„Der Deutsche Pavillon gehört zu den Must-Sees der Expo“
Rund 20,4 Mio. Menschen haben bislang die Expo in Osaka besucht. Der deutsche Pavillon präsentiert Deutschland als Schrittmacher in Sachen Kreislaufwirtschaft und Innovationstreiber. Erstmals auf der Weltbühne zu sehen sind Wände aus einem Pilzmyzel, das vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheit- und Energietechnik UMSICHT entwickelt wurde. Ein Gespräch mit dem Leiter des deutschen Pavillons Christopher Hecker.
Viele Besucher des Deutschen Pavillons sind beeindruckt von der Architektur, vom spielerischen Zugang zum Thema Kreislaufwirtschaft und von der Vielfalt an Innovationen „made in Germany“. Wa bedeutet im Japanischen Kreis, Harmonie und Wow.
Foto: (c) German Pavilion / Alexandre.Olivieri/Takography - German Pavilion interior view day
Ingenieur.de: Wie ist die Resonanz auf den deutschen Pavillon bislang beim Publikum? Sind die Erwartungen erfüllt worden?
Christoph Hecker: Die Resonanz auf den Deutschen Pavillon ist überwältigend positiv. Schon in den ersten Wochen war deutlich zu spüren, dass wir viele Menschen erreichen – sei es durch die zahlreichen Posts und Kommentare in den sozialen Medien oder durch die Rankings, in denen unser Pavillon regelmäßig unter den „Must-Sees“ der Expo genannt wird. Besonders hervorheben möchte ich das direkte Feedback der Besuchenden: Viele sind beeindruckt von der Architektur, vom spielerischen Zugang zum Thema Kreislaufwirtschaft und von der Vielfalt an Innovationen „made in Germany“.
10.000 Gäste täglich – Besucherrekord für Deutschland
Unsere Erwartungen wurden damit nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen. Für uns ist das eine großartige Bestätigung, dass wir mit unserem Konzept genau den richtigen Nerv getroffen haben – emotional, inhaltlich und auch architektonisch.

Leiter des Deutschen Pavillons in Osaka, Christoph Hecker.
Foto: German Expo Pavilion 2025 / Hotaka Matsumura
Wie viele Besucher hatten Sie bislang insgesamt und wie viele sind es in etwa am Tag?
Täglich erleben fast 10.000 Menschen allein die Ausstellung des Deutschen Pavillons. Hinzu kommen zahlreiche Gäste, die unser Restaurant besuchen, das Kulturprogramm auf der Bühne verfolgen, im Shop stöbern oder einfach Zeit im Garten verbringen. Zusammengerechnet konnten wir so kürzlich unseren zweimillionsten Gast feiern – ein großartiger Erfolg, der zeigt, wie stark der Pavillon die Menschen anzieht und begeistert.
Publikumsliebling Circular – Maskottchen als Audioguide
Gibt es auch viele Besucher aus Deutschland, Europa?
Der überwiegende Teil unserer Gäste kommt aus Japan – das war von der Expo-Organisation auch so erwartet worden und bestätigt sich in der täglichen Erfahrung. Gleichzeitig freuen wir uns aber auch über internationale Besucherinnen und Besucher: Neben Gästen aus Deutschland treffen wir immer wieder auch Menschen aus anderen europäischen Ländern und aus aller Welt. Dieser internationale Austausch macht den besonderen Reiz der Expo aus – und wir erleben hier im Pavillon sehr schöne Begegnungen zwischen Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen.
Welches ist das Lieblingsexponat bei den Besuchern?
Wenn man die Besucherinnen und Besucher fragt, welches ihr Lieblingsexponat ist, fällt die Antwort erstaunlich eindeutig aus – es ist kein einzelnes Exponat, sondern unser Maskottchen, das Circular. Die kleinen kugelrunden Wesen begleiten die Gäste als Audioguide durch die Ausstellung, erklären spielerisch die Inhalte und machen das Thema Kreislaufwirtschaft auf ganz besondere Weise erfahrbar. Viele Besucher schließen die Circulars sofort ins Herz – sie sind zu wahren Publikumslieblingen geworden und tragen entscheidend dazu bei, dass der Aufenthalt im Deutschen Pavillon so persönlich und unvergesslich wird.

Die Expo 2025 in Osaka zieht Menschen aus aller Welt an. Hitze und Sonneneinstrahlung machen einen UV-Schirm zu einem wichtigen Utensil.
Foto: Claudia Burger
Gibt es Unterschiede zwischen den europäischen/westlichen Besuchern und den Besuchern aus dem asiatischen Raum?
Besucherinnen und Besucher aus Deutschland – und auch generell aus Europa – kommen oft mit einem ganz bestimmten Vorwissen. Sie möchten sehen, wie sich Deutschland auf der Expo präsentiert, und vergleichen das mit den eigenen Eindrücken und Erfahrungen, die sie bereits mit unserem Land gemacht haben. Für Gäste aus anderen Regionen, insbesondere aus dem asiatischen Raum, ist der Zugang ein anderer. Sie haben meist weniger Berührungspunkte mit Deutschland und erleben den Pavillon dadurch stärker als eine Gelegenheit, unser Land ganz neu kennenzulernen. Für sie steht das Entdecken im Vordergrund – sowohl der Inhalte rund um die Kreislaufwirtschaft als auch der kulturellen Facetten Deutschlands.
Nachhaltige Architektur: Pavillon als größtes Exponat
Was ist aus ingenieurspezifischer Sicht das Besondere am deutschen Pavillon und der Ausstellung? Welche Materialien wurden verwendet – sind diese nachhaltig?
Aus ingenieurtechnischer Sicht ist das Besondere am Deutschen Pavillon, dass er selbst das größte Exponat darstellt: ein vollständig zirkuläres Gebäude, das nach der Expo wieder abgebaut und weitgehend recycelt werden kann. Grundlage dafür ist das Prinzip des „Design for Disassembly“ – also die leichte Demontierbarkeit und sortenreine Trennung aller Materialien. Die Unterkonstruktion besteht aus gemieteten Stahlmodulen, die nach der Expo zurückgegeben werden. Die Zylinder sind aus einer Holzkonstruktion errichtet, die gesteckt und nicht verklebt ist, damit die einzelnen Bauteile am Ende sauber getrennt und wiederverwendet werden können. Besonders innovativ ist die Materialwahl bei den Fassadenpaneelen: Hier kommen Lehm, Hanfplatten und Pilzmyzel zum Einsatz.

