3D-Nekroprinting 23.12.2025, 12:00 Uhr

Mikrodruck neu gedacht: Warum tote Mücken bessere Düsen liefern

Forschende nutzen Mückenrüssel als 3D-Druckdüsen. Sie ermöglichen Linien von 20 µm und könnten Metall- und Glasdüsen ergänzen.

Stechmücke auf Finger

Mücken statt Metall: Biologische Düsen liefern extrem feinen 3D-Druck und reduzieren Kosten sowie Abfall im Labor.

Foto: Smarterpix / apichart

Das Wichtigste in Kürze
  • Forschende nutzen Mückenrüssel als hochauflösende 3D-Druckdüsen.
  • Gedruckte Linien erreichen Breiten von rund 20 µm.
  • Die biologischen Düsen sind günstig, wiederverwendbar und biologisch abbaubar.
  • Besonders interessant ist der Ansatz für Bioprinting und Mikrotechnik.

Der hochauflösende 3D-Druck stößt dort an Grenzen, wo es sehr klein wird. Linienbreiten unter 50 µm sind technisch möglich, aber teuer, aufwendig und ökologisch problematisch. Spezialdüsen aus Metall oder Glas müssen präzise gefertigt werden, sind empfindlich und werden oft nur einmal genutzt. Genau an dieser Stelle setzen Forschende der McGill University und der Drexel University an – mit einem Ansatz, der zunächst ungewöhnlich wirkt: Sie nutzen die Saugrüssel weiblicher Mücken als Druckdüsen.

Die Idee dahinter ist pragmatisch. Die Natur hat bereits Strukturen hervorgebracht, die Flüssigkeiten extrem präzise transportieren. Der Rüssel einer Mücke ist eine solche Struktur. Er ist gerade, stabil, innen hohl und im Bereich von 20 bis 25 µm geöffnet. Genau das ist die Größenordnung, die in der Mikro- und Biotechnik gefragt ist.

Die Forschenden sprechen von „3D-Nekroprinting“. Gemeint ist damit kein biologischer Prozess, sondern ein Fertigungsprinzip: Eine nicht lebende biologische Struktur wird direkt als Werkzeug eingesetzt. In diesem Fall dient der Mückenrüssel als letzte Austrittsöffnung eines 3D-Druckers. Gedruckte Linien erreichen so Breiten von rund 20 µm. Das liegt etwa um den Faktor zwei unter dem, was handelsübliche Mikrodüsen zuverlässig liefern.

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Warum gerade der Mückenrüssel?

Die Wahl fiel nicht zufällig auf Mücken. Die Forschenden analysierten eine ganze Reihe biologischer Mikrostrukturen – von Pflanzengefäßen bis zu Insektenstacheln. Entscheidend waren mehrere Kriterien: geringe Krümmung, ausreichende Steifigkeit, kleine innere Öffnung und eine handhabbare Länge.

Der Rüssel weiblicher Stechmücken erfüllt diese Anforderungen auffällig gut. Er ist rund 2 mm lang, fast gerade und besteht aus mehreren chitinbasierten Elementen, die zusammen ein dichtes Röhrchen bilden. Diese Struktur ist evolutionär darauf optimiert, Flüssigkeiten unter kontrollierten Bedingungen zu transportieren. Für den 3D-Druck bedeutet das: gleichmäßiger Fluss bei sehr kleinen Volumina.

Hinzu kommt ein praktischer Aspekt. Mücken lassen sich in Laboren in großer Zahl züchten. Die verwendeten Tiere stammen aus kontrollierten, ethisch genehmigten Kolonien und wurden nach ihrem Tod weiterverwendet. Neue biologische Rohstoffe müssen dafür nicht erschlossen werden.

Vom Insekt zur Druckdüse

Der technische Umbau ist erstaunlich simpel. Unter dem Mikroskop trennen die Forschenden den Rüssel vom Insektenkörper. Anschließend befestigen sie ihn mit einem UV-härtenden Harz an einer handelsüblichen Kunststoff-Dispenserdüse. Der Rüssel bildet dann die eigentliche Austrittsöffnung des Druckers.

