Der Trend zum ‚Zurück-ins-Büro‘: Wie Büropflicht Jobwechselrisiken erhöht
Die Debatte über Büropflicht spiegelt breite Diskussionen wider, wie Arbeit und Flexibilität im modernen Arbeitsleben vereinbart werden können. Während einige die Rückkehr ins Büro als förderlich für Teamarbeit und Kreativität betrachten, sehen andere darin eine Belastung für Work-Life-Balance.
Der Trend hin zum "Zurück-ins-Büro" verstärkt sich, wobei zahlreiche Arbeitnehmer wegen unklarer Homeoffice-Regelungen über einen Jobwechsel nachdenken.
Foto: PantherMedia / AndreyPopov
Inhaltsverzeichnis
- Homeoffice bleibt beliebt: Ausbaupläne überwiegen
- Zurück ins Büro? Realität, Forschung und Zukunftstrends
- Aktuelle Zahlen zur Rückkehr ins Büro
- Mehr Präsenz, mehr Erschöpfung – und kaum mehr Produktivität
- Homeoffice-Angebote und die Arbeitszufriedenheit von Beschäftigten
- Büropflicht als Stressfaktor
- Büropflicht als Jobwechselgefahr
- Hauptgründe für "Zurück-ins-Büro"-Pflicht
- In die Büroeinrichtung investieren
- Dell schafft das Homeoffice für viele Mitarbeiter ab
Homeoffice bleibt beliebt: Ausbaupläne überwiegen
Nur wenige Unternehmen planen, ihre Homeoffice-Angebote in den nächsten zwei Jahren zu reduzieren oder ganz abzuschaffen. Bei manchen Punkten des Homeoffice sind sie jedoch kritisch. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des ZEW Mannheim unter etwa 1.200 Unternehmen im Juni 2025.
„Die Homeoffice-Nutzung verharrt seit der Corona-Pandemie auf einem konstant hohen Niveau und ein Rückgang ist nicht zu erwarten. Die Pläne der Unternehmen deuten für die kommenden zwei Jahre sogar eher auf mehr Beschäftigte im Homeoffice hin“, erklärt Studienleiter Dr. Daniel Erdsiek aus dem ZEW-Forschungsbereich „Digitale Ökonomie“.
Fast jedes dritte Unternehmen mit Homeoffice-Angeboten plant, diese auszuweiten. Erdsiek erklärte, dass derzeit 80 % der Unternehmen in der Informationswirtschaft und rund die Hälfte der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe ihren Mitarbeitenden ermöglichen, mindestens einen Tag pro Woche im Homeoffice zu arbeiten. Bei größeren Unternehmen mit mindestens 100 Beschäftigten sei die Nutzung noch deutlich höher: 88 % im Verarbeitenden Gewerbe und fast alle (98 %) in der Informationswirtschaft nutzten solche Angebote.
Rund 10 % der Unternehmen mit Homeoffice wollen ihre Angebote reduzieren oder abschaffen. Deutlich mehr Unternehmen planen jedoch, ihre Homeoffice-Möglichkeiten auszubauen und mehr Mitarbeitenden diese Option zu bieten: 29 % in der Informationswirtschaft und 34 % im Verarbeitenden Gewerbe. Auch bei Unternehmen ohne Homeoffice gibt es Pläne zur Einführung, nämlich 21 % in der Informationswirtschaft und neun Prozent im Verarbeitenden Gewerbe.
Zurück ins Büro? Realität, Forschung und Zukunftstrends
Die Diskussion darüber, ob man im Homeoffice oder im Büro arbeiten soll, hört nicht auf. Viele denken, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter zurück ins Büro holen wollen. Aber wie sieht es wirklich aus? Was sagt die Forschung dazu? Um das herauszufinden, wurden aktuelle Studien gesammelt und ausgewertet. Das neue Faktenblatt vom ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen.
Die aktuellen Studien zeigen deutlich, dass eine vollständige Rückkehr ins Büro eher die Ausnahme ist. Nur etwa 17 % der Unternehmen setzen noch auf komplette Präsenz. Stattdessen dominieren hybride Arbeitsmodelle, bei denen Mitarbeitende an zwei bis drei Tagen pro Woche im Büro sind. Dabei stehen Produktivität und gute Steuerbarkeit im Mittelpunkt. Flexible Arbeitsformen werden vor allem dort eingeschränkt, wo enge Zusammenarbeit, kreative Prozesse oder Führung besonders wichtig sind. Das Büro dient gezielt als Raum für Austausch, kreative Ideen, die Einarbeitung neuer Kolleginnen und Kollegen sowie den Zusammenhalt im Team.
