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Explosionsschutz 18.06.2021, 11:14 Uhr

Bestimmung der Mindestzündenergie hybrider Gemische

Durch das Auftreten von brennbarem Staub in einer Brenngas-Luft-Atmosphäre können sich hoch entzündliche Gemische, sogenannte hybride Gemische, bilden. Im folgenden Beitrag werden Voraussetzungen für eine Explosion durch entzündliche Stäube untersucht.

Explosion in einer alten Halle. Foto: PantherMedia/michalz86

Explosion in einer alten Halle.

Foto: PantherMedia/michalz86

Das Vorhandensein eines Brenngases zeitgleich zu einem aufgewirbelten Staub-Luft-Gemisch kann die Explosionsgefährlichkeit und Zündempfindlichkeit des Staubes drastisch verstärken, obwohl das Brenngas in Konzentrationen weit unterhalb der jeweiligen unteren Explosionsgrenze (UEG) vorliegt [1-9].

Wann explodiert Brenngas im Gemisch mit brennbarem Staub?

Um eine Quantifizierung dieses Einflusses eines Brenngases auf einen brennbaren Staub zu bestimmen, ist eine Modifizierung der derzeit für die Prüfung der Mindestzündenergie (MZE) von Stäuben zugelassenen Apparaturen [10; 11] erforderlich. In einem Vorlagebehälter wird das Brenngas-Luft-Gemisch mit einer Konzentration g von etwa 50 % der unteren Explosionsgrenze über den Partialdruck des Brenngases pgas und dem Enddruck pfinal von 7 bar im Gefäß entsprechend Gleichung (1) hergestellt.

(1)

Zur Verringerung des Einflusses lokaler Vermischungen an der Druckfront in der Luft im modifizierten Hartmann-Rohr mit dem Brenngas-Luft-Gemisch wurde bei einer Versuchsreihe unter Zuhilfenahme der sogenannten Purge-Methode [12] das Hartmann-Rohr vor Aufwirbelung des Staubes mit dem Brenngas-Luft-Gemisch gespült.

Zur Versuchsvorbereitung wurden zunächst die Mindestzündenergie von zwei Speisestärken ohne zugemischtes Brenngas sowie die für den Versuchsaufbau spezifische untere Explosionsgrenze der Brenngase Methan und Wasserstoff bestimmt.

Die Versuchsdurchführung zur Bestimmung der Mindestzündenergie eines hybriden Gemisches orientiert sich an der normativen Bestimmung der Mindestzündenergie eines Staubes [10; 11]. Die Aufwirbelung des Staubes erfolgt über das im Vorlagebehälter befindliche Brenngas-Luft-Gemisch jeweils ohne voriges Spülen des Hartmann-Rohrs (Partialdruck-Methode) oder mit Spülen des Hartmann-Rohrs mit dem Brenngas-Luft-Gemisch (Purge-Methode). Die Versuchsergebnisse sind in Bild 1 dargestellt.

 

Bild 1 Graphische Darstellung der experimentellen Mindestzündenergie der hybriden Gemische aus einem brennbaren Staub und einem Gas gegenüber den reinen Stäuben (Speisestärke). Grafik: C. Wolf

Wo liegt die Grenze der Mindestzündenergie?

Neben der deutlichen Reduzierung der Mindestzündenergie konnten Zündungen im Grenzbereich der Anwendung der verwendeten Prüfapparatur festgestellt werden, welche vom Hersteller mit 4 mJ angegeben wurde [13]. Es wird angenommen, dass die tatsächliche Mindestzündenergie unterhalb der 4 mJ Grenze liegt. Eine abschließende Bestimmung ist aufgrund des Grenzbereiches der Anwendung nicht möglich.

Mit den gefundenen Ergebnissen konnte bestätigt werden, dass durch einfache Modifikationen der herkömmlichen Versuchsapparaturen eine Prüfung von hybriden Brenngas-Staub-Luft-Gemischen durchgeführt werden kann. Gleichzeitig weisen die sehr niedrigen Mindestzündenergien der hybriden Gemische darauf hin, dass aufgrund der signifikanten Reduzierung der Mindestzündenergie von Stäuben die allgemein verwendeten Prüfapparaturen an ihre Grenzen stoßen.

Nach der Fehleranalyse: Wie geht es weiter?

