Mit Stipendium zum Master: Wie Ceren Şirin ihre Ingenieurkarriere weiterdenkt
VDI-Stipendiatin Ceren Şirin über ihren Weg zur Verfahrenstechnik und ihr Engagement für Frauen in MINT.
Ceren Şirin engagiert sich beim VDI-Netzwerk „Frauen im Ingenieurberuf“ und absolviert mit Unterstützung eines VDI nachrichten-Stipendiums ihren Master in Verfahrenstechnik.
Foto: Feri Fotografie
Ceren Şirin ist eine engagierte Ingenieurin, die mithilfe eines VDI nachrichten-Stipendiums nun noch ihren Masterabschluss macht. Über ihre Pläne und ihr Engagement beim Netzwerk des VDI „Frauen im Ingenieurberuf“ sprach sie mit ingenieur.de
ingenieur.de: Frau Şirin, waren Sie schon als Kind technisch interessiert? Aus welchem Umfeld kommen Sie?
Ceren Şirin: Als ich in der Grundschule war, habe ich gemeinsam mit meinem Vater Mathematik, Geometrie und Naturwissenschaften gelernt. In der vierten und fünften Klasse war mein Vater wie ein persönlicher Nachhilfelehrer für mich – er ist Metallurgie-Ingenieur. Ich bin in einem bildungsnahen Elternhaus aufgewachsen. Meine täglichen technischen Fragen wurden zu Hause meist von meinem Vater beantwortet.
Zum Beispiel habe ich ihn als Achtjährige einmal gefragt: „Wenn man mit Bleistift ins Heft schreibt, ändert sich dann das Gewicht des Hefts?“ Bei solchen Fragen hat mein Vater mich stets ermutigt, weiterzudenken und nachzuhaken.
Frau Şirin, Sie sind Fachfrau für Wasseraufbereitung. Wie sind Sie auf dieses Themenfeld gekommen?
Nach dem Abitur wollte ich Ingenieurwesen studieren – jedoch keine klassische „Königsdisziplin“ wie Maschinenbau oder Elektrotechnik. Ich suchte ein Fachgebiet, das eine direkte gesellschaftliche Wirkung entfaltet. Deshalb habe ich mich für das Umweltingenieurwesen entschieden. Nach meinem Universitätsabschluss habe ich mich im Berufsleben auf die Wasser- und Abwasseraufbereitung spezialisiert. Die Wasser- und Abwassertechnik ist in der Türkei stark praxisorientiert und wird oft im Kontext urbaner Infrastrukturentwicklung betrachtet.
Sie haben in der Türkei und in Deutschland in Firmen gearbeitet. Gibt es für Sie kulturelle Unterschiede in der Unternehmens- und Mitarbeiterführung? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Ich habe sowohl in der Türkei als auch in Deutschland in mittelständischen Unternehmen gearbeitet. Der größte Unterschied, den ich hier sofort wahrgenommen habe, war die Geschwindigkeit – insbesondere bei alltäglichen Büro- und Betriebsabläufen. In Deutschland laufen viele Prozesse deutlich langsamer ab als in Istanbul oder generell in der Türkei. Gleichzeitig ermöglichen diese Strukturen aber eine langfristigere Planung und Zielverfolgung.
In Istanbul war ich oft gezwungen, schnelle, aber eher oberflächliche Lösungen zu finden. Diese strukturierte Arbeitsweise in Deutschland ermöglicht es mir, nachhaltige technische Lösungen langfristig zu entwickeln.
Frauen im Ingenieurberuf sind in Deutschland leider immer noch in der Unterzahl, ist das in der Türkei anders?
Dazu kann ich viel sagen: Ich bin in Istanbul geboren und aufgewachsen. Als Istanbulerin kann ich mit Überzeugung sagen, dass Frauen in Mint-Berufen dort eine Selbstverständlichkeit sind. Begriffe wie „Frauen und Technik“ begegnet man kaum – einfach, weil Ingenieurinnen, Ärztinnen und Naturwissenschaftlerinnen ganz selbstverständlich zum Berufsalltag gehören. Auch an meiner Universität, der Technischen Universität Istanbul, liegt der Frauenanteil unter den Studierenden bei fast 50 %. Das zeigt deutlich, wie selbstverständlich Frauen in diesen Fachrichtungen vertreten sind.
Sie engagieren sich bei „Frauen im Ingenieurberuf“ in Stuttgart. Was möchten Sie damit erreichen und was bedeutet Ihnen das?
Seit über einem Jahr engagiere ich mich ehrenamtlich als Netzwerkleiterin im VDI Stuttgart. Mein Ziel ist es, ein generationsübergreifendes, lebendiges und gut vernetztes Frauennetzwerk in der Region Stuttgart aufzubauen, von dem alle Frauen im Mint-Bereich profitieren können. Auf diese Weise möchte ich die Sichtbarkeit von Frauen in technischen Berufen stärken und gleichzeitig inspirierende Vorbilder schaffen.
