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+++ Exklusiver Fachartikel +++ 30.06.2025, 09:00 Uhr

Upgraden von Graugusskonstruktionen

Erhöhte Anforderungen bringen bestehende Aufspann-, Mess- und Prüfplatten aus Grauguss an ihre Grenzen. Anstatt einer Neuanschaffung mit veränderter Geometrie wird eine einfache Methode des Retrofittings vorgestellt, um Steifigkeiten und Eigenfrequenzen zu verbessern.

Bild 1: Querschnitt durch ertüchtigte Aufspann-, Mess- und Prüfplatte. Foto: Durcrete

Bild 1: Querschnitt durch ertüchtigte Aufspann-, Mess- und Prüfplatte.

Foto: Durcrete

Die Welt ändert sich und somit auch die Anforderungen an bestehende Maschinen und Prüfeinrichtungen. Vor einer Neukonstruktion und Neuanschaffung ist es sinnvoll Überlegungen und Berechnungen anzustellen, ob ein „Upgrade“ der bestehenden Technik nicht eine preiswertere, schnellere und nachhaltigere Lösung der Herausforderung darstellt. Die Umstellung auf E-Mobility bringt es mit sich, dass elektrische Antriebe und die zugehörigen Getriebe deutlich höhere Drehzahlen aufweisen als Verbrennermotoren. Es treten Drehzahlen in einer Höhe von bis zu 30 000 rpm auf, welche die bisher ruhig liegenden Aufspann-, Mess-, Prüf- oder Nutenplatten zu Resonanzen anregen und somit eine gleichmäßige Bearbeitung oder eine ungestörte Messung unmöglich machen. Nun sind die üblicherweise eingesetzten Platten aus Grauguss nicht nur wertvolles Investitionsgut. Eine neue, steifere Platte wird auch andere geometrische Abmessungen aufweisen und deshalb zusätzliche bauliche Veränderungen und Kosten auslösen.

Lösungsansätze für eine Ertüchtigung

Die einfachste Lösung fast aller Problemstellungen ist eine Erhöhung der Anzahl der druck- und zugfesten Auflagerpunkte. Durch die Verringerung der Spannweiten wird die Konstruktion deutlich versteift. Leider verhindert in vielen Fällen die Geometrie der Aufspannplatte, die erforderliche Auflagerung auf Luftlager, die erhöhten Montagekosten oder die bestehenden Platzverhältnisse eine derartige Lösung.

Eine weitere Lösung ist es, unter die bestehende Konstruktion eine weitere Plattenkonstruktion zum Beispiel aus Guss, geschweißtem Blech oder einer verfüllten Stahlschweisskonstruktion anzuordnen. Um eine Steifigkeitserhöhung zu erreichen, müssen beide Platten miteinander schubsteif verschraubt, verklebt oder verklemmt werden. Ein Beispiel für diese Lösung bei einer Aufspannplatte ist Bild 2.

Bild 2: Anordnung einer zusätzlichen Platte unter einer Nutenplatte.

Foto: Durcrete

Die Gussplatte von Bild 2 hat im Originalzustand mit 1 200 mm x 600 mm x 70 mm eine erste Eigenfrequenz von circa 200 Hz. Mit einer schubfest untergeschraubten verfüllten Stahlschweißkonstruktion erhöht sich zwar das Gewicht und die Bauhöhe, die erste Eigenfrequenz kann bei Verdoppelung der Einbauhöhe jedoch auf über 475 Hz verbessert werden.

Bei größeren Bauteilen versagt aus praktischen Gründen diese elegante Methode. Bei einer Aufspannplatte von 6 m x 2,25 m mit einem Querschnitt ähnlich Bild 3 könnte man theoretisch auf der Unterseite ein Blech mit einer Dicke von 8 mm montieren.

Bild 3: Beispielplatte mit angeschraubten Bodenblech.

Foto: Durcrete

Dies eliminiert die erste Torsionsspannung und erhöht die ersten Eigenfrequenzen deutlich. Ein derartiges Blech wiegt etwa 850 kg und könnte nur mit dem Kran montiert werden. Die engmaschigen Bohrungen der Passverbindungen im Blech und in der Gusskonstruktion müssen zusammenpassen, um den gewünschten schubfesten Verbund sicherzustellen. Die Lösung ist aufwendig, da sowohl der Aufspanntisch als auch die Stahlplatte in einem Präzisionsbetrieb maschinell bearbeitet und gebohrt werden müssen.

Verfüllen der Hohlräume

Um diesen Aufwand zu vermeiden, bietet es sich an, die bei größeren Platten bestehenden Hohlräume und Kavitäten des Bildes 1 mit einem fließfähigen Material auszugießen, welches nach dem Einfüllen erhärtet.

