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01.12.2018, 00:00 Uhr

Glimmtemperatur bei Nicht-Norm-Atmosphären

Die Glimmtemperatur von abgelagerten Stäuben wird durch Versuche nach DIN EN ISO/IEC 80079-20-2 auf einer heißen Oberfläche und unter Luftatmosphäre bestimmt. Abweichend von dieser Norm werden in dieser Arbeit die Glimmtemperaturen von Korkeichenmehl in Luftgemischen mit erhöhtem und vermindertem Sauerstoffgehalt sowie Brenngaszumischung untersucht. Auf Basis genannter Norm wurde der bestehende Versuchsaufbau dahingehend modifiziert. Ausgewertet wurden die Gaszusammensetzung mittels Fourier-Transformations-Infrarotspektrometer (FTIR-Spektrometer) sowie die Temperaturverläufe. Dabei wird ein Zusammenhang zwischen Sauerstoffvolumenanteil der Spülatmosphäre und Glimmtemperatur festgestellt. Letztere steigt erwartungsgemäß mit sinkendem Sauerstoffgehalt der Umgebungsluft und sinkt bei höheren Sauerstoffkonzentrationen. Die Ergebnisse der Versuche mit Methanbeimischung weichen nur unwesentlich von der Blindreihe ab. Lediglich bei den gemessenen Stoffkonzentrationen wurden Unterschiede festgestellt. Die bestimmte Glimmtemperatur ändert sich jedoch nicht.

Quelle: Otto von Guerike Universität Magdeburg

Quelle: Otto von Guerike Universität Magdeburg

Brennbare Stäube können Brennstoff für sowohl Brände als auch Explosionen darstellen. Unter anderem für diese Gefahren werden zu deren genaueren Beschreibung Sicherheitstechnische Kenngrößen (STK) bestimmt, die in standardisierten Versuchen reproduzierbar zu ermitteln sind. Eine dieser Kenngrößen für Staub ist die Glimmtemperatur (GT), welche für eine abgelagerte Staubschicht die geringste Temperatur einer heißen Oberfläche bezeichnet, bei der sich das Staub-Luft-Gemisch unter vorgeschriebenen Versuchsbedingungen entzündet. [1]

Die Versuchsbedingungen zur Ermittlung der GT werden u. a. in der nationalen Version der europäischen Norm für elektrische Apparaturen in explosions­fähigen Atmosphären festgehalten, der DIN EN ISO/IEC 80079-20-2 vom Dezember 2016. Hier wird typische Luft mit einem Sauerstoffvolumenanteil von 21 % als Versuchsatmosphäre festgelegt [2]. Da diese in der Praxis nicht gegeben sein muss und theoretische Überlegungen zum Verhalten der GT bei unterschiedlichen Sauerstoffanteilen sich nicht auf praktische Versuche stützen können [3], beschäftigt sich diese Arbeit mit der Glimmtemperatur von Stäuben in anderen Atmosphären. Explizit andere Konzentrationen des Luftsauerstoffs, aber auch eine Beimischung von Brenngas in gewöhnliche Luft wurden hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die GT gegenüber der Normatmosphäre getestet. Dabei sollte insbesondere ermittelt werden, ob die Annahme, dass ein erhöhter Luftsauerstoffgehalt zu einer Verringerung der GT und umgekehrt eine Verminderung der O2-Konzentration zu einer höheren GT führt, bestätigt werden kann. Auch eventuell auftretende Auswirkungen einer Brenngasbeimischung sollten durch Laborversuche ermittelt werden.

Für eine zweckdienliche Datenerhebung müssen Versuchsaufbau und -ausführung möglichst wenig von denen der Norm abweichen, auch wenn zur Sicherstellung der Versuchsatmosphäre eine gespülte Umhausung für den bereits bestehenden Normversuch zum Einsatz kommt. Zum besseren Verständnis der Auswirkungen dieser Umhausung auf den Versuch sind im Vorfeld bereits Versuchsreihen durchgeführt worden [4]. Dennoch werden hierzu weitere Temperaturen erhoben (vgl. Versuchsaufbau).

