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Schmutzwasser trinkbar machen 20.11.2023, 07:00 Uhr

So gelingt umweltschonende Wasseraufbereitung in Krisengebieten

Um Menschen in Krisengebieten mit sauberem Trinkwasser versorgen zu können, werden zur Wasseraufbereitung häufig verschiedene Chemikalien eingesetzt. Diese können jedoch Böden und Gewässer belasten. Ein Startup aus Leipzig hat nun eine Analage entwickelt, die bis zu 2.500 Liter Wasser pro Stunde chemikalienfrei aufbereiten kann, über erneuerbare Energien läuft und recyclebar ist.

Überschwemmung

Naturkatastrophen wie Überschwemmungen treten immer häufiger auf und damit wächst auch die Bedeutung von umweltschonender Krisenhilfe.

Foto: PantherMedia / giggswalk

Die Sicherstellung der Trinkwasserqualität in Katastrophengebieten ist von entscheidender Bedeutung, um Dehydrierungen und die Verbreitung von Krankheiten wie Cholera, Typhus oder anderen Infektionen zu vermeiden. Für die Wasseraufbereitung kommen hier in der Regel große mobile Anlagen unter Verwendung von Chemikalien zum Einsatz, die das Schmutzwasser sowohl von groben Verunreinigungen als auch von Bakterien oder Viren befreien. Das Problem: Die Verwendung der Chemikalien birgt unter bestimmten Umständen sowohl Risiken für die Gesundheit als auch für die Umwelt. Ein Aspekt, der bisher kaum Beachtung gefunden hat.

Das Startup Disaster Relief System (DRS) hat daher eine Trinkwasseraufbereitungsanlage für Notfalleinsätze in Krisengebieten entwickelt, die ganz ohne Chemikalien auskommt. Noch dazu kann die Anlage regenerativ betrieben werden und alle Bauteile sind wiederverwertbar. Das Projekt wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert.

Wasseraufbereitung ganz ohne Chemie

Je nach Wasserqualität können verschiedene Chemikalien eingesetzt werden, um das Schmutzwasser zu reinigen und es so wieder trinkbar zu machen. „Ökologisch und einsatztechnisch problematisch ist dabei oft das Verwenden von Chemikalien zum Beispiel zur Flockung von Schwebstoffen, Desinfektion des Wassers sowie Konservierung von Filtermembranen, bei deren unsachgemäßer Handhabung Gesundheitsgefährdungen und Schäden an der Umwelt entstehen können“, sagt John-Henning Peper, der das Projekt leitet.

Aus diesem Grund wollten die Forschenden eine leistungsstarke Trinkwasseraufbereitungsanlage entwickeln, die ohne den Gebrauch von Chemie auskommt. So entstand am Ende ein 135 Kilogramm schweres Gerät namens „SAS-W2500“. Die Abkürzung steht für „Standardized Aid System“, also standardisiertes Hilfssystem. Die Anlage kann bis zu 2.500 Liter Wasser pro Stunde aufbereiten, ganz ohne den Einsatz von Chemikalien wie Chlor.

Das Prinzip ist einfach und effektiv: Das Schmutzwasser wird mit einem Druck von drei bis sieben bar durch einen Filter mit Mini-Poren im Nanometer-Bereich gepresst und so gründlich gereinigt. „Druck und Filter halten nicht nur gefährliche Keime wie den Cholera-Erreger, sondern auch winzige bakterielle Giftstoffe und ein hohes Maß an Viren zurück“, sagt Peper. Bei einem Trinkwasserbedarf von etwa drei Litern pro Person könnten demnach bis zu 830 Menschen pro Stunde und etwa 20.000 Menschen täglich mit einer solchen Anlage versorgt werden, so der Projektleiter.

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Wasseraufbereitung mit ganzheitlichem Konzept

Die Wasseraufbereitungsanlage des Startups kommt nicht nur ohne den Einsatz von Chemikalien aus, sondern kann zudem auch mit erneuerbaren Energien angetrieben werden und ist somit besonders umweltschonend. „Die benötigte Energie liefert die Anlage mittels eines kleinen eingebauten Generators oder mittels Elektroantrieb, der wiederum mittels einer ausklappbaren Solarmatte gespeist werden kann“, sagt Sören Lohse, einer der Forschenden. Ebenso achten die Forschenden darauf, dass möglichst alle verwendeten Bauteile der Anlage recyclebar sind.

Die letzte Herausforderung besteht für die Forschenden nun darin, die Anlage für den praktischen Einsatz in Katastrophengebieten zu optimieren. Das heißt, die Anlage muss im Notfall auch nach einem Abwurf aus dem Flugzeug unbeschädigt und voll funktionsfähig sein. Ist diese Hürde genommen, steht dem erfolgreichen Einsatz nichts mehr im Weg. Dass die Anlage ansonsten reibungslos funktioniert, konnte das Team bereits bei einem viertägigen Katastrophenschutz-Trainingseinsatz in Frankreich unter Beweis stellen.

Nachhaltigkeit und Umweltschutz vor dem Krisenfall berücksichtigen

Nicht nur in Kriegsgebieten, sondern auch bei Naturkatastrophen kommt es häufig zur Verunreinigung von lebenswichtigem Trinkwasser. Gründe dafür sind beispielweise eine zerstörte Infrastruktur (Wasseraufbereitungsanlagen oder Abwassersysteme) oder verunreinigte Wasserquellen durch freigesetzte Schadstoffe sowie unkontrollierte Abfallentsorgung.

Bisher haben Nachhaltigkeit und Umweltschutz bei der Wasseraufbereitung in Krisengebieten kaum eine Rolle gespielt. Franz-Peter Heidenreich, Leiter des DBU-Referats Wasser, Boden und Infrastruktur sieht deshalb in der umweltschonenden Wasseraufbereitungsanlage „SAS 2.500“, die vom Startup-Team um John-Henning Peper entwickelt worden ist, großes Potenzial. Besonders im Hinblick auf die globale Erderwärmung und das damit erhöhte Risiko für Naturgefahren hält er die umweltschonende Krisenhilfe für wichtig: „Klimawandel führt weltweit zu einer wachsenden Anzahl an Katastrophen, insbesondere zu Starkregenereignissen und Hochwassersituationen, auf die dann entsprechend reagiert werden muss.“ Er empfiehlt daher den Umweltschutz bereits vor dem Krisenfall zu berücksichtigen. Und genau dies hätte das Startup Disaster Relief Systems (DRS) mit ihrer kompakten Trinkwasseraufbereitungsanlage getan.

Von Ines Klawonn