Vor dem Einsatz prüfen die Forschenden Geometrie, Wandstärke und mechanische Belastbarkeit. Messungen zeigen: Der Mückenrüssel hält Innendrücken von rund 60 kPa stand. Damit liegt er deutlich unter Metall- oder Glasdüsen, ist aber für viele Bio- und Gelmaterialien ausreichend.

„Hochauflösender 3D-Druck und Mikrodosierung basieren auf ultrafeinen Düsen, die in der Regel aus Spezialmetall oder Glas hergestellt werden“, sagt Jianyu Li, Mitautor der Studie. „Diese Düsen sind teuer, schwer herzustellen und verursachen Umweltabfälle und Gesundheitsrisiken.“

3D-Druck eines Ahornblatts, hergestellt mit der Mikrodüse „Mosquito Proboscis“

3D-Druck eines Ahornblatts, hergestellt mit der Mikrodüse „Mosquito Proboscis“ in verschiedenen Auflösungen.

Foto: c/o Changhong Cao

Was sich damit drucken lässt

Im Versuchsdruck entstehen komplexe Mikrostrukturen: Waben, feine Gitter, stilisierte Blattformen. Besonders relevant sind jedoch Anwendungen im Bioprinting. Die Forschenden druckten Gerüste, die Krebszellen oder rote Blutkörperchen einschließen. Die Zellen überstehen den Druckprozess weitgehend unbeschadet.

Ein Grund dafür liegt im Material selbst. Der Mückenrüssel ist elastischer als starre Glasdüsen. Er wirkt wie eine natürliche Sicherung: Steigt der Druck zu stark an, gibt die Struktur nach oder versagt kontrolliert. Das schützt empfindliche Inhalte.

„Wir haben festgestellt, dass die Stechmückenschnäbel wiederholte Druckzyklen aushalten, solange der Druck innerhalb sicherer Grenzen bleibt“, sagt Changhong Cao von der McGill University. „Bei sachgemäßer Handhabung und Reinigung kann eine Düse viele Male wiederverwendet werden.“

Nachhaltigkeit als technischer Faktor

Neben der Auflösung spielt die Umweltbilanz eine zentrale Rolle. Weltweit werden jedes Jahr Milliarden Einweg-Dosierspitzen aus Kunststoff oder Metall genutzt. Sie landen nach kurzer Einsatzzeit im Abfall.

Biologische Düsen sind dagegen biologisch abbaubar. Zudem lassen sich die Trägerdüsen wiederverwenden. Der eigentliche Verschleißteil – der Mückenrüssel – ist ein Nebenprodukt der Forschung und kostet nur wenige Cent.

„Mit Mückenschnäbeln können wir extrem kleine, präzise Strukturen drucken, die mit herkömmlichen Werkzeugen nur schwer oder sehr teuer herzustellen sind“, sagt Cao. „Da biologische Düsen biologisch abbaubar sind, können wir Materialien wiederverwenden, die sonst entsorgt würden.“

Nische mit Potenzial

Der Ansatz ersetzt keine industriellen Hochleistungsdüsen. Dafür sind Druckfestigkeit und Lebensdauer zu begrenzt. Doch für Forschungslabore, Biotechnologie und Mikroelektronik eröffnet sich eine neue Option. Besonders dort, wo es auf Auflösung statt Durchsatz ankommt.

Die Arbeit knüpft an Entwicklungen aus der sogenannten Nekrobotik an, bei der tote Spinnenbeine oder Insektenstrukturen als mechanische Elemente genutzt werden. Gemeinsam ist all diesen Ansätzen ein Perspektivwechsel: Biologische Materialien werden nicht nachgeahmt, sondern direkt genutzt.

„Die Entwicklungen im Bereich des Bioprintings helfen Medizinforschenden dabei, einzigartige Behandlungsansätze zu entwickeln“, sagt Megan Creighton von der Drexel University. „Wenn wir die Technologie verbessern wollen, müssen wir auch nach Innovationen streben.“

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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