Die Versuchsatmosphäre wird dabei kontinuierlich über die gesamte Versuchsdauer durch die Umhausung geleitet, um Verzerrungen des Versuchs durch Rauch bzw. Reaktionsprodukte zu vermeiden. Dies deckt sich mit dem Ziel der Praxisnähe, zielt doch die DIN EN ISO/IEC 80079-20-2 auf die Erhebung von in der Praxis anwendbaren sicherheitstechnischen Kenngrößen ab.

Es wird ausschließlich Korkeichenmehl als Probe herangezogen. Zum einen steht bei dieser Arbeit die Untersuchung der Auswirkungen der unterschiedlichen Atmosphären im Vergleich zueinander im Vordergrund, wofür zwingend die gleiche Probe verwendet werden muss. Zum anderen sind die Versuche bereits für eine Probe derart ressourcenintensiv, dass eine breite Datenerhebung aller denkbaren Kombinationen von Stäuben und Atmosphären für eine vereinfachte Anwendung der STK ohnehin unzweckmäßig wäre.

Versuch

Versuchsaufbau

Der Versuchsaufbau basiert auf der DIN EN ISO/IEC 80079-20-2. Die entscheidende Abweichung bildet die Umhausung samt Gasleitungen, die zur Bildung und Erhalt der gewünschten Atmosphäre dienen (Bild 1).

Bild 1 Schematischer Versuchsaufbau (vgl. Tabelle 1). Quelle: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Bild 1 Schematischer Versuchsaufbau (vgl. Tabelle 1).

Foto: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Da insbesondere die Oberseite der Umhausung durch Konvektion und Strahlung erhitzt wird, ist diese metallisch ausgeführt, während die Seitenwände aus Sperrholz gefertigt sind, um die reflektierte Strahlung möglichst gering zu halten. Die Front bildet eine Acrylglasscheibe, um weiterhin Glimmerscheinungen der Staubprobe erkennen zu können. Die Kanten der Unterseite sind mit Moosgummi abgedichtet, um den Massenaustausch der Innenatmosphäre über die dafür vorgesehenen Leitungen sicherzustellen. Bis auf die Auslassöffnung verlassen sowohl diese Schläuche, die Kabel aller Thermoelemente als auch das Netzkabel der Heizplatte die Umhausung durch eine Durchführung an der Rückseite. Ohne Inhalt hat die Umhausung ein Volumen von etwa 150 l. Die regulären Anforderungen entsprechend DIN EN ISO/IEC 80079-20-2, insbesondere aber auch die Fehlergrenzen der eingesetzten Regler und Messwerkzeuge in ungünstigster Kombination, werden eingehalten [5].

Als Teststaub dient Korkeichenmehl, das aus einem einzigen Mahl- und Siebgang gewonnen wurde, um möglichst gut vergleichbare Ergebnisse zu erhalten. Zudem ist so ein Bezug zu den Vorversuchen herzustellen. Das Korkmehl hat einen Heizwert Hu von 21.611 kJ/kg, Brennwert Ho von 23 184 kJ/kg sowie lufttrocken folgende Zusammensetzung (Tabelle 2).

 

Tabelle 1 Erläuterungen zu Bild 1. Quelle: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Tabelle 1 Erläuterungen zu Bild 1.

Foto: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

 

 

 

Tabelle 2 Chemische Zusammensetzung des verwendeten Korkeichenmehls. Quelle: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Tabelle 2 Chemische Zusammensetzung des verwendeten Korkeichenmehls.

Foto: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

 

Die gewünschte Atmosphäre wird über einen Schlauch (vgl. Tabelle 1 Nr. 8) in die Umhausung geleitet, der unter der Heizplatte endet. Damit ist die Entfernung zur Auslassöffnung (vgl. Tabelle 1 Nr. 2) möglichst groß und die Probe ist vor hohen Strömungsgeschwindigkeiten geschützt. Dies dient einer möglichst gleichmäßigen Verteilung der Spülatmosphäre und verhindert ein Aufwirbeln des Staubes. Insbesondere letzteres ist notwendig, da in Vorversuchen ein für diesen Aufbau optimaler Volumenstrom von 50 l/min Spülatmosphäre ermittelt wurde, um die Atmosphäre in der Umhausung auch bei starker Rauchemission konstant zu halten.