Dabei sind zwei gegenläufige Effekte zu beachten. Gemäß der allgemeinen Formel für die Eigenfrequenz einer Feder [Gleichung 1] soll das Material zum einen möglichst steif sein [k], um die Resonanzfrequenz zu erhöhen und zum anderen möglichst leicht sein [m], um die Eigenfrequenz nicht zu sehr nach unten zu drücken. (Formel 1)

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f Frequenz

k Federkonstante/Steifigkeit

m Masse/Gewicht

Auswahl an Vergussmassen

Zur prinzipiellen Beurteilung möglicher Vergussmassen wird folgende grundsätzliche Untersuchung durchgeführt. Man betrachtet einen Stab der Einheitslänge 1 m und der Querschnittsfläche a x b als Feder, setzt die Werte in obenliegende Formel ein und stellt fest, dass das Ergebnis für die Eigenfrequenz f von folgender Relation abhängt (Formel 2):

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E E-Modul des Materials in [N/m2]

ρ Rohdichte des Materials in [kg/m3]

Damit kann man unterschiedliche Materialien wie beispielhaft in Tabelle 1 vergleichen.

Grafik: Durcrete

Mit dieser Tabelle hat man schon einmal den Hinweis, dass alle geschäumten Materialien, sei es durch Blähen von Gesteinen (Blähton, Leca, Bims, Perlite, usw.) oder sei es durch Aufschäumen einer Matrix aus Metall, Kunststoffharz oder Zementleim sehr leicht werden. Mit der Verringerung der Rohdichte geht zugleich eine drastische Absenkung des E-Moduls einher. Diese Werkstoffe sind gut geeignet, um bei beweglichen Konstruktionen flatternde Bleche auszusteifen oder eine zusätzliche Dämpfung in die Konstruktion einzubringen. Sie verringern die Amplituden und somit Störungen, wenn die Anregung den Bereich der Resonanzfrequenz durchfährt. Sie haben aber nur einen minimalen Effekt, wenn globale Verformungen verringert oder Resonanzfrequenzen höher abgestimmt werden sollen.

Die Werte für metallische Werkstoffe wären optimal. Diese Produkte sind aber nur als fertige Plattenware erhältlich und deshalb für die vorliegende Anwendung nur begrenzt praktikabel. Außerdem dämpfen sie nur wenig, hier sind die massiven Verfüllmassen 5 bis 10-mal so effektiv [1].

Beispielberechnung einer Aufspannplatte

Nun bestehen Maschinenbauteile nicht aus geraden Stäben mit reiner Dehnbeanspruchung, sondern aus räumlichen Strukturen mit Biege- und Torsionsbeanspruchungen. Falls eine bestimmte Eigenfrequenz als Ziel erreicht werden muss, ist es deshalb ratsam vorab eine Berechnung durchzuführen. Dies kann als linear elastische FEA-Berechnung durchgeführt werden. Wenn eine Luftlagerung oder vergleichbar weiche Lagerung vorliegt, kann man ohne Auflager rechnen und legt die Ergebnisse der ersten sechs Starrkörperverschiebungen nahe 0 Hz einfach zur Seite und beginnt die Auswertung mit der 7. Eigenfrequenz, bei Aufspannplatten häufig eine Torsionsschwingung.

Berechnet wird beispielhaft die folgende weich gelagerte Aufspannplatte aus Grauguss in Bild 4 mit den Abmessungen 6 000 x 2 250 x 402 mm.

Bild 4: Geometrie der berechneten Beispielplatte.

Foto: Durcrete

In einem ersten Schritt wird die Platte im Ursprungszustand berechnet. Danach werden die jetzt vorhandenen Hohlräume verfüllt und die Berechnung mit unterschiedlichen Werkstoffen durchgeführt. Für alle Berechnungen werden vereinfachend die Werte der Tabelle 1 verwendet und es ergeben sich die Ergebnisse der Tabelle 2 sowie in Bild 5.

Grafik: Durcrete

Bild 5: Erste und zweite Eigenfrequenz der berechneten Graugussplatte ohne Füllung. Grafik: Durcrete

Man kann erkennen, dass sich nicht nur die Eigenfrequenz, sondern auch die Charakteristik der Schwingungsformen ändert.

Sicherstellen des Verbunds

Damit die Verfüllmasse ihre volle Wirksamkeit entfaltet, muss sie an der Stahloberfläche haften.

Bei zementbasierten Verfüllmassen erfolgt der Verbund bei Neukonstruktionen zum einen durch den Quelldruck eines Quellmittels und zum anderen durch eingeschweißte Schubverbinder [2]. Diese Schweißarbeiten sind bei bestehenden Stahlschweißkonstruktionen wegen des thermischen Verzugs meist nicht erwünscht oder wie bei Grauguss nicht möglich. Einzige Abhilfe ist deshalb auch hier das Strahlen der Oberfläche, das Beschichten mit einem 2-K-Epoxidharz und das Einstreuen eines Fugensandes oder besser noch scharfkantigen Splittes der Körnung 1 mm bis 5 mm aus dem Baumarkt in das noch frische Harz. Dies erzeugt eine Haftbrücke (Bild 6), welche eine Haftung auf Zug und die Kraftübertragung auf Schub sicher gewährleistet.

