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Forschung 21.07.2025, 10:00 Uhr

Nachhaltige Carbonfasern der nächsten Generation: vielseitig, leistungsstark und wirtschaftlich zukunftsfähig

Carbonfasern aus Cellulose verändern die Materialwelt: Sie sind leicht, leistungsstark, elektrisch und thermisch leitfähig – und zugleich ressourcenschonend und wirtschaftlich attraktiv. Das Fraunhofer IAP und die BTU Cottbus-Senftenberg entwickeln im Rahmen der Carbon Lab Factory Lausitz neuartige Carbonfasern der nächsten Generation. Die nachhaltigen Materialien bieten maßgeschneiderte Eigenschaften für Anwendungen in Wasserstofftechnologie, Elektronik und Mobilität.

Hauchdünn und leistungsstark: Die biobasierten Carbonfasern können Durchmesser von deutlich unter vier Mikrometern erreichen. Ihre mechanische, elektrische und thermische Performance erreicht dabei die, herkömmlicher erdölbasierter Carbonfasern. Foto: Fraunhofer IAP/Kristin Stein

Hauchdünn und leistungsstark: Die biobasierten Carbonfasern können Durchmesser von deutlich unter vier Mikrometern erreichen. Ihre mechanische, elektrische und thermische Performance erreicht dabei die, herkömmlicher erdölbasierter Carbonfasern.

Foto: Fraunhofer IAP/Kristin Stein

Carbonfasern sind heute unverzichtbar in einer Vielzahl technologischer Anwendungen – von Wasserstofftanks, Batterien und Brennstoffzellen bis hin zur elektromagnetischen Abschirmung sensibler Elektronik. Gemeinsam mit der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg entwickelt das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP neuartige Carbonfasern auf Basis von Cellulose. Diese Innovation verbindet strukturelle Flexibilität mit herausragenden elektrischen, thermischen und mechanischen Eigenschaften sowie einer konsequenten Nachhaltigkeit. Gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und begleitet durch die Wirtschaftsregion Lausitz GmbH, ist das Projekt Teil der Carbon Lab Factory Lausitz.

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Biobasierte Carbonfasern als Alternative zu petrochemischen Fasern

Herkömmliche Carbonfasern, wie sie etwa im Leichtbau eingesetzt werden, werden überwiegend aus Polyacrylnitril (PAN), einem erdölbasierten Polymer, gewonnen. Ihre Produktion ist energieintensiv, ressourcenaufwendig und verursacht toxische Nebenprodukte. Auch pechbasierte Carbonfasern mit exzellenten elektrischen und thermischen Eigenschaften sind kostenintensiv und technisch komplex in der Herstellung.

Das Fraunhofer IAP entwickelt dagegen eine neue Generation biobasierter Carbonfasern, die nicht nur leistungsfähig, sondern auch umweltfreundlich und wirtschaftlich attraktiv sind. Die Einsatzmöglichkeiten reichen weit über klassische Leichtbauanwendungen hinaus: In Batterien und Brennstoffzellen dienen sie als leitfähige, chemisch stabile und durchlässige Gewebestrukturen. Auch zur elektromagnetischen Abschirmung elektronischer Systeme eignen sie sich hervorragend.

Vielfältige Strukturkontrolle durch innovative Spinntechnologie

Die technologische Basis der neuen Fasern ist Cellulose, ein nachwachsender Rohstoff, der als Ausgangsmaterial für Präkursor-Fasern dient. Diese Präkursoren lassen sich durch industrielle Spinnverfahren wie Viskose- und Lyocelltechnologie oder alternative Umformverfahren zu endlosen Fasern verarbeiten. Additive wie Lignin, ebenfalls aus Holz gewonnen, können der Spinnlösung direkt zugesetzt werden, wodurch sich die Kohlenstoffausbeute bei der späteren Carbonisierung deutlich erhöht.

Ein wesentlicher Vorteil der Cellulose liegt in der gezielten Beeinflussung der Faserstruktur: Über das Spinnverfahren und die Parameter im Prozess lassen sich Porosität, Orientierung, Kristallinität und Querschnittsform der Fasern steuern. So entstehen spezifisch angepasste Fasergeometrien wie runde, ovale oder gelappte Querschnitte. Letztere bieten eine besonders große spezifische Oberfläche und eignen sich ideal als poröse Träger für permeable Elektroden in Redox-Flow-Batterien oder für Gasdiffusionslagen in Brennstoffzellen.

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Aktivierung durch Katalyse: hocheffiziente Carbonisierung

Nach dem Spinnen werden die cellulosischen Endlosfasern in ein wässriges Aktivierungsbad mit funktionellen Katalysatoren und Additiven überführt. Dabei wirkt die Cellulose wie ein Schwamm und nimmt die Reaktionskomponenten effektiv auf. Das Fraunhofer IAP hat ein Katalysatorsystem entwickelt, das die Carbonisierungstemperatur um mehr als 1 000 °C senkt. Dadurch wird die Prozessdauer reduziert und die Kohlenstoffausbeute auf 45 Gewichtsprozent erhöht (zuvor 15 %).

Durch die gezielte Steuerung von Temperatur, Verweilzeit und mechanischer Verstreckung im Carbonisierungsprozess lassen sich Faserdurchmesser unter 4 µm realisieren. Das ist besonders vorteilhaft für den Einsatz in Brennstoffzellen, da marktübliche Fasern meist bei 7 µm liegen.

Nachhaltige Hochleistungsfasern mit industrieller Perspektive

Die Verbindung von Spinnverfahren, Aktivierung und Carbonisierung ermöglicht die Herstellung spezifisch zugeschnittener Carbonfasertypen für ein breites Anwendungsspektrum. Dr. Jens Erdmann, Experte für biogene Carbonfasern am Fraunhofer IAP, hebt hervor: „Unsere Carbonfasern verbinden technische Höchstleistung mit Nachhaltigkeit: Ihre mechanischen Eigenschaften erreichen das Niveau erdölbasierter High-Modulus-Carbonfasern aus PAN – also das von Hochleistungs-Carbonfasern. Zudem zeigen sie eine elektrische und thermische Performance, wie man sie von pechbasierten Fasern kennt.“

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Skalierung in der Carbon Lab Factory Lausitz

Die Technikumsversuche am Fraunhofer IAP bestätigen das enorme Potenzial der neuen Carbonfasern. Im Rahmen der Initiative „Carbon Lab Factory Lausitz“ soll diese Technologie nun in den Pilotmaßstab überführt werden. Die neue Infrastruktur wird alle Wertschöpfungsschritte – von der Rohstoffaufbereitung über die Faserherstellung bis zur Bauteilintegration – in Deutschland abdecken. Initiiert von der TU Chemnitz und dem Institut für Leichtbau und Wertschöpfungsmanagement der BTU Cottbus-Senftenberg ist die Carbon Lab Factory ein länderübergreifendes Projekt für den Strukturwandel in der Lausitz und schafft eine weltweit einzigartige Forschungslandschaft für Carbonfasern.

Zukunftsfähigkeit durch ökologische und ökonomische Effizienz

„Wir spüren deutlich, dass das Interesse an nachhaltigen Materialien stetig wächst“, sagt Erdmann. „Doch ökologische Vorteile allein reichen nicht aus, um sich am Markt zu behaupten – auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit muss überzeugen. Genau hier setzen wir an: Uns ist es gelungen, ökologische Verantwortung mit technischer Exzellenz und ökonomischer Effizienz zu verbinden. Die Möglichkeit, die Eigenschaften unserer Fasern gezielt und flexibel anzupassen, eröffnet neue Anwendungsfelder und klare Wettbewerbsvorteile – ein entscheidender Schritt zur wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit.“

Von Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP/Rolf Müller-Wondorf