Zum E-Paper
Vorbeugender Brandschutz bei Windenergieanlagen 04.06.2021, 09:00 Uhr

Löschwasser, das hoffentlich niemand braucht

Windräder brennen selten, aber wenn, ist schnelles Handeln gefragt, denn ein Brand kann verheerende Folgen für die Umgebung haben. Im Zuge der Baugenehmigung legt die Kommune oder die zuständige Behörde des Landkreises daher als „Träger öffentlicher Belange“ den Löschwasserbedarf fest, auch bei Windrädern. Sind an deren exponierten Standorten weder Hydranten der Trinkwasserrohrnetze noch so genannte „unerschöpfliche“ Entnahmestellen wie offene Gewässer oder Brunnen vorhanden, wird die Grundversorgung mit Löschwasser durch einen unterirdisch eingebauten Behälter sichergestellt.

Windpark der EnBW in Bühlertann, Landkreis Schwäbisch Hall. Foto: EnBW

Windpark der EnBW in Bühlertann, Landkreis Schwäbisch Hall.

Foto: EnBW

Die gute Nachricht zuerst: Windenergieanlagen (WEA) brennen selten. Eine offizielle Statistik gibt es nicht, laut Schätzung des Bundesverbandes WindEnergie e. V. gab es in den vergangenen Jahren jeweils etwa 5 bis 10 Brandfälle, bei insgesamt 29.608 Windrädern (Stand 31.12.2020 ). Das sind pro Jahr nur 0,03 Prozent. Im Straßenverkehr haben wir das gleiche Verhältnis: 15.000 Autos, die laut „AUTO BILD Digital“ auf Deutschlands Straßen abbrennen, bei 60 Mio. zugelassenen Fahrzeugen Ende 2020.

Die schlechte Nachricht: Trotz regelmäßiger TÜV-Hauptuntersuchung lassen sich Brände bei Autos nicht ganz vermeiden. Fachleute stellen Marderbiss, fehlerhafte Bauteile, Montagefehler, außergewöhnlich schwere Kollisionen und Brandstiftung als hautsächliche Ursachen fest. Ähnlich die Situation bei WEA. Statt Marder und Brandstifter können hier Kupferdiebe die Übeltäter sein und einen Kurzschluss auslösen, statt einer Kollision kann ein Blitzeinschlag die Windturbine entzünden – falls die generell vorhandene Blitzschutzanlage in der Gondel (dem Maschinenhaus) und den Rotorblättern ausnahmsweise defekt sein sollte.

Was sind Brandursachen an Windenergieanlagen?

Südliches Niedersachsen: Nach Meldungen des Täglichen Anzeigers Holzminden waren am Dienstag, 12. Januar 2021, nachmittags rund 60 Einsatzkräfte im Windpark Hehlen vor Ort, als ein Windrad in 80 Metern Höhe brannte. Da Teile der havarierten Anlage abzubrechen drohten, musste weiträumig abgesperrt werden. Wegen der starken Rauchentwicklung war auch das ABC-Messfahrzeug der Kreisfeuerwehr Holzminden zur Messung der Schadstoffe in der Umgebungsluft im Einsatz. „In einem solchen Fall“, sagt Silvia Oestreicher, Pressesprecherin des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) mit Sitz in Berlin, „müssen die Einsatzkräfte die Anlage leider kontrolliert abbrennen lassen. Mit Drehleitern und Wasserdruck kommen wir mit den Standardfahrzeugen nicht über 20-30 Meter Höhe hinaus. Vorrangig ist, am Boden so weiträumig abzusperren, dass keine Personen zu Schaden kommen. Und das vorgehaltene Löschwasser dient dazu, einen Flächen- bzw. Waldbrand durch Funkenflug oder brennende Trümmerstücke zu verhindern“. Details zur Vorbereitung auf derartige Aufgaben finden Einsatzkräfte in einer Fachempfehlung des DFV [1].

Brände können insbesondere in der Gondel, im Turm und in der Umspannstation einer WEA entstehen. Typische Ursachen sind Blitzschlag, Fehler in elektrischen Einrichtungen, Funkenflug durch Überlastung mechanischer Bremsen sowie feuergefährliches Arbeiten im Rahmen von Wartung und Reparatur. Brennbare Komponenten sind Getriebe-, Transformator- und Hydrauliköle, Elektrokabel, das Maschinenhaus selbst wie auch die meist aus glasfaserverstärktem Kunststoff gefertigten Rotorblätter [2].

Brände durch rechtzeitige Prüfungen vorbeugen

Der Gesetzgeber verpflichtet die Betreiber von WEA, ihre elektrischen Anlagen und Betriebsmittel nach der Vorschrift 3 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV V3) mindestens in 4-jährigem Turnus prüfen zu lassen. Dienstleister, die diesen Service anbieten, sollten über ausreichend Erfahrung im Umgang mit den unterschiedlichen WEA-Fabrikaten verfügen. Um den Markt transparenter zu machen und den Betreibern bei der Auswahl eines empfehlenswerten Dienstleisters Hilfestellung zu bieten, führt der Bundesverband WindEnergie e. V. in Berlin (BWE) Jahr für Jahr eine Umfrage bei den Betreibern durch und veröffentlicht das Ergebnis im Internet als Report zur Servicezufriedenheit. Eigentlich selbstverständlich, aber dennoch erwähnenswert: Prüftechniker müssen neben der Niederspannung auch regelmäßig die Mittelspannung (Transformatoren, Schaltanlagen, Leistungskabel) sowie den Blitzschutz prüfen.