Bild 6: Verbundfuge mit Körnung in Epoxidharz.

Foto: Durcrete

Zementgebundene Materialien vertragen keinen direkten Kontakt mit Aluminium. Bei Aluminiumkonstruktionen muss ebenfalls eine derartige Haftbrücke aus eingestreutem Epoxidharz verwendet werden und das Harz muss die Aluminiumfläche komplett abdecken.

Achtung: Verformungen!

Im frischen Zustand verformt das Eigengewicht der Verfüllmassen die Konstruktion und „friert“ beim Erhärten die resultierenden Durchbiegungen ein. Es ist deshalb auf ein sorgfältiges Unterbauen und die Verwendung eines Lasers oder einer Wasserwaage zur Ausrichtung zu achten. Während des Erhärtens quellen, schwinden und schrumpfen die Verfüllmassen, hinzu kommt thermischer Zwang aus den exothermen chemischen Reaktionen. Die resultierenden Verformungen können bei Aufspannplatten, Rohrgestellen und ähnlichen Maschinenbauteilen hingenommen werden. Bei Werkzeugmaschinen sind sie nicht tolerierbar, da die Gesamtgenauigkeit der Maschine leidet und alle Führungsbahnen neu auf Präzision bearbeitet werden müssen.

Hinweise zur Gewichtserhöhung

Die Lagerelemente, insbesondere Luftlager müssen auf das neue, höhere Gewicht ausgelegt werden. Eventuell muss auch die Statik von Fundamenten oder Decken geprüft werden.

Die Vergussmasse mit höchstem E-Modul weltweit: durfill E

Bei epoxidharzgebundenem Mineralguss und zementgebundenem Hochleistungsbeton wird der E-Modul durch zwei Werkstoffe bestimmt: Auf der einen Seite der E-Modul und die Menge der möglichst harten Gesteinskörnungen sowie auf der anderen Seite der E-Modul und die Menge des verwendeten Bindemittels oder die „Matrix“. Wenn man eine selbstentlüftende, leicht verdichtbare Verfüllmasse haben will, benötigt man ausreichend Schmiermittel und kann somit die Menge des weicheren Zementleims oder Kunststoffklebers nicht zu sehr limitieren. Qualitativ arbeitet man bei Maschinenbauprodukten bezüglich des Klebers mit den hochwertigsten Stoffen, welche bezüglich E-Modul nicht weiter optimiert werden können. Bei durfill E wurde das natürliche Quarzgestein vom Standardmaterial durfill S durch ein industriell hergestelltes, gebranntes Gestein ersetzt, was die Eigenschaften von Hartgesteinen wie Granit, Gabbro oder Basalt deutlich übertrifft. Überdies erzeugt es innerhalb der Matrix nur geringe Eigenspannungen. Als Resultat bewirkt der Einsatz der Spezialkörnung einen zementgebundenen Werktrockenmörtel mit dem weltweit höchsten E-Modul überhaupt.

Bild 7: Schnittbild durch durfill E im erhärteten Zustand.

Foto: Durcrete

Durfill E wird in 25 kg Papiersäcken oder in BigBags angeliefert. Es wird in einfachen Chargenmischern mit Wasser vermischt und in die Maschinenbauteile geschüttet, wo sich die selbstverdichtende Masse leicht verteilt.

Ausblick

Derartige Vergussmassen werden auch für eine Verbesserung bestehender Maschinen wie Roboter oder Automatisationslösungen eingesetzt. Manchmal wird bei weichen Konstruktionen nach der Inbetriebnahme festgestellt, dass die Greifer zu sehr nachwippen oder ungenau arbeiten. Hier werden am endgültigen Aufstellort die Basiskonstruktionen oder Hohlprofile verfüllt und der Mangel wird ohne Abbau der Maschine kurzfristig beseitigt.

Im Neubau ist das Haupteinsatzgebiet der Bau von Hybrid- oder gefüllten Stahlschweißkonstruktionen für Werkzeugmaschinenbetten sowie Rahmen und Tische für TestRigs von Motoren und Getrieben, Konstruktionen, bei denen es auf eine hohe Eigenfrequenz, hohe Steifigkeit und mechanische und thermische Trägheit bei gleichzeitig hervorragender Dämpfung ankommt.

Literatur

  1. [1] Hipke Th.; Schneider F.; Sagmeister B.: Verschiedene Füllmassen für Maschinenbetten im Vergleich, MM Maschinenmarkt 10/2019, Mai 2019, Vogel Verlag, Würzburg.
  2. [2] Sagmeister B.: Thema: Verfüllte Maschinenbauteile – Materialauswahl und Konstruktionshinweise, Werkstoffe in der Fertigung 06/November 2023, HW-Verlag, Mering, ISSN 0939–2629/8 25800XYZ
Von Bernhard Sagmeister

Kontakt
Dr.-Ing. Bernhard Sagmeister
Geschäftsführer durcrete GmbH
Am Huttig 4
65549 Limburg
Tel.: 06431/5840375
sagmeister@durcrete.de
www.durcrete.de