Entscheidend ist auch die Art der Tätigkeit: Je nach Abteilung, Rolle, Projekt oder Hierarchiestufe kommen unterschiedliche Arbeitsmodelle zum Einsatz. Für Unternehmen bedeutet das, dass sie Führung, Organisation und Ausstattung gezielt anpassen müssen. Klare Regeln, passende Raumkonzepte, technische Infrastruktur und kompetente Führungskräfte sind notwendig, um hybride Teams erfolgreich zu steuern. Richtig umgesetzt, wird Flexibilität so zu einem echten strategischen Vorteil – sie kann nicht nur die Produktivität steigern, sondern auch die Attraktivität als Arbeitgeber und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.
Nach dem Ende der Corona-Pandemie sind neue Stressfaktoren und Herausforderungen im Arbeitsleben von Frauen in Deutschland aufgetreten. Besonders bemerkbar macht sich dies bei der angeordneten Rückkehr ins Büro, die für Arbeitnehmerinnen negative Konsequenzen mit sich bringt. Dies belegt eine Deloitte-Studie „Women @ Work“, in deren Rahmen im vierten Jahr in Folge 5000 Arbeitnehmerinnen aus zehn Ländern befragt wurden.
Aktuelle Zahlen zur Rückkehr ins Büro
Im letzten Jahr drehte sich die öffentliche Diskussion über mobiles Arbeiten vor allem um die mögliche Rückkehr zur Präsenzpflicht. Große Firmen wie SAP und die Deutsche Bank forderten mehr Anwesenheit im Büro. Manche US-Technologiekonzerne, wie Amazon, führten sogar eine Fünf-Tage-Präsenzpflicht ein.
Trotz öffentlicher Diskussionen und bekannter Beispiele kehren die meisten Unternehmen in Deutschland nicht vollständig zur Präsenzarbeit zurück. Das zeigt die aktuelle Homeoffice-Studie der Universität Konstanz, die bereits zum fünften Mal in Folge Entwicklungen beim mobilen Arbeiten untersucht. Nur 19 % der Beschäftigten geben an, dass in ihrem Unternehmen die Präsenzpflicht verschärft wurde – weniger als die 22 % im Jahr 2024. Lediglich 8 % arbeiten wieder an allen fünf Tagen der Woche im Büro.
Mehr Präsenz, mehr Erschöpfung – und kaum mehr Produktivität
Außerdem zeigt die Studie: Wer öfter ins Büro muss, fühlt sich emotional deutlich erschöpfter – obwohl die Arbeit dadurch nicht messbar besser wird. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass Präsenzpflicht oft mehr schadet als nützt“, kommentiert Florian Kunze, Leiter der Studie und Professor für Organizational Behavior an der Universität Konstanz.
Kilian Hampel, Senior Research Fellow am Future of Work Lab und Ko-Autor der Studie, erklärte, dass vor allem in krisenanfälligen Unternehmen Büropräsenz offenbar gezielt als Strategie genutzt werde, um Personal abzubauen – nach dem Motto, wer nicht ins Büro komme, verlasse eben das Unternehmen.
„Besonders in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten scheinen manche Unternehmen auf Präsenzpflichten als vermeintliche Strategie zur Produktivitätssteigerung zu setzen. Ein aktuelles Beispiel ist der Volkswagen-Konzern, der nach einem Gewinneinbruch eine Präsenzpflicht an drei Tagen pro Woche verordnete. Die verbreitete Annahme, dass solche Maßnahmen die Produktivität erhöhen, lässt sich jedoch durch unsere Erhebungen nur begrenzt beurteilen, da wir keine objektiven Leistungsdaten erfassen“, heißt es in der Auswertung.
