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Natur als Vorbild 03.07.2025, 12:00 Uhr

So erhalten Materialien durch laserstrukturierte Oberflächen neue Eigenschaften

Laserstrukturierte Oberflächen ermöglichen es, Materialien gezielt neue funktionale Eigenschaften zu verleihen. Das Verfahren basiert auf der Nachbildung natürlicher Mikrostrukturen und wird von Forschungseinrichtungen wie dem Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Universität des Saarlandes und dem Steinbeis-Forschungszentrum für Werkstofftechnik unter Leitung von Professor Frank Mücklich entwickelt und angewendet. Der folgende Beitrag beschreibt die Grundlagen, Anwendungen und Perspektiven dieser Technologie.

Frank Mücklich, Professor für Funktionswerkstoffe der Universität des Saarlandes und Leiter des Steinbeis-Forschungszentrums für Werkstofftechnik (MECS) im Labor für Atomsonden-Tomographie. Foto: Oliver Dietze/Universität des Saarlandes

Frank Mücklich, Professor für Funktionswerkstoffe der Universität des Saarlandes und Leiter des Steinbeis-Forschungszentrums für Werkstofftechnik (MECS) im Labor für Atomsonden-Tomographie.

Foto: Oliver Dietze/Universität des Saarlandes

Wenn Oberflächen von Materialien mit einer speziellen Lasertechnik behandelt werden, können diese ihre elektrischen, mechanischen oder hygienischen Eigenschaften verändern. So lassen sich unter anderem die elektrische Leitfähigkeit erhöhen oder die Anhaftung von Bakterien und Viren reduzieren. Professor Frank Mücklich von der Universität des Saarlandes ist Experte auf diesem Gebiet. Seit 30 Jahren leitet er den gleichnamigen Lehrstuhl, vor 15 Jahren gründete er das Steinbeis-Forschungszentrum für Werkstofftechnik und vor fünf Jahren die Firma Surfunction. Als Sprecher des Themennetzwerks Materialwissenschaft und Werkstofftechnik bei der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) ist er mit den aktuellen Fragestellungen des Fachgebiets vertraut.

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Vorbild Natur: Mikrostrukturen und ihre technische Umsetzung

Schon als junger Wissenschaftler stellte sich Mücklich die Frage, wie sich die feinen Strukturen aus der Natur auf technische Materialien übertragen lassen. „Die Blätter von Bäumen werden unterschiedlich von Regen benetzt, an einer Lotusblume etwa perlt Wasser ganz ab. Und eine Schlange kann sich nur mithilfe ihrer Hautschuppen rasch fortbewegen“, nennt der Materialforscher als Beispiel. Die Idee, diese mikroskopisch feinen Muster durch eine spezielle Lasertechnologie auf Oberflächen zu bringen, war die Folge. „Wir nutzen dafür das physikalische Prinzip der Interferenz, also der Überlagerung von Wellen. Dabei wird die Lichtintensität der Laserstrahlen so extrem in kleinen periodischen Mustern verdichtet, dass sie im wahrsten Sinne blitzschnell mikroskopische Strukturen auf den Oberflächen erschaffen“, erklärt der Saarbrücker Professor.

Frank Mücklich, Professor für Funktionswerkstoffe der Universität des Saarlandes und Leiter des Steinbeis-Forschungszentrums für Werkstofftechnik (MECS).

