Jeddah Tower wächst: Wann knackt er die 1000 Meter?
Lange sah es aus, als bleibe der Jeddah Tower eine Bauruine. Nun wird wieder gebaut – wann knackt er den neuen Höhenrekord?
Provinz Mekka/Dschidda: das Bauprojekt Jeddah Tower (früher Kingdom Tower) am Rande der Stadt. Der Wolkenkratzer soll eines Tages eine Höhe von 1007 Metern erreichen.
Foto: picture alliance / ZB | Thomas Schulze
Es war einmal ein Traum aus Stahl, Glas und Beton: ein Wolkenkratzer, der die Welt überragen sollte. Schon 2011 kündigte Saudi-Arabien an, mit dem Kingdom Tower – später in Jeddah Tower umbenannt – den Burj Khalifa in Dubai hinter sich zu lassen. Über 1000 Meter Höhe waren geplant. Ein Bauwerk, das Städte überragt und selbst Flugzeuge in der Ferne sichtbar haben sollte.
Doch die Realität bremste die Vision aus. 2018 stoppte die Baustelle bei gerade einmal 256 Metern. Statt Superlativ: Stillstand. Politische Turbulenzen, finanzielle Unsicherheiten und interne Konflikte ließen den Beton im Wüstensand erstarren. Viele hielten das Projekt für gescheitert.
Nun aber, im Jahr 2025, bewegt sich wieder etwas. Der Turm wächst erneut. Und die Frage ist: Wird der Jeddah Tower tatsächlich das höchste Gebäude der Welt?
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Was jetzt anders ist
Zum Neustart gehören klare Verantwortlichkeiten und Geld. Laut Börsenmitteilung wurde ein Vertrag über 7,2 Milliarden SAR geschlossen, mit einer geplanten Bauzeit von 42 Monaten. Finanziert wird intern und über Bankmittel. Das bedeutet: Der Zeitplan reicht – Stand Januar 2025 – in die zweite Jahreshälfte 2028. Ein Ziel, kein Versprechen.
Für die Steuerung holten die Entwickler Turner ins Boot. Das US-Unternehmen kennt den Bau von sehr hohen Häusern aus erster Reihe. Turner managte bereits den Burj Khalifa. Die Berufung als Projektmanager ist bestätigt.
Der Kampf um den Rekord
Bis heute gilt der 2010 eröffnete Burj Khalifa in Dubai als Maß aller Dinge. Mit 828 Metern ragt er weit über alle anderen Hochhäuser hinaus. Der Jeddah Tower will ihn mit 1007 Metern übertrumpfen – also rund 179 Meter mehr.
Warum dieser Wettlauf nach oben? In der Golfregion ist Höhe mehr als Architektur. Sie ist Symbol für Reichtum, Modernität und Macht. Ein Wolkenkratzer über 1000 Meter ist Prestigeprojekt, Machtdemonstration und Investitionsmagnet zugleich.
„Die Bauarbeiten am Jeddah Tower, einem globalen Symbol für Ambitionen und Fortschritt, wurden offiziell wieder aufgenommen“, erklärte die Kingdom Holding Company im Oktober 2024.
Baugrund in der Wüste
Die Statik eines solchen Giganten ist eine Herausforderung für sich. Unter dem Turm stecken 270 massive Pfähle, jeweils bis zu 110 Meter tief im Boden verankert. Sie tragen die Last von Hunderttausenden Tonnen. Diese Arbeiten erledigte die oberbayerische Bauer AG mit ihrer saudi-arabischen Tochterfirma.
Der Baugrund in Dschidda ist kompliziert. Der feuchte, salzhaltige Wüstensand nahe des Roten Meeres verlangt nach besonderen Fundamenten. Dass der Turm ursprünglich sogar 1600 Meter hoch geplant war, musste früh aufgegeben werden. Der Boden hätte das nicht ausgehalten. So reduzierte man die Höhe auf „nur“ 1007 Meter.
