Sicher Arbeiten in großer Höhe
Allein zwischen 2009 und 2018 verzeichnete die BG BAU über 85.000 Absturzunfälle. In 308 Fällen sogar mit Todesfolge. Mithilfe von digitalen Schulungen für die richtige Anwendung von Schutzausrüstung lassen sich Mitarbeiter für die Gefahr des Absturzes sensibilisieren. Damit lässt sich möglicherweise die Zahl der Abstürze mit Todesfolge verringern.
Ein Gebäudedach, das repariert werden muss, ist per se nicht stabil und ein Balkon ohne Geländer, an dem dieses montiert werden muss, ist nicht absturzgesichert. Auch das Decken eines Daches birgt die Gefahr des Abrutschens. Das Arbeiten in großer Höhe bringt also an sich die tödliche Gefahr des Absturzes mit sich, ohne dass dem ausgewichen werden kann. Durch Fehler lernen ist hier keine gute Idee. Vorbeugen ist angesagt. Digitaler Arbeitsschutz macht erlebbar, was im realen Leben nicht geht: Die Simulation eines „Absturzes“ zum Beispiel. Die BG Bau verzeichnete über 85.000 Absturzunfälle zwischen 2009 und 2018 und will die Zahl nun mit zukunftsweisenden Technologien verringern.
Wie digitaler Arbeitsschutz das Absturzrisiko verringern kann
Viele Unfälle passieren, weil Beteiligte sich der Risiken nicht bewusst sind oder Schutzausrüstung manipuliert oder falsch angewendet wird. So können zum Beispiel mittels Videoanalyse Schwachstellen gezielt festgestellt werden, sodass Durchbruchunfälle auf maroden Dächern eingeschränkt oder ganz vermieden werden können. Eine weitere Möglichkeit für digitalen Arbeitsschutz ist das Arbeiten auf einer virtuellen Baustelle, die die BGBau auf der DACH+Holz im Januar vorstellte. Die Besucher konnten Arbeiten auf hohe gelegenen Baustellen selbst testen [1]. Dabei sollen Risiken erkannt und Unfällen vorgebeugt werden. Ergänzt werden Maßnahmen des digitalen Arbeitsschutzes durch angewandte Schutzmaßnahmen.
Persönliche Schutzausrüstung – die Verbindung zählt
Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) ist ein heikles Thema, denn oft fehlt das Verständnis für die richtige Anwendung. Dies fängt schon bei der richtigen Auswahl der Produkte an. Denn beim Nutzergewicht kommt es auf das Verbindungsmittel an! [2] Werden Personen, die in großer Höhe arbeiten über eine PSAgA gesichert, geht es nicht nur um Festigkeiten der Gurtbänder und Metallteile. Eine Absturzsicherung funktioniert folgendermaßen: Die Person zieht einen Auffanggurt an. Dabei ist es wichtig, dass der Gurt gut sitzt. Dann wird ein Verbindungsmittel mit Karabinern befestigt. Das Prinzip des Verbindungsmittels DSL (Dynamic Self-Retracting Lanyard) entspricht dabei einem Sicherheitsgurt im Auto. Bei ruckartiger Belastung wird das Gurtband gestoppt und der Fall gebremst. Der Vorteil: Es passt sich der jeweiligen Arbeitssituation flexibel an (Bild 1).
Falldämpfer und Anschlagspunkt – Rechnen für die Sicherheit
Für die Absturzsicherung aus großer Höhe gibt es verschiedene Arten von Verbindungsmitteln. Diese sollten entsprechend der Norm geprüft sein (siehe Kasten).
Standards für Verbindungsmittel
Sicherungsmittel können z. B. nach EN 355 oder EN 360 getestet sein. Dabei setzt die Norm minimal Voraussetzungen fest. Hersteller können diese Werte aber auch übertreffen. Sowohl im Nutzergewicht als auch in der Aufrisslänge. Die hilft dem Anwender Verletzungen vorzubeugen.
Benötigt wird immer ein Falldämpfer, der den Fall schnell und sanft bremst [2]. Auch der Anschlagpunkt des Verbindungsmittels ist enorm wichtig für die Sicherheit und den Schutz vor dem tödlichen Absturz. Optimalerweise muss die Sicherung über Kopf erfolgen, damit der Sturz schnell gebremst werden kann. Für die Errechnung der optimalen Zusammensetzung der Technik und der optimalen Höhe des Anschlagspunktes werden Apps angeboten, die die Sturzhöhe berechnen [3] (Bild 2).
Schnellspanngurte als Alternative zu PSAgA
Gerade bei niedrigen Sturzhöhen ist die Absicherung mit PSAgA schwierig, da das Verbindungselement eine gewisse Fallhöhe voraussetzt. Zudem ist die richtige Anwendung nötig. Wer auf Nummer Sicher gehen will, sichert mittels kollektiver Schutzmaßnahmen (z. B. Gerüst, Geländer, Absperrband) ab. Denn, so will es der Gesetzgeber, zunächst sind alle anderen technisch realisierbaren Schutzmaßnahmen zu erwägen, die einen Absturz sichern, bevor die PSAgA greift. Die persönliche Schutzausrüstung gilt im Arbeitsschutz immer als letzte Option, da sie mit gewissen Risiken verknüpft ist und nur mit der Eigenverantwortung der Mitarbeiter funktioniert. TS822
Literatur
- Die BG BAU auf der DACH+HOLZ International: Digital und sicher: Arbeitsschutz für den Bau von Morgen, Pressemitteilung vom 28.1.20, Presseportal, https://www.presseportal.de/pm/60172/4504367
- Spanset: „Niemals oben ohne“ Spanset-Infoveranstaltung Sept 2019, Falltests mit Verbindungsmittel, https://rb.gy/hwwtto
- Spanset: „Oben richtig APPsichern“ Pressemitteilung März 2020, https://rb.gy/azrtoh