Foto: Oliver Dietze/Universität des Saarlandes

Direct Laser Interference Patterning: Verfahren und Anwendungsmöglichkeiten

Die Methode der direkten Laserstrahlinterferenzstrukturierung (Direct Laser Interference Patterning, DLIP) ermöglicht eine berührungslose Strukturierung mit Geschwindigkeiten bis zu einem Quadratmeter pro Minute auf nahezu allen festen Materialien. „Damit verändern wir die Eigenschaften von Oberflächen, um diese zum Beispiel reibungsärmer, weniger verschleißanfällig oder leitfähiger zu gestalten. Die Anwendungsgebiete sind sehr vielfältig. Wir helfen etwa der Automobilindustrie dabei, die mehr als 2 000 elektrischen Steckverbindungen, die ein E-Auto heute enthält, zuverlässiger und langlebiger zu gestalten“, sagt Mücklich. „Durch unsere Laserstrukturierung können Metalloberflächen bis zu 80 % besser als herkömmliche Steckverbindungen den Strom leiten und benötigen etwa 40 % weniger Kraftaufwand, um sie ineinanderzustecken. Diese spielt bei der Montage und der späteren Wartung in den weltweiten Werkstätten eine wesentliche Rolle, denn so können noch mehr Einzelstecker gebündelt und sparsamer verbaut werden“, nennt der Materialwissenschaftler als Vorteil.

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Weltraumeinsatz und medizinische Anwendungen der laserstrukturierten Oberflächen

Bei der ISS-Mission von ESA-Astronaut Matthias Maurer vor drei Jahren wurde die Forschung auch unter Weltraumbedingungen getestet. Die laserstrukturierten Materialien trugen dazu bei, dass Bakterien und andere Mikroorganismen weniger an Oberflächen haften blieben. Inzwischen wurden über 900 Proben bei Weltraummissionen analysiert. „Derzeit entwickeln wir beispielsweise neuartige Oberflächen für Stents, die bei Herzoperationen eingesetzt werden, damit diese nicht vom menschlichen Körper als Fremdkörper wahrgenommen werden und Entzündungen auslösen. So ließe sich im Erfolgsfall der Antibiotikaeinsatz nach einer Operation reduzieren und auch die Thrombosegefahr im Inneren der Stents senken, weil die roten Blutkörperchen nicht mehr an der inneren Oberfläche der Stents verklumpen können“, erläutert Mücklich.

Beitrag zur Kreislaufwirtschaft und Rückverfolgbarkeit von Werkstoffen

Die Lasertechnologie eignet sich nicht nur für Metalle, sondern auch für Glas, Keramik und Kunststoffe und wird daher im Kontext des Plagiatsschutzes eingesetzt. „Das lässt sich auf alle Werkstoffe und Bauteile übertragen, deren Herstellungsprozess fälschungssicher zurückverfolgt werden soll“, erklärt der Materialforscher. Ein weiterer Aspekt ist der Verzicht auf chemische Substanzen für die Oberflächenbehandlung. „Dies ist auch wesentlich für die Circular Economy, also eine schrittweise, immer konsequentere Kreislaufwirtschaft, bei der möglichst viele Werkstoffe vollständig recycelt werden können. Je weniger chemische Beschichtungen wir einsetzen und dadurch in Zukunft Materialien auch sortenreiner und sparsamer verbauen, desto einfacher lassen sie sich auch wieder demontieren und in einem Kreislaufprozess wiederverwenden“, sagt Professor Mücklich. Dabei seien neue Konstruktionsansätze erforderlich, um Produkte so zu gestalten, dass sie einfacher zu reparieren und am Lebensende sortenrein zerlegt werden können.

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Kurzporträt: Materialforscher Frank Mücklich

Mücklich leitet an der Universität des Saarlandes den Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe sowie die Europäische Schule für Materialforschung (EUSMAT). Er ist Gründungsdirektor des Material Engineering Center Saarland (MECS) und Sprecher der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) für die Materialforschung. Für seine Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet, zuletzt 2023 mit der Heyn-Denkmünze der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde. Der gebürtige Dresdner ist Mitbegründer der Firma Surfunction, die laserbasierte DLIP-Technologie für industrielle Anwendungen bereitstellt. Projekte in Kooperation mit NASA und ESA, etwa unter Betreuung von ESA-Astronaut Matthias Maurer, zählen zu den bekannten Forschungsaktivitäten.

Von Universität des Saarlandes / Rolf Müller-Wondorf