Homeoffice-Angebote und die Arbeitszufriedenheit von Beschäftigten
„Mit Homeoffice-Angeboten können vielfältige Effekte einhergehen. Besonders positiv bewerten Unternehmen die Wirkung auf die Arbeitszufriedenheit von Beschäftigten. Rund zwei Drittel der Unternehmen sehen hier einen Vorteil von hybriden Homeoffice-Angeboten mit einem Mix aus Präsenz- und Homeoffice-Tagen“, sagt auch Dr. Daniel Erdsiek aus dem ZEW-Forschungsbereich „Digitale Ökonomie“. „Darüber hinaus berichten mehr als die Hälfte der Unternehmen, dass hybride Modelle das Anwerben von Fachkräften erleichtern.“
Büropflicht als Stressfaktor
Von den 500 Studienteilnehmerinnen in Deutschland gibt fast jede sechste an, dass ihr Arbeitgeber sie verpflichtet hat, an allen Arbeitstagen ins Büro zu kommen. Jede Fünfte erhielt eine solche Verpflichtung zumindest für einen Teil der Arbeitstage. Unter den Frauen mit vollständiger Büropflicht berichten 37 %, dass diese Verpflichtung ihr Stressniveau oder ihr seelisches Wohlbefinden negativ beeinflusst hat. In der Gruppe mit teilweiser Büropflicht geben dies 22 % an. Weltweit liegen die entsprechenden Anteile etwas niedriger, bei 26 % bzw. 18 %.
„Je mehr Flexibilität Arbeitgeber bieten, desto mehr Chancen eröffnen sich vor allem für Frauen“, kommentiert Sandra Mühlhause, Chief People Officer bei Deloitte Deutschland. „In hybriden Arbeitsmodellen sollten zusätzliche Freiräume ermöglicht werden, um je nach Bedarf Arbeitszeit und -ort an die individuelle Situation anzupassen.“
Die Studie liefert auch eine mögliche Erklärung dafür, warum Anordnungen zur Büropflicht solche Probleme für Frauen verursachen können. Neben ihren beruflichen Verpflichtungen übernehmen viele Frauen auch zunehmend familiäre Aufgaben wie Kinderbetreuung und häusliche Pflege. Diese Aufgaben lassen sich im Alltag oft schwer mit einer Präsenzpflicht im Büro und der damit verbundenen fehlenden Flexibilität vereinbaren. So stieg der Anteil der Studienteilnehmerinnen, die in ihrem Haushalt die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung tragen, von 41 % im Vorjahr auf nun 45 %.
Büropflicht als Jobwechselgefahr
Viele junge Arbeitnehmer möchten den Job wechseln, weil sie nicht genug Homeoffice oder feste Bürozeiten haben. Dies geht aus dem neuesten Jobwechselkompass hervor, den die KÖNIGSTEINER GRUPPE in Zusammenarbeit mit Stellenanzeigen.de vierteljährlich veröffentlicht. Mit anderen Worten: Der Trend zum „Zurück-ins-Büro“ kann für Mitarbeitende ein Anlass zum Jobwechsel sein.
Für diejenigen, die über einen Jobwechsel nachdenken, ist die Möglichkeit, kontinuierlich im Homeoffice zu arbeiten, ein wichtiger Faktor bei ihren Entscheidungen. Im aktuellen Jahr haben 41 % der wechselinteressierten Mitarbeitenden die Anweisung ihres Arbeitgebers erhalten, seltener von zu Hause aus zu arbeiten als im Jahr zuvor. Zudem berichten 40 % der potenziellen Wechselkandidaten, dass sie 2023 weniger Zeit im Homeoffice verbracht haben als im Jahr 2022.
„Viele Unternehmen planen für das kommende Jahr, ihre Mitarbeitenden wieder verstärkt an den Unternehmensstandort zu binden. In den USA beispielsweise wurde das sogar bei den großen Tech-Giganten schon 2023 umgesetzt. Aus Arbeitgebersicht ist es allerdings wichtig, dass behutsam zu tun und vor allem mit klaren Regelungen für Heim- und Präsenzarbeit zu versehen. Ansonsten könnte das für einige Beschäftigte zum Wechselgrund werden“, so Nils Wagener, Geschäftsführer der KÖNIGSTEINER GRUPPE, zu den Ergebnissen der Umfrage. Seine Beobachtung wird durch die Tatsache unterstützt, dass 56 % der Befragten, die einen Jobwechsel in Erwägung ziehen, Arbeitgeber mit festgelegten Homeoffice-Richtlinien bevorzugen. Mit anderen Worten: Reduktion von Homeoffice-Arbeit kann Wechselwunsch bei den Arbeitnehmenden auslösen.
Hauptgründe für „Zurück-ins-Büro“-Pflicht
Einen ganz anderen Standpunkt hat der Industrieverband Büro und Arbeitswelt e.V. (IBA) und führt aus seiner Perspektive – die Hauptgründe an, im kommenden Jahr verstärkt im Büro präsent zu sein.