Architektur für den Wind
Der Entwurf stammt vom US-Architekten Adrian Smith, der auch das Burj Khalifa plante. Der Grundriss erinnert an ein Ypsilon, das in die Höhe gezogen wurde. Das ist kein Zufall: Die Form sorgt für Stabilität und verteilt die Kräfte gleichmäßig.
Das größte Problem für Wolkenkratzer dieser Höhe ist der Wind. Trifft er auf das Gebäude, entstehen Wirbel, die das Bauwerk ins Schwingen bringen. „Der Wind bestimmt im Grunde das Design“, sagte Smith einmal. Im Windkanal testete sein Büro verschiedene Varianten. Am besten schnitt eine spiralförmige Struktur ab, die den Luftstrom verwirbelt und gefährliche Resonanzen verhindert.
So wird der Turm nicht nur schmaler, je höher er steigt, sondern auch leicht verdreht. Ein Trick, der für Ruhe sorgt, wenn über 600 Meter Stahl und Beton im Wind stehen.
Aufzüge an der Grenze des Machbaren
Ein Wolkenkratzer dieser Dimension bringt Probleme mit sich, die es bisher kaum gab. Eines davon: die Aufzüge. Kein Kabel der Welt reicht stabil über einen Kilometer in die Höhe. Deshalb hat der finnische Hersteller Kone ein mehrstufiges Konzept entwickelt.
Wer von unten nach ganz oben will, muss zweimal umsteigen. Das klingt unpraktisch, ist aber unvermeidlich. Auch die Geschwindigkeit ist ein Thema. Bei langen Fahrten müssten die Kabinen bremsen oder Zwischenstopps einlegen, damit die Ohren der Fahrgäste nicht leiden.
Trotzdem: Mit den geplanten Liften soll man in wenigen Minuten auf die höchste Aussichtsplattform der Welt gelangen – in 652 Metern Höhe.
Nutzung und Dimensionen
500.000 Quadratmeter Fläche: Büros, Wohnungen, ein Luxushotel. Mehr als 200 Stockwerke, verteilt auf einen schmalen Turm, der fast bis in die Wolken ragt.
Das Konzept ist klar: Der Turm ist nicht nur Landmarke, sondern Zentrum der Jeddah Economic City. Diese Planstadt am Roten Meer soll ein neues Wirtschafts- und Finanzzentrum werden. Der Jeddah Tower ist ihr Herzstück, ihr Aushängeschild.
Warum der Stillstand kam
2013 begann der Bau, 2018 stoppte er. Offiziell hieß es, die ausführende Bin-Ladin-Gruppe sei in Schwierigkeiten geraten. Insider berichteten von Geldmangel und politischen Spannungen. Eine Wiederaufnahme im Jahr 2020 scheiterte – auch wegen der Corona-Pandemie.
Erst 2023 dann die überraschende Wende: Kingdom Holding forderte internationale Bauunternehmen auf, Angebote für die Fortsetzung abzugeben. 2024 schließlich begann die Baustelle wieder zu leben. Im Januar 2025 folgte der nächste Schritt.
Zeitplan bis 2028
Die Entwickler geben sich optimistisch: Bis 2028 soll der Turm fertig sein. Bei der letzten Zeremonie wurde der 64. Stock betoniert. „Wir rechnen damit, alle vier Tage ein weiteres Stockwerk fertigstellen zu können“, hieß es. Ob das klappt, bleibt offen. Wer die Baugeschichte verfolgt, weiß: Schon mehrfach platzten die Zeitpläne.
Ein Turm der Extreme
Der Jeddah Tower ist ein Bauwerk voller Extreme.
- Ein Fundament, das tiefer reicht als manches Hochhaus hoch ist.
- Aufzüge, die an die Grenzen der Physik stoßen.
- Eine Aussichtsplattform, die höher liegt als fast jedes existierende Hochhaus überhaupt.
Und doch bleibt die Frage: Wird er wirklich vollendet? Oder bleibt er ein Monument des Stillstands, ein halbfertiges Mahnmal für zu große Ambitionen?
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