Wie ein echtes Kniegelenk 30.06.2025, 16:15 Uhr

Gedruckte Gelenke: Forscher steuern Materialeigenschaften mit Licht

3D-Druck mit Licht: Neue Technik formt harte und weiche Materialien gleichzeitig – ideal für Prothesen, Sensoren und Soft-Robotik.

neuartige Harze für 3D-Druck

Das Ergebnis einer neuen Methode zum Drucken von Objekten unter Verwendung neuartiger Harze bietet Flexibilität, Festigkeit und Komplexität, die denen in der Natur vorkommenden Materialien in nichts nachstehen.

Foto: The University of Texas at Austin.

Forschende der University of Texas in Austin haben zwei neue Verfahren entwickelt, mit denen sich feste und weiche Materialien direkt im 3D-Druck kombinieren lassen – ganz ohne Nachbearbeitung. Möglich machen das spezielle Harze und ein Drucksystem, das je nach Lichtfarbe unterschiedliche chemische Reaktionen auslöst. Die Technologie ermöglicht die Herstellung komplexer Strukturen wie funktionale Kniegelenke oder Soft-Robotics-Bauteile – und könnte die additive Fertigung entscheidend verändern.

Inspiration aus der Natur

Ein menschliches Kniegelenk vereint starre Knochen und elastischen Knorpel – stabil und gleichzeitig beweglich. Diese Kombination aus Härte und Flexibilität fasziniert die Materialforschung seit Langem. Nun haben Forschende der University of Texas in Austin einen Weg gefunden, diese Eigenschaft mithilfe von Licht in den 3D-Druck zu übertragen.

„Die Natur kombiniert harte und weiche Materialien ohne Fehler an der Schnittstelle. Das wollten wir nachahmen“, sagt Zak Page, Chemiker und korrespondierender Autor der Studie. Genau das ist gelungen: Zwei Lichtfarben reichen aus, um in einem einzigen Druckvorgang unterschiedliche Materialeigenschaften zu erzeugen – weich wie Gummi oder hart wie Kunststoff.

Zwei Lichtfarben – zwei Materialien

Die Grundlage der neuen Methode ist ein speziell entwickeltes Flüssigharz, das auf unterschiedliche Wellenlängen mit jeweils eigener Reaktion anspricht. Wird das Harz mit violettem Licht bestrahlt, entsteht ein dehnbares, elastisches Material. Trifft energiereicheres UV-Licht auf das Harz, bildet sich ein starres Polymer mit hoher Festigkeit.

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Das Besondere: Beide Reaktionen laufen im selben Harz ab. Ein eingebautes Molekül ermöglicht es, dass die chemischen Prozesse an der Grenze zwischen weich und hart miteinander „kommunizieren“. So entsteht eine feste Verbindung – ohne Schwachstelle an der Schnittstelle.

Funktionale Strukturen in einem Stück

Um die Technik zu demonstrieren, entwickelten die Forschenden unter anderem ein funktionales Kniegelenk mit starren Knochen und flexiblen Bändern. Alle Teile wurden in einem einzigen Schritt gedruckt – ohne Montage oder Nachbearbeitung. Auch ein dehnbares elektronisches Bauteil wurde hergestellt: Ein Golddraht verlief über einen elastischen Bereich, der sich mitbewegen konnte, ohne dass der Draht riss. Im festeren Teil blieb die Verbindung stabil.

„Wir waren überrascht, wie gut es auf Anhieb funktionierte. Das kommt bei 3D-Druckharzen so gut wie nie vor“, berichtet Zak Page. Die flexiblen Teile dehnten sich wie Gummi, während die harten Bereiche eine Festigkeit zeigten, wie man sie aus Konsumgütern kennt.

Besser als herkömmlicher 3D-Druck

Ein zentraler Vorteil dieses Verfahrens ist die hohe Auflösung und Geschwindigkeit. Gedruckt wird mit Digital Light Processing (DLP), einem besonders präzisen Verfahren, das flüssiges Harz schichtweise aushärtet. Durch die Dual-Licht-Technologie lässt sich die Materialeigenschaft nun gezielt steuern – je nachdem, ob UV- oder violettes Licht verwendet wird.

Für viele Anwendungen in der Medizin oder Robotik könnten damit neue Türen aufgehen. Denkbar sind etwa tragbare Sensoren, weiche Roboter, Prothesen oder chirurgische Trainingsmodelle, bei denen sich harte und weiche Bereiche exakt anpassen lassen.

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Zweite Studie: Auflösung per Licht

Parallel zu diesem Verfahren haben dieselben Forschenden eine zweite Technologie entwickelt, die eine der großen Hürden des 3D-Drucks adressiert: die Entfernung von Stützstrukturen. Besonders bei komplexen Geometrien – etwa überhängenden Brücken, Kugelgelenken oder ineinandergreifenden Ketten – ist eine manuelle Nachbearbeitung bisher unvermeidlich. Sie kostet Zeit und erhöht die Fehleranfälligkeit.

Das Team aus Austin hat nun ein Harzsystem entworfen, das auch hier mit Lichtfarben arbeitet: UV-Licht erzeugt einen festen Kunststoff, während sichtbares Licht (violett oder blau) ein lösliches Material druckt. Letzteres kann nach dem Druckvorgang einfach in einem Lösungsmittelbad entfernt werden – ganz ohne mechanische Bearbeitung.

Lösung auf Molekülebene

Kern der Methode ist ein Multimaterial-Harz mit zwei Fotosystemen. Das erste reagiert auf UV-Licht und erzeugt ein stabiles Thermoset mit hoher Zugfestigkeit (über 3 kN). Das zweite System – aktiviert durch violettes Licht – erzeugt ein lösliches Thermoplast mit deutlich geringerer Festigkeit (etwa 0,5 kN). Diese Kombination erlaubt es, stabile Strukturen mit eingebauten temporären Stützen zu drucken, die sich gezielt und schnell auflösen.

Das Lösungsmittel: Ethylacetat – ein umweltfreundlicher Stoff, der die löslichen Strukturen in weniger als zehn Minuten bei Raumtemperatur entfernt. Bereits eine einzige Zwischenschicht aus löslichem Material genügt, um Oberflächenrauigkeiten deutlich zu reduzieren.

Anwendungen und Zukunftspotenzial

Die Forschenden demonstrierten ihre Methode an verschiedenen Bauteilen: Haken mit Überhang, bewegliche Gelenke, ineinandergreifende Ketten – alle ließen sich präzise und ohne Nachbearbeitung drucken. Computertomographische Scans belegten Maßhaltigkeiten von unter 150 Mikrometern.

Diese Technik ist vor allem für sogenannte „Non-Assembly“-Strukturen interessant. Gemeint sind Objekte mit beweglichen Teilen, die als Ganzes aus dem Drucker kommen – ohne dass sie zusammengesetzt werden müssen. Das eröffnet ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten in der Mikromechanik, Robotik und Medizintechnik.

„Unser Ziel war es, die Art und Weise, wie wir Materialien in der additiven Fertigung kombinieren, grundlegend zu verbessern“, so Page.

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Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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