Der über Nr. 6 (in Bild 1) zugeführte Luftstrom wird durch einen Volumenstromregler so konstant gehalten, dass dieser in Summe mit dem beigemischten Gas bei rechnerisch 50 l/min liegt. So bleiben die Abweichungen des Volumenstroms möglichst gering, auch wenn das gewünschte Mischungsverhältnis manuell eingestellt und über das jeweilige gespeiste Messgerät gemessen wird.

Versuchsbedingt ändern sich unabhängig des in Bild 1 konstanten Teils des Versuchsaufbaus die an Nr. 7 anliegenden Gase sowie das durch Nr. 10 gespeiste Messgerät. Hier lassen sich vier Szenarien unterscheiden (vgl. Tabelle 3):

 

Tabelle 3 Szenarien des Versuchsaufbaus in Abhängigkeit der Spülatmosphäre. Quelle: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Tabelle 3 Szenarien des Versuchsaufbaus in Abhängigkeit der Spülatmosphäre.

Foto: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Von der Blindreihe I abgesehen dient diese Auswahl der Messgeräte zum Einstellen und Halten des gewünschten Luft-Gas-Gemisches. In Szenario II wird der Luft reiner Stickstoff zugegeben, um einen geringeren Sauerstoffgehalt zu erzielen, da die restlichen Komponenten durchschnittlich weniger als 1 % vol von Luft ausmachen [6]. Daher wird in diesem Fall auch nur wie in Szenario III die Konzentration von Sauerstoff gemessen. Da der Helox 2 ausschließlich diese messen kann, im Szenario IV der Luft aber Methan beigemischt wird, kommt der Siemens Ultramat 23 zur kontinuierlichen Messung der Methankonzentration zum Einsatz. Obwohl auch das FTIR-Spektrometer Gasmet DX 4000 die Methankonzentration bestimmt, ist dessen Messung im 12,5-Sekunden-Takt zu langsam für eine sicherheitsrelevante Größe. Weitere Sicherheit bietet die Redundanz, um zu gewährleisten, unter der unteren Explosionsgrenze (UEG) von Methan zu bleiben, welche bei steigenden Temperaturen auch unter die bekannten 4,4 % vol fallen kann [7].

Nachfolgend sind sämtliche Abweichungen des Versuchsaufbaus zur DIN EN ISO/IEC 80079-20-2 abschließend aufgeführt:

  • Umhausung des Versuchsstandes
  • Zu- und Ableitungen zur Bildung und Messung der abweichenden Atmosphäre inkl. Messgeräte
  • Die geforderte Umgebungstemperatur von max. 35 °C [2] wird innerhalb der Umhausung nicht eingehalten (siehe Abschnitt Fehlerbetrachtung).
  • Es sind nur die Prüfungen bei Mindestzündtemperaturen und jene 10 K darunter angegeben, nicht sämtliche ±20 K.
  • Die Staubschicht ist 10 mm statt der von der Norm geforderten 5 mm dick und hat einen Durchmesser von 50 mm anstelle der 100 mm (vgl. [2]).

Versuchsdurchführung

Die verwendeten Messgeräte Helantec Helox 2, Siemens Ultramat 23 (sofern benötigt) werden vor Beginn eines jeden Versuchstages kalibriert. Mit dem FTIR-Spektrometer wird das Nullspektrum durch Spülung mit Stickstoff gemessen. Entsprechend Norm und Versuchsaufbau wird die Metallplatte via Regler auf die gewünschte Temperatur (Tabelle 4) erhitzt, bis diese konstant innerhalb der Hystereseschwankung verbleibt.

Tabelle 4 Ergebnistabelle nach DIN EN ISO/IEC 80079-20-2, versuchsbedingt erweitert. Quelle: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Tabelle 4 Ergebnistabelle nach DIN EN ISO/IEC 80079-20-2, versuchsbedingt erweitert.

Foto: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

 

Die Umhausung wird mit dem entsprechenden Gasgemisch gespült. Dabei werden die Werte der entsprechenden Gaskonzentrationsmessung nicht aufgezeichnet, sondern zum manuellen Einstellen und Halten der Zielatmosphäre genutzt und werden daher als konstant angenommen.

Sobald Zielatmosphäre und -temperaturen vorherrschen kann der Staub in den Metallring eingebracht werden (vgl. Bild 2).

Bild 2 in Metallring eingefüllte und abgezogene Staubprobe mit eingeführtem Thermoelement. Quelle: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Bild 2 in Metallring eingefüllte und abgezogene Staubprobe mit eingeführtem Thermoelement.

Foto: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Hier wird insbesondere darauf geachtet, den Staub möglichst locker in den Ring zu füllen, damit auch das Zwischenraumvolumen der Schüttung aus dem Gasgemisch besteht, auch wenn für das Einfüllen ein Anheben der Umhausung nötig ist und so eine Verunreinigung der Atmosphäre mit Umgebungsluft vorliegt.

Ist der überschüssige, über den Metallring hinausragende Staub abgezogen, wird die Umhausung geschlossen und die Aufzeichnungen der Temperatur- und FTIR-Spektrometer-Messungen gestartet. Weiterhin wird über die gesamte Versuchsdauer das manuell eingestellte Mischverhältnis des Spülgases beibehalten und die Probe durch die Acrylglasscheibe auf Glimmerscheinungen hin beobachtet. Mögliche Abbruchkriterien inkl. Bewertung der Versuche sind:

  • Abweichungen der Versuchsbedingungen entsprechend der Norm [2]
  • Abweichung der Sauerstoff­zielkonzentration im Gemisch von > 0,5 % vol
  • Abweichung der Methan­zielkonzentration im Gemisch von > 1,0 % vol

Ergebnis: Versuch misslungen, muss wiederholt werden

Erfüllung mindestens eines Zündkriteriums nach Norm [2]:

  • Sichtbare Glimm- oder Flammenerscheinung
  • Probentemperatur von 8 450 °C
  • Probentemperatur übersteigt Plattentemperatur um 8250 °C Ergebnis: Entzündung

Erreichen der maximalen Versuchsdauer von 1 h bzw. 2 h ohne weiteres Abbruchkriterium Ergebnis: keine Entzündung

Messwerte und Ergebnisse

Sauerstoffbeimischung

Entsprechend den Thermoelementen aus Bild 1 bezeichnen

t1 Platte: die Oberflächentemperatur der Heizplatte in °C,

t2 Probe: die Temperatur in der Mitte der Staubprobe in °C,

t3 Um.i.: die Umgebungstemperatur innerhalb der Umhausung in °C und

t4 Um.a.: die Umgebungstemperatur außerhalb der Umhausung in °C.

Tabelle 4 gibt die Versuchsergebnisse in Anlehnung an die Ergebnistabelle nach DIN EN ISO/IEC 80079-20-2 wieder. Bereits deren Werte bestätigen die Annahme, dass die GT mit steigender O2-Konzentration sinkt und bei fallender O2-Konzentration entsprechend steigt. Bild 3 zeigt die Temperatur- und Konzentrationszeitverläufe der Versuche mit Entzündung je Sauerstoffkonzentration.

Bild 3 Temperatur- und Konzentrationsverläufe der Versuche mit Entzündung in Abhängigkeit der Sauerstoffkonzentration. Quelle: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Bild 3 Temperatur- und Konzentrationsverläufe der Versuche mit Entzündung in Abhängigkeit der Sauerstoffkonzentration.

Foto: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Da eine Entzündung der Probe nur für

QZU = QPLATTE+QSTAUB>Qab   (1)

eintritt, wobei die zugeführte Wärme QZU dem Wärmestrom von Heizplatte in Staub als auch möglicher durch den Staub entwickelten Wärme entspricht, muss für eine Entzündung die heiße Oberfläche ausreichend heiß sein, um nach den Gesetzen der Wärmeleitung einen Wärmestrom in den Staub zu bedingen, der größer als der abgeführte Wärmestrom ist und so die GT erwirkt.