Ihre Höhe macht Windenergieanlagen zu bevorzugten Objekten für Blitze. Und sowohl Höhe als auch Leistung nehmen kontinuierlich zu, nicht nur bei Anlagen auf See. Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des BWE, erwartet eine Verdoppelung der Leistung in den kommenden Jahren bei gleichbleibender Anlagenzahl. „Selbst bei einer Halbierung der Anzahl bei Rückbau und Repowering werden wir in absehbarer Zeit den Stromertrag an Land verdreifachen“, schätzt er. Die Bauhöhe, die sich aus dem halben Rotordurchmesser plus der Nabenhöhe ergibt, dürfte entscheidend dafür sein. In Hausbay-Bickenbach/Rheinland-Pfalz wurde 2016 mit 230 m ein Weltrekord erzielt. Ein Jahr später liefen solche Anlagen auch in Winterbach-Goldboden/Baden-Württemberg. Dem standardmäßig installierten Blitzableiter an der Gondel und an den Spitzen der Rotorblätter kommt eine wachsende Bedeutung zu. Als Regel der Technik für Blitzschutz gelten DIN EN 62305 und VDE 0185. Laut Windenergie-Erlass des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 2018 sind bei besonderen Standort- oder Risikofaktoren, wie im Wald oder in der Nähe des Waldes, in diesem Bundesland zusätzliche Maßnahmen erforderlich – unter anderem ein System zur Brandfrüherkennung und eine selbsttätige Feuerlöschanlage. Die funktioniert entweder mit Inertgas, das Sauerstoff am Brandherd verdrängt, oder mit einer wässrigen Lösung aus Feinsprühdüsen.

Kein Waldbrand: Löschwasser schützt die Umgebung

In Baden-Württemberg gelten andere Bestimmungen. Seit 2017 betreibt die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) mehrere Windparks im Landkreis Schwäbisch Hall. Selbsttätige Löscheinrichtungen sind weder in Dünsbach und Burgholz (je 3 WEA mit 149 m Nabenhöhe), noch in Brettenfeld (2 WEA mit 134 m Nabenhöhe) installiert, denn es war keine Auflage für die Baufreigabe. Einer der technisch Verantwortlichen bei EnBW ist Ivan Vujcic. Er informiert: „Die Genehmigungsbehörden haben in diesen Fällen je Windpark ein unterirdisches Löschwasserreservoir gefordert.“ Ovale Behälter gemäß DIN 14230 [3] mit 30 m³ Fassungsvermögen wurden erstellt und durch Tankfahrzeuge mit Wasser befüllt. (Bild)

Lieferung eines Löschwasserbehälters im Windpark Burgholz, Gemeinde Rot am See. Der Ovalbehälter mit 30 m³ Fassungsvermögen kann ohne Sondergenehmigung vom Hersteller zur Baustelle gefahren werden.

Foto: EnBW

Die Bauweise mit Fertigteilen aus Stahlbeton brachte schnelle Betriebsbereitschaft bei gleichzeitig hoher Belastbarkeit [4]. „Sämtliches Zubehör, auch die Löschwasserentnahmestelle, war Bestandteil der Lieferung und wurde von uns montiert“, erklärt René Zweigart. Er ist beim Hersteller Mall für Großprojekte verantwortlich. „So ist die Gewährleistung für das komplette Bauwerk in einer Hand“. Bei unterirdischen Löschwasserbehältern sind die Folgekosten niedrig, denn der Wartungsaufwand ist gering. Empfohlen wird in allen Bundesländern, dass Betreiber von Windenergieanlagen den vorbeugenden Brandschutz und das Anlegen von Löschwasservorräten in der Planungsphase mit ihrer Versicherung klären. Vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) gibt es dazu einen Leitfaden [5].

Literatur

  1. DFV-Empfehlung: Einsatzstrategien an Windenergieanlagen, 2008 (in Überarbeitung). www.feuerwehrverband.de/fachliches/publikationen/fachempfehlungen
  2. Schulz, Sascha: Windenergieanlagen und Brandgefahr. Blog Erneuerbare.Energien.NRW, EnergieAgentur.NRW, 15. März 2016
  3. DIN 14230:2012–09. Unterirdische Löschwasserbehälter. Beuth Verlag Berlin, 2012
  4. Mall-Umwelt-Info 02/2018. Aktuelle Informationen zur Bereitstellung von Löschwasser bei Windenergieanlagen. Hrsg.: Mall GmbH, Donaueschingen, 2018
  5. VdS 3523:2008–07 Windenergieanlagen (WEA), Leitfaden für den Brandschutz. Hrsg.: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV). VdS-Verlag Köln, 2008

Dipl.-Ing. Klaus W. König
Sachverständigen- und Fachpressebüro,
Überlingen.
www.klauswkoenig.com