Sie machen Ihren Master im Fachbereich Prozesssimulation in der Verfahrenstechnik an der WBH, warum haben Sie sich dazu entschlossen?
Den Fachbereich Verfahrenstechnik habe ich in Deutschland kennengelernt – eine spannende Mischung aus Maschinenbau und Chemie. Dieses interdisziplinäre Themenfeld begeistert mich besonders, da ich schon immer eine Faszination für fachübergreifende Ansätze hatte. In Kombination mit der Umwelttechnik ergibt sich daraus für mich eine vielversprechende und sinnvolle fachliche Verbindung.
Was ist Inhalt dieses Studiengangs?
Vertiefte Kenntnisse in thermischen und mechanischen Trennverfahren sowie in numerischen Methoden unter Anwendung von Simulationssoftware. Erfahrung in der Anwendung von CFD-Programmen sowie fundiertes Fachwissen im Umgang mit Simulationswerkzeugen wie MATLAB, Simulink, ExtendSim u. a.
Wann sind Sie mit dem Studiengang fertig und was möchten Sie mit dem Master erreichen?
Das Masterstudium dauert insgesamt zwei Jahre, wobei im letzten Semester die Masterarbeit vorgesehen ist. Diese möchte ich in Kooperation mit einer Forschungseinrichtung durchführen. Mein Thema steht bereits fest: „Kopplung von Kläranlagen mit mikrobiellen Brennstoffzellen – ein alternatives Modell zur Wasserstofferzeugung“.
Werden Sie weiterhin dem Thema Wasser und Wasseraufbereitung treu bleiben?
Teils, teils. Im Bereich der Wasseraufbereitung verfüge ich über Fachkenntnisse, insbesondere im Bereich der Membranverfahren. Dieses Wissen möchte ich gezielt in meine Masterarbeit einbringen. Die Wasseraufbereitung bildet dabei die fachliche Grundlage für meine zukünftige Spezialisierung und berufliche Ausrichtung.
Der Masterstudiengang ist nicht kostenlos, darf ich fragen, wie teuer das ist?
Die Wilhelm Büchner Hochschule ist eine private Hochschule, und mein Masterstudium dort kostet insgesamt fast 16.000 €.
Sie erhalten ein Stipendium der VDI nachrichten. Wie haben Sie davon erfahren?
Ja, die VDI nachrichten haben mir ein 50%-Stipendium für dieses Studium gewährt. Im November 2024 habe ich die VDI-Karrieremesse in Stuttgart besucht und dort erfahren, dass es Stipendienangebote für Masterstudiengänge an der Wilhelm Büchner Hochschule gibt.
Welche Bedingungen mussten Sie erfüllen und mit welchen Bedingungen ist das Stipendium generell verknüpft?
Mein Bachelorstudium lag fachlich nicht allzu weit entfernt, sodass ein Wechsel in den Masterstudiengang gut begründbar war. Für die Bewerbung an der Wilhelm Büchner Hochschule habe ich ein Motivationsschreiben verfasst und meinen Lebenslauf sowie mein Bachelorzeugnis beigefügt. Ich bin überzeugt, dass insbesondere mein Motivationsschreiben ausschlaggebend für die Zulassung war.
Welchen Vorteil bringt ihnen das Stipendium außer dem finanziellen Aspekt?
Ich arbeite mit einem Pensum von 60 % als Projektingenieurin in einem Ingenieurbüro und finanziere mein Studium zu 50 % selbst. Das Stipendium hat es mir ermöglicht, in Teilzeit zu arbeiten, sodass ich genügend Zeit und Freiraum für mein Masterstudium habe.
Wo möchten Sie in Zukunft am liebsten arbeiten?
Langfristig möchte ich durch eine Promotion meine Expertise in der Verfahrenstechnik vertiefen – vorzugsweise in Kooperation mit einem Forschungsinstitut. Mein aktueller Arbeitgeber bietet mir die Möglichkeit, das notwendige Umfeld dafür zu schaffen, sodass ich mein Fachwissen gezielt einbringen und weiterentwickeln kann.
Können Sie neben dem Studium und Ihrem ehrenamtlichen Engagement noch Zeit für Hobbys aufbringen und wenn ja, für welche?
Tennis und Kalligrafie gehören zu meinen liebsten Hobbys. Leider konnte ich in diesem Jahr kein Tennis spielen, aber im nächsten Jahr möchte ich unbedingt wieder einsteigen. Ich bin Mitglied im Tennisclub Waiblingen und freue mich darauf, im nächsten Jahr wieder regelmäßig zu spielen
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