Der einzige und entscheidende Unterschied von Zündung zu Nicht-Zündung der in Bild 4 dargestellten Versuche Nr. 1 und Nr. 2 ist die eingestellte Temperatur.

Bild 4 Vergleich der Temperatur- und Konzentrationsverläufe von Zündung und Nicht-Zündung bei 21 % vol O2. Quelle: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Bild 4 Vergleich der Temperatur- und Konzentrationsverläufe von Zündung und Nicht-Zündung bei 21 % vol O2.

Foto: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Diese ist demnach Ursache für eine Entzündung mit früheren, steileren und längeren Anstiegen sowie höheren Maxima der gemessenen Temperaturen und Konzentrationen. Eine höhere Plattentemperatur lässt die Aufheizrate steigen [8,9], da der Wärmeübertrag von der heißen Oberfläche in den Staub per Wärmeleitung geschieht [10] und ist damit auch hauptverantwortlich für die Entgasungsraten dieser Versuche [8], da die Versuchs- und Stoffparameter wie Korngröße u. a. konstant bleiben. Gleiches gilt für den Wärmestrom von Heizplatte in die Staubprobe, den die Temperatur nach Fourier proportional beeinflusst [11]. Ist dieser größer als der abführende Wärmestrom, zündet die Probe (Bild 5).

Bild 5 Abhängigkeit der Induktionszeit von der Wärmestromdichte bei der Zündung von Staubschichten unterschiedlicher Dicke (Derner-Normalkohle) [10,18].

Bild 5 Abhängigkeit der Induktionszeit von der Wärmestromdichte bei der Zündung von Staubschichten unterschiedlicher Dicke (Derner-Normalkohle) [10,18].

Da die Umsetzung des Kohlenstoffs von der Sauerstoffkonzentration abhängt, lässt sich nach Arrhenius über den Sauerstoffpartialdruck auch die Berechnung der Reaktionsgeschwindigkeitskonstante einbeziehen [8]. Ein verminderter Sauerstoffgehalt äußert sich somit in einer verminderten Wärmefreisetzungsrate (HRR) [3,12]. Für eine Entzündung ist daher eine höhere Heizplattentemperatur erforderlich, um diesen Wegfall zu kompensieren [3]. Ein Anstieg der Sauerstoffkonzentration kann demnach auch bei einer verminderten Temperatur eine Zündung bedingen.

Für die Versuche mit Entzündung nach Bild 3 ist anzunehmen, dass sie unterschiedlich stark von Heizplattentemperatur und Sauerstoffkonzentra­tion beeinflusst werden.

So ist mit steigender Temperatur und der daraus resultierend höheren Aufheizrate eine Zündung frühzeitiger zu beobachten, mit steigendem O2-Gehalt fällt die Reaktion für den Fall einer Zündung allerdings deutlich heftiger aus. So kam es bei der Zündung mit 24 % vol Sauerstoff auch zur Flammenerscheinung (Bild 6), obwohl die Heizplatte mit 280 °C die niedrigste Temperatur aller Versuche mit Zündung aufweist.

Bild 6 Deutliche Flammenerscheinung bei Versuch Nr. 10 (Entzündung bei 280 °C Plattentemperatur und 24 % O2 vol). Quelle: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Bild 6 Deutliche Flammenerscheinung bei Versuch Nr. 10 (Entzündung bei 280 °C Plattentemperatur und 24 % O2 vol).

Foto: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Dennoch müssen beide Parameter Mindestwerte aufweisen, da die Oxidation des Schwelgases auf Sauerstoff angewiesen ist und die Temperatur unter anderem die Wärmeströme bedingt. Eine zu geringe Temperatur kann demnach nicht mit einem Überangebot an Sauerstoff kompensiert werden.

