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Zinn nachhaltig 28.07.2025, 10:00 Uhr

CO2-freie Technologie zur umweltschonenden Zinngewinnung aus Kassiterit

Zinn ist ein strategisch wichtiger Rohstoff für die Elektronik- und Halbleiterindustrie – doch seine Gewinnung ist bislang energieintensiv und mit hohen CO2-Emissionen verbunden. Ein Forschungsteam der TU Bergakademie Freiberg hat nun ein zukunftsweisendes Verfahren entwickelt, mit dem Zinn aus Kassiterit ohne Kohlenstoff und ohne direkte CO2-Emissionen gewonnen werden kann. Die Technologie, die von der Dr.-Erich-Krüger-Stiftung gefördert wird, kombiniert Wasserstoffbehandlung und chemische Laugung – mit großem Potenzial für umweltfreundlichen Zinnbergbau in Europa.

Die Versuche in Laborskala wurden mit Zinn-Konzentrat in Pulverform durchgeführt. Hier zu sehen: Verschiedene Metalle in kleinen Tiegeln. Foto: TU Bergakademie Freiberg / C. Mokry

Die Versuche in Laborskala wurden mit Zinn-Konzentrat in Pulverform durchgeführt. Hier zu sehen: Verschiedene Metalle in kleinen Tiegeln.

Foto: TU Bergakademie Freiberg / C. Mokry

Ein Mineral mit komplexer Struktur trifft auf einen Rohstoff mit wachsender strategischer Bedeutung: Zinn, ein unverzichtbares Element in der Elektronik- und Halbleiterindustrie, wird traditionell über mehrstufige Verhüttungs- und Raffinationsprozesse aus dem Mineral Kassiterit (Zinnoxid) gewonnen. Dabei kommt bislang Kohlenstoff als Reduktionsmittel zum Einsatz – mit entsprechenden Emissionen.

In einem aktuellen Projekt, das durch die Dr.-Erich-Krüger-Stiftung gefördert wird, forscht ein Team der TU Bergakademie Freiberg an einem radikal neuen Ansatz: Ziel ist es, Zinn emissionsfrei zu gewinnen, ohne die Verwendung von Kohlenstoff. Das Verfahren könnte insbesondere für die lokale, umweltschonende Zinnförderung in Europa eine zentrale Rolle spielen.

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Emissionsfreie Zinnproduktion: Wasserstoff ersetzt Kohlenstoff

In einer aktuellen Publikation im Journal of Sustainable Metallurgy stellt das Forschungsteam der TU Freiberg ein zweistufiges Verfahren vor, bei dem die direkten CO2-Emissionen gegen Null reduziert werden. Im Gegensatz zur konventionellen Zinnproduktion, bei der laut der Bundesgesellschaft für Geowissenschaften und Rohstoffe bis zu 2,5 Tonnen CO2 pro Tonne Zinn ausgestoßen werden (vgl. https://www.bgr.bund.de/… S. 12), wird in der neuen Methode anstelle von Kohlenstoff eine geringe Menge Wasserstoff eingesetzt.

Durch diese technologische Umstellung kann etwa die Hälfte des Zinn-Konzentrats (Zinndioxid) direkt zu reinem Zinn reduziert werden. Gleichzeitig entsteht nur Wasserdampf und eine zinnhaltige Schlacke – ein bedeutender Fortschritt in Richtung klimaneutraler Metallurgie.

Schlacke als Rohstoffquelle: Chemische Laugung ermöglicht hohe Ausbeute

Die verbleibende zinnhaltige Schlacke lässt sich anschließend effizient weiterverarbeiten. „Kassiterit ist schwer zu knacken, das heißt nicht laugbar; die produzierte Schlacke hingegen schon. Durch eine chemische Laugung kann dann aus der Schlacke bei niedrigen Temperaturen das Restzinn gewonnen werden“, sagt Projektleiter Professor Alexandros Charitos.

Damit schafft das Verfahren die Grundlage für eine fast vollständige Rückgewinnung des Metalls bei gleichzeitig drastisch reduzierten Umweltauswirkungen. Der Schritt von der klassischen Hochtemperaturverhüttung hin zur niedrigtemperierten chemischen Extraktion stellt eine Innovation dar, die sowohl energetisch als auch ökologisch überzeugt.

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Laborversuche bestätigen Computermodelle

Die technische Machbarkeit des Verfahrens wurde inzwischen durch Laborversuche erfolgreich validiert.

„Was unsere Computermodelle vorhergesagt haben, konnten wir in Laborversuchen bestätigen: Im ersten Schritt reicht statt Kohlenstoff eine sehr geringe Menge Wasserstoff – trotzdem werden schon 50 % des Kassiterits zu Rohzinn, ganz ohne direkte CO2-Emissionen.“

Das Forschungsteam analysiert nun im Detail, wie sich das verbleibende Zinn nach der Laugung der Schlacke umweltschonend reinigen und über Elektrolyse gewinnen lässt. Ziel ist ein durchgängig nachhaltiges und industriell skalierbares Verfahren zur grünen Zinnproduktion.

Regionale Relevanz: Potenzial für Sachsen und das Erzgebirge

Die entwickelte Technologie bietet großes Potenzial für Zinnförderprojekte im Erzgebirge. In Regionen wie Geyer, Gottesberg oder Tellerhäuser laufen derzeit geowissenschaftliche Erkundungen nach zinnhaltigen Erzen.

„Für die umweltschonende Gewinnung in Sachsen und Europa, aber auch für das Recycling von Zinn birgt das neue Verfahren großes Potenzial. Denn heute findet fast die gesamte weltweite Produktion von Zinn in Ländern mit schwacher Governance und oft unter selten erfassten Umweltauswirkungen statt“, betont Professor Charitos.

Damit könnte das Verfahren nicht nur zur Rückverlagerung von Rohstoffgewinnung nach Europa beitragen, sondern auch ein entscheidender Hebel für verantwortungsvolle Lieferketten in der globalen Elektronikindustrie sein.

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Forschung mit Praxisfokus: Die Rolle der Dr.-Erich-Krüger-Stiftung

Möglich wird das Projekt durch die Förderung der Dr.-Erich-Krüger-Stiftung, die sich gezielt für die praxisnahe und anwendungsorientierte Forschung an der TU Bergakademie Freiberg einsetzt. Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse in die industrielle Umsetzung zu überführen und gleichzeitig neue Arbeitsplätze in Sachsen zu schaffen.

Kooperationen mit Unternehmen der Region sind integraler Bestandteil des Förderprogramms. Darüber hinaus unterstützt die Stiftung die Anschaffung technischer Großgeräte sowie Stipendien für wissenschaftlichen Nachwuchs. Mit dem Veranstaltungsformat „Krüger-Kolloquium“ ermöglicht sie den Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.

Das Krügerhaus, das eine Sammlung deutscher Minerale beherbergt, sowie das Gästehaus „Chile-Haus“ werden der Universität ebenfalls durch das Engagement der Stiftung zur Verfügung gestellt – ein deutliches Zeichen für die Vernetzung von Forschung, Öffentlichkeit und Region.

Von Technische Universität Bergakademie Freiberg / RMW