- Direkte Begegnung statt technischer Ausfall – Wer glaubt, dass der persönliche Austausch im Büro ähnlich wie ein Videoanruf ist, hat vielleicht noch nicht die Überraschung erlebt, echte 3D-Interaktionen mit vertrauten Gesichtern zu erleben. Nur durch regelmäßige persönliche Treffen entsteht ein echtes Teamgefühl.
- Zwischenmenschliche Verbindungen über E-Mails – Trotz charmant formulierter E-Mails kann nichts den spontanen Austausch in der Büroküche ersetzen. Laut einer forsa-Umfrage aus 2023 schätzen 82 % der Teilnehmer den direkten Kontakt zu Kollegen und Vorgesetzten. Ein einfacher Kaffeeplausch könnte sogar Ihre nächste große Inspiration sein.
- Gemeinsame Kreativität – Kreative Energien und die besten Ideen fließen oft in Gruppen. Persönliche Anerkennung und Feedback haben eine viel tiefere Wirkung als virtuelle Gesten oder E-Mails.
- Persönliche Interaktion statt Pixel – Eine physische Arbeitsumgebung beeinflusst nicht nur unser Wohlbefinden, sondern auch unsere Teamdynamik. Ein starker Netzwerkaufbau und zwischenmenschliche Beziehungen sind im Büroalltag leichter zu pflegen.
- Bewegung im Büro – Während bequeme Bürostühle auch zu Hause vorhanden sein mögen, bietet das Büro mehr Möglichkeiten für Bewegung und Abwechslung, von Treppensteigen bis zum Austausch zwischen verschiedenen Arbeitsbereichen.
- Räume für mentales Wohlbefinden – Trotz technologischer Fortschritte ist das Bedürfnis nach echten zwischenmenschlichen Beziehungen und Begegnungen unverändert. Büros bieten solche wertvollen Räume.
- Pausen und Perspektivwechsel – Das Homeoffice kann verführerisch sein, aber regelmäßige Pausen und ein klarer Arbeitsrhythmus sind entscheidend für unser Wohlbefinden. Ein Büroalltag bietet oft mehr Struktur und Abwechslung.
- Gemeinsames Lernen – Webinare können informativ sein, aber direkter Austausch und Diskussionen mit Kollegen fördern das Lernen und die Produktivität.
- Persönlichkeit vor Technologie – Trotz fortschreitender Technologie bleibt der Mensch im Büroalltag im Mittelpunkt. Hier zählt die menschliche Interaktion und die Wertschätzung der Arbeit.
- Eintauchen in das Team – Neue Mitarbeiter benötigen mehr als nur digitale Anweisungen. Durch persönliche Interaktionen und Beobachtungen vor Ort werden sie zu wertvollen Teammitgliedern und potenziellen Freunden.
In die Büroeinrichtung investieren
Aber man darf nicht vergessen, dass der Arbeitsplatz selbst eine entscheidende Rolle spielt. Wie eine aktuelle forsa-Umfrage im Namen des IBA zeigt, hat sich in den letzten Jahren viel in diesem Bereich getan. Fast die Hälfte (47 %) der Umfrageteilnehmer gab an, dass sie entweder bereits in die Büroeinrichtung investiert haben oder in naher Zukunft planen, dies zu tun. Dies unterstreicht, wie das Büro seinen Vorteil gegenüber dem Homeoffice, insbesondere im Hinblick auf Ergonomie, weiter ausbaut, heißt es in der Pressemitteilung des IBA. Denn: Ergonomische Lösungen bei Bürostühlen, Schreibtischen, Technologie sowie in den Bereichen Akustik und Beleuchtung haben nachgewiesenermaßen positive Auswirkungen auf die Gesundheit.
Dell schafft das Homeoffice für viele Mitarbeiter ab
CEO Michael Dell forderte in einer E-Mail alle Beschäftigten, die teilweise oder komplett von zu Hause arbeiteten, auf, wieder fünf Tage pro Woche ins Büro zu kommen.
Die Regel gilt für alle, die maximal eine Stunde vom Arbeitsplatz entfernt wohnten – vermutlich bezogen auf die Fahrzeit mit dem Auto. Laut Business Insider trat die Regelung am 3. März in Kraft. Wer weiter entfernt lebte, durfte vorerst weiterhin im Homeoffice arbeiten.
„Ein 30-sekündiges Gespräch kann eine E-Mail ersetzen, die über Stunden oder Tage hin und her wandert“ – dieses Beispiel wird in den Medien in diesem Zusammenhang häufig angeführt. Allerdings wird an Details noch gearbeitet.
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