Auch der Zeitpunkt der Entzündung scheint sowohl in Abhängigkeit von Sauerstoffgehalt als auch der Heizplattentemperatur zu stehen. Nach Tabelle 4 zünden, ohne Betrachtung möglicher zufälliger Fehler, die Proben bei 18 % vol O2 und 24 % vol O2 deutlich schneller als die Blindprobe bei 21 % vol O2. Ähnlich verhält es sich mit den Probentemperaturen (vgl. Bild 3). Der Einfluss des Sauerstoffs fällt dabei jedoch erst nach der Zündung wesentlich ins Gewicht, da sich die Reaktionen vor der Zündung auf die Pyrolyse oder nicht zur Entzündung der Probe ausreichende Verbrennungsreaktionen beschränken.

Bild 7 zeigt, dass Kohlenstoffmonoxid- und Methanemissionen von der Temperatur abhängen.

Bild 7 Vergleich der Konzentrationszeitverläufe von CO und CH4 der Versuche ohne Zündung bei 18 % vol O2, 21 % vol O2 und 24 % vol O2. Quelle: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Bild 7 Vergleich der Konzentrationszeitverläufe von CO und CH4 der Versuche ohne Zündung bei 18 % vol O2, 21 % vol O2 und 24 % vol O2.

Foto: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Interpretiert man das gemessene Methan aufgrund des vernachlässigbaren Methananteils der zur Herstellung der Spülatmosphäre verwendeten Luft als Bestandteil des der Probe entweichenden Pyrolysegases, so lässt sich durch den annähernd proportionalen Verlauf der CO-Konzentrationskurve ableiten, dass auch dieses nur durch Pyrolyse der Probe und nicht durch unvollständige Verbrennung entstanden sein kann. Dies bestätigt die Temperaturabhängigkeit des Schwelgasmassenstroms und deckt sich mit den Ergebnissen der gemessenen Schwefeldioxidkonzentrationen.

Bei einer Spülatmosphäre mit einem Sauerstoffgehalt von 15 % vol O2 konnte die Probe auch bei maximaler Heizplattentemperatur von 500 °C nicht zur Entzündung gebracht werden. Auch wenn bei diesem Versuch das Thermometer ausgefallen ist, bestätigen die Konzentrationsverläufe (Bild 8), dass es zu keiner Entzündung nach den Kriterien gekommen ist, vergleicht man CO-Konzentrationszeitverläufe verschiedener Versuche mit und ohne Entzündung (vgl. Bild 4).

Bild 8 Temperatur- und Konzentrationszeitverläufe des Versuchs Nr. 9 bei 15 % vol O2 und 500 °C Plattentemperatur. Quelle: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Bild 8 Temperatur- und Konzentrationszeitverläufe des Versuchs Nr. 9 bei 15 % vol O2 und 500 °C Plattentemperatur.

Foto: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Besonderheiten ergaben die Messwerte der Schwefeldioxidkonzentrationen. Da das Pyrolysegas keinen Schwefel enthält [13] und SO2 in diesem Versuch nur durch Oxidation der organischen Probe entstehen kann (kein SO2 in der zur Herstellung der Atmosphäre herangezogenen Luft [6] und Schwefel in der Probe durch Elementaranalyse nachgewiesen (Tabelle 2)), ist allein durch den qualitativen Nachweis ein oxidativer Um­- satz der Probe auch unterhalb des Niveaus der Zündkriterien nachgewiesen (Bild 9).

Bild 9 CO- und SO2-Konzentrationszeitverläufe der Versuche Nr. 4 und 10. Quelle: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Bild 9 CO- und SO2-Konzentrationszeitverläufe der Versuche Nr. 4 und 10.

Foto: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Dies deckt sich mit den teils deutlich verkohlten Proben nach 1 h bzw. 2 h Versuchszeit ohne Entzündung (Bild 10).

Bild 10 Deutlich sichtbare Verkohlung der Probe ohne Erfüllung eines Zündkriteriums. Quelle: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Bild 10 Deutlich sichtbare Verkohlung der Probe ohne Erfüllung eines Zündkriteriums.