Die epistemischen Unsicherheiten wie beispielsweise das Ablesen der Spannung sowie der parasitären Kapazitäten, Induktivitäten und Widerstände wurden in [14] berechnet und bewertet. Die aleatorischen Unsicherheiten in Form des Turbulenzverhaltens des Staubes sowie lokaler Konzentrationsänderungen des Brenngas-Luft-Gemisches wurden durch eine erhöhte Anzahl an Versuchsdurchführungen auf ein akzeptables Maß reduziert. Eine konkrete Berücksichtigung des Energieverlustes aufgrund der im Kondensator zurückbleibenden Energie war jedoch aufgrund des hohen Aufwands nicht möglich, sodass bei der praktischen Anwendung der experimentell bestimmten Mindestzündenergien geeignete konservative Sicherheitsbeiwerte angewendet werden müssen.

Die höchste Priorität der erforderlichen Forschung sollte auf dem Gebiet der verlässlichen Erzeugung niedriger Funkenergien liegen. In den durchgeführten Versuchen wurde gezeigt, dass die unteren Bestimmungsgrenzen aktuell verwendeter Prüfapparaturen bereits erreicht werden, obwohl die Stäube in ihrer Reinform verhältnismäßig hohe Mindestzündenergien aufweisen. Die so gefundenen Versuchsapparaturen und -durchführungen können anschließend normativ festgelegt werden, um eine reproduzierbare und vergleichbare Bestimmung der Mindestzündenergie zu ermöglichen.

Den Beitrag in voller Länge finden Sie in der Printausgabe 5/6 der Technischen Sicherheit.

Literatur

  1. Pellmont G (1979) Explosions- und Zündverhalten von hybriden Gemischen aus brennbaren Stäuben und Brenngasen, ETH Zurich
  2. Addai E (2016) Investigation of Explosion Characteristics of Multiphase Fuel Mixtures with Air
  3. Amyotte PR, Eckhoff RK (2010) Dust explosion causation, prevention and mitigation: An overview. Journal of Chemical Health and Safety 17(1):15–28. 10.1016/j.jchas.2009.05.002
  4. Bartknecht W (1987) Staubexplosionen. Ablauf und Schutzmaßnahmen. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg, s.l.
  5. Eckhoff RK (2003) Dust explosions in the process industries, 3. Aufl. Chemical, Petrochemical & Process. Gulf Professional Pub, Amsterdam, Boston
  6. Mannan S (2014) Lees‘ process safety essentials. Hazard identification, assessment and control. Butterworth-Heinemann, Amsterdam
  7. Khalili I, Dufaud O, Poupeau M, Cuervo-Rodriguez N, Perrin L (2012) Ignition sensitivity of gas–vapor/dust hybrid mixtures. Powder Technology 217:199–206. 10.1016/j.powtec.2011.10.027
  8. Addai EK, Addo A, Abbas Z, Krause U (2017) Investigation of the minimum ignition temperature and lower explosion limit of multi-components hybrid mixtures in the Godbert-Greenwald furnace. Process Safety and Environmental Protection 111:785–794. 10.1016/j.psep.2017.09.003
  9. Ajrash MJ, Zanganeh J, Moghtaderi B (2016) Effects of ignition energy on fire and explosion characteristics of dilute hybrid fuel in ventilation air methane. Journal of Loss Prevention in the Process Industries 40:207–216. 10.1016/j.jlp.2015.12.014
  10. Europäisches Komitee für Normung (2016) Explosionsfähige Atmosphären. Teil 20–2: Werkstoffeigenschaften – Prüfverfahren für brennbare Stäube 29.260.20(ISO/IEC 80079–20–2:2016)
  11. E27 Committee Test Method for Minimum Ignition Energy of a Dust Cloud in Air. ASTM International, West Conshohocken, PA. 10.1520/E2019–03R07
  12. Han H, Chaudhari P, Bagaria P, Mashuga C (2018) Novel method for hybrid gas-dust cloud ignition using a modified standard minimum ignition energy device. Journal of Loss Prevention in the Process Industries 52:108–112. 10.1016/j.jlp.2018.02.005
  13. Cesana AG (2016) Handbuch zu MIKE. https://cesana-ag.ch/download/B021_070.pdf. Zugegriffen am: 28. Juli 2020
  14. Wolf C (2020) Herausforderungen bei der Bestimmung der Mindestzündenergien hybrider Gemische. Masterarbeit, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Priv.-Doz. Dr.-Ing. Marcus Marx
Ingenieurbüro KompEx, Paderborn. Dr.-Ing. Dieter Gabel
Fakultät für Verfahrens- und Systemtechnik, Institut für Anlagen- und Umwelttechnik, Abteilung Anlagentechnik und Anlagensicherheit, Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg.