Wie man bei Auslandsjobs Kulturschocks vermeidet
Die Globalisierung hat dazu beigetragen, dass sich die Arbeitskultur und viele Umgangsformen international angeglichen haben – aber nicht alle.
Auslandsjobs erfolgreich meistern: Tipps zu Kultur, Umgangsformen und Work-Life-Balance weltweit.
Foto: PantherMedia / GeorgeRudy
Inhaltsverzeichnis
- Wie viele Ingenieurinnen und Ingenieure arbeiten im Ausland?
- Andere Länder, andere Sitten
- Andere Unternehmen, andere Sitten – und das im selben Land
- Was steht an erster Stelle – Arbeit oder Privatleben?
- After-Work-Party statt Familie und Freunde?
- New Work – nicht nur in New York …
- Die klassische Frage, aktuell gestellt: Wo sind Frauen und Männer im Job gleichberechtigt?
- LGBTQ – ein ganz normales Thema oder ein Tabu?
- Wenn die sexuelle Orientierung beim Auslandsjob zum strafrechtlichen Problem wird
- Shake hands, Gimme five, Schulterklopfen – beim Auslandsjob nicht immer erwünscht
- Gendern – im Englischen leichter zu lösen als im Deutschen
- Kostüm und Anzug oder Jeans und T-Shirt – welche Kleidung ist beim Auslandsjob gefragt?
Dass das hierzulande höfliche klassische Ausstrecken der Hand zur Begrüßung und zum Abschied nicht in jedem Land der Erde gut ankommt, hat sich inzwischen herumgesprochen. Wo es erwünscht ist und wo nicht, lässt sich leicht herausfinden. Knifflig bis heikel kann es jedoch beim Umgang mit anderen, vor allem aktuellen Usancen werden, von New Work über das Gendern bis zur Kleiderordnung oder dem Umgang mit LGBTQ-Themen. Wer im Laufe des Ingenieurlebens zum Studieren und später zum Arbeiten ins Ausland geht, sollte die Trends kennen – und sich vor Ort zunächst zurücknehmen und beobachten, was angesagt ist.
Wie viele Ingenieurinnen und Ingenieure arbeiten im Ausland?
Etwa 10 % bis 13 % der deutschen Ingenieurinnen und Ingenieure verbringen einen Teil ihrer Hochschulzeit oder ihrer beruflichen Laufbahn im Ausland. Diese Größenordnung zeigt sich bereits im Studium, zum Beispiel innerhalb des europäischen ERASMUS-Programms: Studierende der Ingenieurwissenschaften machen hier 13 % der über die Landesgrenzen hinweg mobilen Teilnehmer aus. Dass es auch im späteren Berufsleben keinen Massentrend zum Arbeiten im Ausland oder zum Abwandern gibt, dürfte zu einem nicht unerheblichen Teil daran liegen, dass Angehörige der Ingenieurberufe in Deutschland weiterhin extrem gefragt sind.
Andere Länder, andere Sitten
Dennoch gilt: Jeder einzelne Auslandsaufenthalt will gut vorbereitet sein. Ob der Job im mehr oder weniger fremden Land zum Erfolg wird, hängt nicht mehr allein von der fachlichen Qualifikation ab, sondern auch von der Fähigkeit, sich in einer anderen Kultur zurechtzufinden. Das gilt vor allem, wenn der Auslandsjob nicht innerhalb des eigenen Konzerns oder Unternehmensverbunds stattfindet, sondern vielleicht in einem kleinen, lokal verwurzelten und bislang vor allem im eigenen Kulturkreis agierenden Unternehmen.
Andere Unternehmen, andere Sitten – und das im selben Land
Frank Möller ist Gründer und Geschäftsführer der INITIATIVE auslandszeit GmbH mit Sitz in Rheda-Wiedenbrück, die unter anderem die Portale Auslandsjob.de und Auslandszeit.de betreibt. Er und sein Team haben Erfahrungen in über 40 Ländern gesammelt und bereits über 100.000 berufliche Auslandszeiten begleitet. Möller ist es wichtig zu betonen, dass es bei den konkreten Regeln, Gepflogenheiten und Wünschen innerhalb jedes kulturellen Umfelds stark auf das einzelne Unternehmen ankommt: „Zum Beispiel gibt es auch in Ländern, in denen hierarchische Unternehmensstrukturen vorherrschen, Unternehmen, die mit modernen Arbeitsformen experimentieren.“
Was steht an erster Stelle – Arbeit oder Privatleben?
Wie sieht es mit der Work-Life-Balance im Ausland aus? Möller fasst einige Trends zusammen: „Unsere Einschätzung ist, in Ländern wie Schweden, Dänemark oder den Niederlanden wird tendenziell sehr viel Wert darauf gelegt, dass Freizeit und Familie nicht zu kurz kommen – Überstunden gelten dort eher als Ausnahme. Auch in Frankreich und Spanien wird ein gesundes Gleichgewicht anerkannt. In den USA, Japan oder China hingegen lässt sich vermuten, dass Arbeit häufig als Lebensinhalt verstanden wird, weshalb Überstunden oder kurzfristige Projektbelastungen eher akzeptiert oder sogar erwartet werden.“
After-Work-Party statt Familie und Freunde?
„Wir sehen uns später noch beim Bowlen/ im XYZ-Club/ am Sonntagnachmittag zum Konzert im Park …“ – sind solche beiläufigen Bemerkungen als offene Einladungen mit Absagemöglichkeit oder als Pflichtprogramm zu verstehen? Müssen Ingenieurinnen und Ingenieure zu solchen Events allein erscheinen oder dürfen sie Partner/-innen mitbringen? Frank Möller berichtet aus seiner Erfahrung: „After-Work-Treffen scheinen besonders in den USA, Australien oder Nordeuropa üblich zu sein, oft auch mit Einbindung von Lebenspartnern. In Südeuropa erleben wir, dass gemeinsame Essen oder Feste fest verankert sind. In vielen asiatischen Ländern sind Team-Events zwar verbreitet, aber oft weniger informell – Partner werden dort seltener einbezogen.“
New Work – nicht nur in New York …
… war für Möller das zentrale Thema, als er 2008 die INITIATIVE auslandszeit GmbH gründete. Seine Bilanz zur Umsetzung von New Work heute: „Mit der Erfahrung, die wir seit über 20 Jahren mit Auslandszeiten wie Work & Travel, Auslandsjobs oder anderen Work Experiences gesammelt haben, sind New-Work-Elemente wie flexible Arbeitszeiten, Homeoffice oder flache Hierarchien vor allem in west- und nordeuropäischen Ländern, Nordamerika oder Australien stark verbreitet. In vielen asiatischen, afrikanischen oder arabischen Ländern lässt sich dagegen beobachten, dass klare Hierarchien dominieren und Mitarbeitende oft weniger Gestaltungsspielraum haben.“
Die klassische Frage, aktuell gestellt: Wo sind Frauen und Männer im Job gleichberechtigt?
Der Geschäftsführer der INITIATIVE auslandszeit berichtet: „Unseren Erfahrungen nach sind in Nordeuropa, Kanada oder Australien die Chancen zwischen Frauen und Männern vergleichsweise ausgeglichen. In einigen asiatischen Ländern wie Japan oder Südkorea sowie in Teilen der arabischen und afrikanischen Welt legen gesellschaftliche Strukturen nahe, dass Frauen es deutlich schwerer haben, in Führungspositionen zu gelangen. Der Global Gender Gap Index des Weltwirtschaftsforums bestätigt dies: Während Nordeuropa regelmäßig sehr hohe Werte erreicht, bestehen in vielen anderen Regionen weiterhin große Ungleichheiten – insbesondere bei Führungspositionen, wo Frauen weltweit klar unterrepräsentiert bleiben.“
LGBTQ – ein ganz normales Thema oder ein Tabu?
Hier zeigt sich international ein stark uneinheitliches Bild, sagt Möller: „In EU-Mitgliedstaaten sowie Ländern, wie Australien, Kanada und Japan ist die Lage durchaus gut. Nicht heterosexuelle Menschen werden akzeptiert und sind durch Gesetze geschützt bzw. häufig gleichgestellt. In vielen arabischen, afrikanischen oder asiatischen Ländern werden gleichgeschlechtliche Partnerschaften tabuisiert oder sind sogar strafbar. Dort kann bereits die Nutzung von Dating-Apps riskant sein – auch, weil Behörden oder Dritte solche Plattformen überwachen.“
Den Umgang mit LGBTQ-Themen in den USA sieht Möller aktuell als Sonderfall: „Offiziell sind queere und transsexuelle Menschen dort durch Antidiskriminierungsgesetze geschützt, und in vielen Metropolen gibt es eine sehr offene und vielfältige Szene. Die gesellschaftliche Diskussion in den USA ist aber gerade stark polarisiert: Themen wie Transsexualität, Homosexualität oder generell das Abweichen von einer heteronormativen Lebensweise sind Teil einer größeren kulturellen, ideologischen Auseinandersetzung. Zudem gibt es in einigen konservativen Regionen noch immer Vorbehalte, die nicht nur auf den privaten Bereich beschränkt sind.“
Wenn die sexuelle Orientierung beim Auslandsjob zum strafrechtlichen Problem wird
Steffen Mayer ist Gründer der Volunteering-Agentur Rainbow Garden Village und leitete zuvor mit Frank Möller die Volunteering-Agentur ManaTapu GmbH. Er berichtet, dass eine von der Norm abweichende sexuelle Orientierung besonders in bestimmten Teilen Afrikas problematisch werden kann: „In Ländern wie Uganda, Tansania und Ghana bestehen erhebliche rechtliche und gesellschaftliche Risiken. In Uganda ist die Rechtslage so extrem, dass für bestimmte Konstellationen sogar die Todesstrafe vorgesehen ist; in Tansania und Ghana sind gleichgeschlechtliche Handlungen strafbar und können zu schweren Konsequenzen führen.“
Frank Möller von der INITIATIVE auslandszeit und Steffen Mayer empfehlen den Betreffenden in vielen Fällen daher keine Bewerbung in solchen Ländern – oder unterstützen sie nur nach einer freiwilligen, aufwendigen Einzelfallprüfung mit detailliertem Sicherheitsbriefing, strikter Vertraulichkeit, alternativen Länderoptionen und einem klaren Evakuierungs- und Notfallplan. Mayer gibt konkrete Verhaltenstipps: „Wir raten von Outings ab, empfehlen einen zurückhaltenden Umgang mit Social Media und öffentlichen Zuneigungsbekundungen und einen sensiblen Sprachgebrauch. Zudem sollte jederzeit die Möglichkeit gegeben sein, Einsatzort, Unterkunft oder Teamsetting zu wechseln.“
Shake hands, Gimme five, Schulterklopfen – beim Auslandsjob nicht immer erwünscht
Beim Thema, wie viel körperliche Nähe oder Distanz üblich ist und als angemessen und höflich gilt, gibt es traditionell große internationale Unterschiede. Steffen Mayer rät, im Zweifelsfall distanziert zu beginnen, aufmerksam zu beobachten und das beobachtete Verhalten zu übernehmen.
Er berichtet: „Ein Händeschütteln zur Begrüßung ist in weiten Teilen Europas und Nordamerikas üblich, formell und sicher – allerdings eher kurz und ohne zusätzliches Schultertätscheln. In Nordeuropa und im angelsächsischen Raum gilt insgesamt mehr Distanz; eine Armlänge als Startpunkt passt meist gut. In Südeuropa und vielen Regionen Lateinamerikas ist man körpernäher: Hier sind kurze Berührungen am Unterarm, der Schulter oder am Rücken im freundschaftlichen Kontext verbreitet.“ Eine Auswahl weiterer konkreter Tipps von Steffen Mayer:
- „Ostasien: Dort dominiert die zurückhaltende Begrüßung – Verbeugen oder respektvolles Nicken sind sicher.“
- „Süd- und Südostasien: Die Gesten Namaste oder Namaskar oder der Wai mit den Händen vor der Brust und mit einem kurzen Kopfneigen sind respektvolle Alternativen. Bitte nie den Kopf eines anderen Menschen berühren.“
- „Afrika: In vielen Ländern dort sind Handschläge üblich, oft mit regionalen Varianten und Zwischenschritten. Wichtig: Immer die rechte Hand benutzen, die linke Hand gilt mancherorts als unpassend. Bei älteren Personen oder Respektspersonen eher formell bleiben und den physischen Abstand von ihnen bestimmen lassen.“
- „Naher Osten, Nordafrika, Teile Südasiens: In mehrheitlich konservativen oder religiös geprägten Regionen vermeiden viele Menschen körperliche Berührungen mit nicht verwandten Personen des anderen Geschlechts. Ein leichtes Nicken, ein Lächeln oder die rechte Hand aufs Herz signalisiert Respekt, ohne Nähe aufzudrängen.“
Gendern – im Englischen leichter zu lösen als im Deutschen
Hierzulande hält die Diskussion um Sinn und Details des Genderns seit Jahren an. Im englischen Sprachraum ist die geschlechtsneutrale Sprache leichter umzusetzen. Ein Beispiel: Statt der Singular-Pronomen „she“ und „he“ kann in beiden Fällen „they“ gebraucht werden. Steffen Mayer beobachtet: „Dieser einfachere Gebrauch wird zunehmend verbreitet und akzeptiert. In Schweden ist die Nutzung neutraler Pronomen bereits etablierter, was zeigt, dass es dort im Alltag wichtig genommen wird. In Frankreich, Spanien oder vielen asiatischen Ländern spielt Gendern nach unserer Erfahrung eine kleinere Rolle – das lässt vermuten, dass es kulturell weniger Priorität hat.“ Auch für das Gendern gilt im Auslandsjob: Beobachten, was üblich ist. Einen Anhaltspunkt gibt oft schon der erste Mailkontakt.
Kostüm und Anzug oder Jeans und T-Shirt – welche Kleidung ist beim Auslandsjob gefragt?
Frank Möller weiß, dass kaum eine Frage so schwer zu beantworten ist wie die nach der Kleiderordnung beim Arbeiten in einer fremden Kultur – von Standards bis zur Frage, ob es einen Casual Friday gibt. Er sagt: „Vieles hängt deutlich stärker vom einzelnen Unternehmen und der jeweiligen Branche ab als vom Land selbst. In konservativen Unternehmen gelten strengere Dresscodes, eher lockere Kleidung ist in kreativen oder jungen Firmen angesagt. Grundsätzlich vermuten wir für Führungskräfte, dass man mit einem ‚casual Chic‘, einem Anzug oder Hosenanzug oder auch einem Jackett, in den meisten Fällen auf der sicheren Seite ist. Wir empfehlen dennoch, sich im Vorfeld direkt beim Unternehmen zu informieren und die Kleiderordnung abzuklären.“
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