Foto: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Die SO2-Konzentrationen etwa der Versuche Nr. 4 und Nr. 10 zeigen, anders als bei gemessenem CH4, einen von den Konzentrationsverläufen von CO weitgehend unabhängigen Verlauf. Da ein Anstieg der SO2-Konzentration wiederholt auch erst Minuten nach den Maxima der CO-Verläufe zu beobachten ist und die CO- und SO2-Peaks der beiden dargestellten Versuche unterschiedliche Verhältnisse aufweisen, findet die Pyrolyse der Probe folglich vor der Oxidation des Schwefels statt.

Methanbeimischung

Den Spülatmosphären der Versuche Nr. 14 und Nr. 15 wurde 2 % vol Methan beigemischt (Tabelle 4). Hinzu kommt das Schwelgas der Probe. Da damit in etwa die halbe Konzentration der UEG erreicht ist, liegt ein hybrides Gemisch vor, auch wenn der Staub abgelagert vorliegt [14]. Anders als bei den Explosionsgrenzen [15,16] hat dies nach dieser Versuchsreihe jedoch keinen Einfluss auf die GT (vgl. Tabelle 4 und Bild 11).

Bild 11 Vergleich der Temperatur- und Konzentrationszeitverläufe von Versuchen mit Luft und Luft-Methan-Gemisch (Versuche Nr. 1 und Nr. 14, je Entzündung bei 300 °C). Quelle: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Bild 11 Vergleich der Temperatur- und Konzentrationszeitverläufe von Versuchen mit Luft und Luft-Methan-Gemisch (Versuche Nr. 1 und Nr. 14, je Entzündung bei 300 °C).

Foto: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Nach Bild 11 sind die Temperaturverläufe des Versuchs mit 2 % vol Methan in der Spülatmosphäre nahezu identisch mit denen der Blindprobe. Das Maximum des CO-Ausstoßes der Blindprobe ist zwar größer, offen bleibt aber, ob dies an zufälligen Fehlern oder dem bei konstantem Volumenstrom der Spülatmosphäre durch die Beimischung des Methans verringerten Sauerstoffgehalt von knapp einem halben Prozent liegt.

Insbesondere aber unterscheiden sich die gemessenen Schwefeldioxidkonzentrationen der Versuche mit Methanbeimischung von jenen ohne CH4. So wurden bei diesen Versuchen über den gesamten Versuchsverlauf relativ hohe Werte von durchschnittlich etwa 50 ppm und noch höheren Peaks gemessen, lagen die Werte sonst durchschnittlich im niedrigen, einstelligen ppm-Bereich (vgl. Bild 11).

Fehlerbetrachtung

Ein Vergleich der Temperaturzeitverläufe (Bild 12) von Versuchen mit unterschiedlichen Plattentemperaturen, darunter die niedrigste sowie höchste für diese Versuchsreihe eingestellten Temperaturen, ergibt eine mittlere Differenz von etwa 30 K von innerer zur äußeren Temperatur, lässt man die Innentemperatur bei 500 °C Plattentemperatur außer Acht, ist diese ohnehin nur begrenzt aussagekräftig.

Bild 12 Temperaturzeitverläufe innerhalb und außerhalb der Umhausung bei 270 °C, 300 °C und 500 °C Plattentemperatur. Quelle: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Bild 12 Temperaturzeitverläufe innerhalb und außerhalb der Umhausung bei 270 °C, 300 °C und 500 °C Plattentemperatur.

Foto: Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg

Die zulässige Versuchsbedingung nach Norm von max. 35 °C Umgebungstemperatur [2] wird dabei im Mittel um etwa 20 K überschritten.

Die daraus resultierenden Einflüsse auf die Versuche sind jedoch geringer als die der durch systematische und zufällige Fehler bedingten Schwankungen der Messwerte. Ein Vergleich mit und ohne Umhausung hat in Versuchen keine Änderung der nach Norm auf 10 K gerundeten GT zur Folge [4]. Zudem legen theoretische Überlegungen nahe, dass höhere Temperaturen der die Probe umgebenden Atmosphäre ebenfalls in einer geringeren GT resultieren [3] und sollte die erhöhte Innentemperatur dennoch einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Bestimmung der GT haben, so ist es im Sinne dieser Arbeit, dass die erhobenen Glimmtemperaturen wenn überhaupt zum Konservativen verfälscht sind.