Besucher im Deutschen Pavillon.
Foto: German Pavilion Expo 2025 /Alexandre.Olivieri/Takogra
Diese Innovation vom Fraunhofer UMSICHT wird erstmals auf einer Weltbühne präsentiert. Jeder dieser Werkstoffe bringt spezifische Nachhaltigkeitsvorteile mit sich – Lehm ist feuchtigkeitsregulierend und vollständig rückführbar, Hanfbeton bindet sogar mehr CO₂, als er verursacht, und verbessert die Dämmung, während Pilzmyzel aus Reststoffen gezüchtet wird und biologisch abbaubar.
Ergänzt werden diese Materialien durch recyceltes Glas für die Fenster und Kalkfarbe für die Wände, die ebenfalls vollständig in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Damit zeigt der Pavillon eindrucksvoll, wie nachhaltige Architektur aussehen kann: ressourcenschonend, rückbaubar und gleichzeitig ästhetisch.
Welche Impulse kann der deutsche Pavillon für die Kreislaufwirtschaft in anderen Staaten setzten?
Gerade weil der Pavillon von Anfang bis Ende konsequent zirkulär gedacht und gebaut ist, wirkt er weit über die Expo hinaus. Entscheidend ist dabei der systemische Ansatz: Nachhaltigkeit darf nicht nachträglich ergänzt werden, sondern muss bereits in der Planung verankert sein – von der Architektur über die Bauprozesse bis hin zur späteren Nachnutzung. Damit setzen wir vor allem durch unseren ganzheitlichen Blick Impulse. Der Pavillon macht sichtbar, dass Kreislaufwirtschaft kein theoretisches Konzept ist, sondern auch in großen und komplexen Projekten erfolgreich umgesetzt werden kann.

Der Pavillon wurde konsequent zirkulär gedacht und gebaut. Kosten: 56 Mio. Euro
Foto: German Expo Pavilion 2025/MIR LAVA ff
Welcher Pavillon hat Sie – neben dem eigenen deutschen – noch nachhaltig inspiriert?
Neben unserem eigenen Pavillon hat mich besonders der japanische Pavillon inspiriert. Er greift – ähnlich wie wir – das Thema Kreislaufwirtschaft auf und zeigt sehr eindrucksvoll, wie stark dieser Ansatz auch in Japan verankert ist. Spannend finde ich vor allem, wie unterschiedliche kulturelle Perspektiven letztlich auf dieselben Fragen hinauslaufen: Wie können wir Ressourcen schonen, Kreisläufe schließen und eine lebenswerte Zukunft gestalten? Dieses Zusammenspiel verschiedener Sichtweisen macht die Expo so wertvoll – und es ist bereichernd zu sehen, wie sich die Konzepte gegenseitig ergänzen und voneinander lernen.
Darum sind Weltausstellungen heute wichtiger denn je
Warum sind Weltausstellungen aus Ihrer Sicht noch zeitgemäß und wichtig?
Für uns Menschen ist es wichtig, mit eigenen Augen zu sehen, zu riechen, zu schmecken, zu hören und zu fühlen. Nur so können wir uns ein Bild von den jeweiligen Auftritten der Expo-Teilnehmer machen und ein Urteil bilden. Nirgendwo anders kommen über sechs Monate so viele verschiedene Menschen aus der ganzen Welt zusammen, mit denen man ins Gespräch treten kann. Eine Expo ist damit ein einzigartiger Ort, um die eigene „Bubble“ zu verlassen, den Dialog mit Menschen anderer Kulturen zu suchen und Weltoffenheit praktisch zu leben.
Auf einer Expo kann man während seines Aufenthalts eine Reise um die Welt unternehmen, ohne Tausende von Kilometern zu reisen, und dabei viel über das Selbstverständnis der jeweiligen Teilnehmer lernen. Gerade für die nächste Generation ist das prägend: Sie erlebt hautnah, wie bereichernd der Austausch mit anderen Ländern sein kann, und entwickelt Interesse und Verständnis für andere Perspektiven.
Kein Film, kein Foto, keine Webseite kann diese unmittelbaren Erfahrungen ersetzen. Gleichzeitig geht es auf den Weltausstellungen des 21. Jahrhunderts um die Vermittlung von Inhalten, die sich am Motto orientieren. Im Falle von Osaka lautet dieses „Designing Future Society for Our Lives“ – und macht deutlich, dass wir uns austauschen und zusammentun müssen, um gemeinsam eine bessere Zukunft zu gestalten. Die Expo bietet so international bedeutsamen Zukunftsthemen ein Forum wie kein anderes Veranstaltungsformat – und das über ein halbes Jahr hinweg.
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