waren alles andere als Routine. Einige Module wogen bis zu 250 t und maßen 30 m in der Länge. Damit passten sie gerade so auf die speziell ausgerüsteten Pontons. Das Entladen über den provisorischen Anleger erforderte eine exakte Abstimmung von Wasserstand, Strömung und Wind.
250 t in Bewegung: Krane in Präzisionsarbeit
Auf der Baustelle selbst spielte Schwerlasttechnik die Hauptrolle. Mammoet setzte zwei Raupenkrane ein: einen Hauptkran mit 1350 t Traglast und einen zweiten mit 600 t. Gemeinsam hoben sie die langen HRSG-Module zuerst horizontal, dann vertikal – ein Balanceakt, bei dem keine Verformung erlaubt war.
„Es handelt sich um ein flexibles Modul, das keine Verformung toleriert und daher stets gerade gehalten werden musste“, sagt Projektleiter Leonid Sinelnikov.
Um das sicherzustellen, entwickelte Mammoet ein eigenes Rigging-System mit Traversen und Litzenhebern. Damit ließ sich jedes Bauteil präzise ausrichten, bevor es montiert wurde – millimetergenau, trotz der gewaltigen Masse.

Schweres Heben eines 30 m langen HRSG-Moduls.
Foto: Mammoet
Wenn der Flughafen mitreden muss
Manche Aufgaben gingen sogar über das Kraftwerksgelände hinaus. Weil der Kranausleger beim Heben über ein bestehendes Gebäude schwenkte, war eine Genehmigung vom Flughafen Stuttgart erforderlich. Die Flughafensicherung musste sicherstellen, dass der lange Ausleger nicht in den kontrollierten Luftraum ragte. Ein Beispiel dafür, wie viele Instanzen bei Großprojekten ineinandergreifen.
Auch die 400-MW-Gasturbine stellte besondere Ansprüche. Ihr Fundament musste absolut eben liegen – eine Vorgabe, die bei einer Last von über 350 t keineswegs selbstverständlich ist.
„Schweres Stahl-Rigging bringt gewisse Toleranzen mit sich. Die massiven Schlingen und Grommets sind nie exakt gleich lang – und das hätte nicht den Anforderungen des Kunden entsprochen“, erläutert Sinelnikov.
Die Lösung: Litzenheber, die ins Rigging integriert wurden und eine Feinausrichtung während des Hebevorgangs erlaubten.
Über die Straße zum Schornstein
Auch die Stapelmodule für den Schornstein verlangten Fingerspitzengefühl. Sechs Einheiten, bis zu 18 m hoch und 95 t schwer, mussten über eine öffentliche Straße bewegt werden – ein Weg von gerade einmal 75 m, der dennoch Wochen an Vorbereitung erforderte.
Das Team scannte die Strecke in 3D, plante jeden Zentimeter und legte notfalls temporäre Fahrplatten aus. Die Module wurden zuvor außerhalb der Baustelle vormontiert, um die Arbeiten im engen Gelände zu verkürzen.
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