Fazit

Die Abhängigkeit der Glimmtemperatur vom Sauerstoffgehalt der die Probe umgebenden Atmosphäre kann wie erwartet bestätigt werden. Ob aber Abweichungen von der maximal zulässigen Oberflächentemperatur inkl. des Sicherheitsabstandes von 75 K zur GT [17] in der Praxis möglich oder nötig sind, ist im Einzelfall zu prüfen.  TS711

 

Literatur

[1] Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie, Ex-Schutz-Wissen, https://www.bgrci.de/exinfode/ex-schutz-wissen/expertenwissen/brennbare-staeube/313-was-bedeuten-die-begriffe-mindestzuendtemperatur-einer-staubschicht-und-glimmtemperatur/.

[2] DIN EN ISO/IEC 80079-20-2: Explosionsfähige Atmosphären – Teil 20-2: Werkstoffeigenschaften – Prüfverfahren für brennbare Stäube; Berlin: Beuth-Verlag 2016.

[3] Hesener, Dr. U.; Beck, M.; Kampe, B.: Sicherheitstechnische Kenngrößen von Stäuben bei nicht-atmosphärischen Bedingungen, 2015.

[4] Finke; Hudalla; Eicher: Glimmverhalten von Staubschichten unter vermindertem Sauerstoffvolumenanteil, Magdeburg, 2018.

[5] Vorwerk, P.: Aufbau eines neuen Versuches zur Bestimmung der Glimmtemperatur. Bachelorarbeit, 2018.

[6] TU Braunschweig, Bestandteile der Luft, available at http://www.pci.tu-bs.de/aggericke/PC5/Kap_IV/Bestandteile.htm (accessed on September 23, 2018).

[7] Hirsch, W.; Brandes,E.: Sicherheitstechnische Kenngrößen bei nichtatmosphärischen Bedingungen: Gase und Dämpfe, 2014.

[8] Wen, T.; Bernhardt, D.; Gebauer, K.; Beckmann, M.: Zünd- und Abbrandverhalten von staubförmigen Brennstoffen.

[9]  Binkau, B.; Wanke, C.: Vergleich verschiedener Methoden zur Bestimmung der Aktivierungsenergie von brennbaren Stäuben in Mischungen mit Interstoffen und Inhibitoren.

[10] Steen, H.: Handbuch des Explosionsschutzes, Wiley-VCH, Weinheim, 2009.

[11] Specht, E.: Wärme- und Stoffübertragung in der Thermoprozesstechnik: Grundlagen, Berechnungen, Prozesse, Vulkan-Verl., Essen, 2014.

[12] Alibert, D.; Coutin, M. Mense, M.; Pizzo, Y.; Porterie, B.: Effect of oxygen concentration on the combustion of horizontally-oriented slabs of PMMA, Fire Safety Journal 91 (2017) 182–190.

[13] Maaß, F.: Pyrolyse – Aktuelle Entwicklungen. Bachelorarbeit, 2015.

[14] VDI- Richtlinie 2263: Staubbrände und Staubexplosionen; Gefahren, Beurteilung, Schutzmaßnahmen. Richtlinienreihe VDI Juli 2018.

[15] Krause, U.: Vertiefung Explosionsschutz, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Wintersemester 17/18.

[16] Kwasi Addai, E.; Gabel, D.; Krause, U.: Ignition and explosion behaviour of hybrid mixtures of two and three components.

[17] Krause,U.: Bestimmung der Mindestzündtemperatur abgelagerter Stäube (Glimmtemperatur).

[18] Krause, U.: Zündgefahren lagernder Staubschüttungen und -schichten: Berechnungsmethoden und Diagramme für die Praxis, VDI-Verl., Düsseldorf, 1996.

Von Yannik Eicher, Dieter Gabel

Yannik Eicher, Dieter Gabel, Fakultät für Verfahrens- und Systemtechnik, Institut für Anlagen- und Umwelttechnik, Abteilung Anlagentechnik und Anlagensicherheit, Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg.