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Starkregen-Ereignisse 17.01.2022, 10:25 Uhr

Forschungsprojekt zur Ausbreitung von Bakterien und Viren im Grundwasser gestartet

Durch Starkregen-Ereignisse können Pathogene wie Bakterien und Viren vermehrt ins Erdreich eingespült werden. An der TU Berlin forscht man derzeit zu einem Frühwarnsystem.

Foto: panthermedia.net/ Nomadsoul1

Foto: panthermedia.net/ Nomadsoul1

Wie können Wasserversorger und lokale Behörden vorhersagen, wie weit und wie schnell sich Bakterien und Viren in einem Wassereinzugsgebiet ausbreiten? Dieser Frage geht die Technische Universität Berlin im Projekt „PrePat“ nach. Im Rahmen des auf drei Jahre angelegten gemeinsamen Forschungsvorhabens der TU Berlin in Kooperation mit der TU Bergakademie Freiberg und dem TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe soll ein „Werkzeugkasten“ von mikrobiologisch-hydrogeologischen Untersuchungsmethoden entwickelt werden.

Belastbare Erkenntnisse zu Verbreitung von Viren und Bakterien

Durch den Klimawandel sind Niederschläge nicht mehr so gleichmäßig verteilt wie früher. Die punktuell sehr hohen Wassermengen bei Starkregen und auch die immer flächendeckender versiegelten Böden führen dazu, dass die natürliche Schutzfunktion des Bodens unwirksam wird und Abwassersysteme überfordert sind. So werden vermehrt Bakterien, Viren und lösliche Schadstoffe in das Grundwasser eingetragen. Diese stammen zum Beispiel aus der Gülle auf Feldern und Wiesen oder vom Reifenabrieb auf den Straßen. Hinzu kommt, dass Regenwasser und Abwasser in Deutschland zum Teil gemeinsam entsorgt werden. Bei überlaufenden Sammelbecken kann dieses Gemisch ohne Aufbereitung in die Umwelt gelangen. „Für die Wasserversorger stellt sich dadurch die konkrete Frage, in welchen Mengen diese unerwünschten Stoffe und Keime in Grundwasserleiter gelangen, aus denen Trinkwasser entnommen wird. Sie brauchen Erkenntnisse dazu, aus welchen Entfernungen noch ein Eintrag durch große Regenmengen stattfinden kann und wie schnell dieser nach einem Starkregen-Ereignis im Quellwasser ankommt“, erläutert Dr. Ferry Schiperski vom Fachgebiet Angewandte Geochemie, der das Forschungsprojekt koordiniert. Gerade auch in ärmeren Ländern, deren Trinkwasser nicht einer ständigen Routinekontrolle unterliegt, wären solche Informationen sehr hilfreich.

Modell-Keime simulieren einen Befall

Bisher wurden ähnliche Untersuchungen in Grundwasser-Einzugsgebieten mit in Wasser gelösten Markierungssubstanzen durchgeführt oder mit kleinsten, kugelförmigen Plastikpartikeln. Beides kann das reale Verhalten von Viren und Bakterien im Untergrund aber nur unzureichend simulieren. „Wir wollen deshalb erstmals einen Werkzeugkasten mit harmlosen Modell-Keimen und den dazugehörigen Untersuchungsmethoden entwickeln, der als Standard von anderen Forschenden und PraktikerInnen im Bereich der Wasserversorgung genutzt werden kann“, so Schiperski. Die Idee stammt von Professor Dr. Ulrich Szewzyk vom Fachgebiet Umweltmikrobiologie der TU Berlin, der bereits mehrere Jahre zu dem Thema forscht und auch die Auswahl der Modellkeime vorgenommen hat. Als Modell-Bakterien kommen unter anderen drei Spezies der Gattung Aquabacterium in Betracht, die auch im Berliner Trinkwasser enthalten sind. Als Virenprototypen dienen zwei Arten von „Bakteriophagen“ – Viren, die nur Bakterien befallen können. Aufgrund ihrer Ungefährlichkeit für den Menschen werden sie in der Forschung bereits seit längerem als Virenmodelle benutzt, zum Beispiel in Studien zur Übertragbarkeit von Krankheiten.

Tests in Quelle in Baden-Württemberg

„Wir wollen sogar testen, wie sich einzelne DNA-Moleküle ohne Bakterienhülle im Untergrund verbreiten“, berichtet Ulrich Szewzyk. Durch solche extrazelluläre DNA können Antibiotikaresistenzen weitergegeben werden. Auch hier dienen ungefährliche Erbgutbausteine als Modelle. Eingebracht werden alle Versuchskeime in einem sehr gut untersuchten Wassereinzugsgebiet auf der Schwäbischen Alb in Baden-Württemberg. Es hat den besonderen Vorteil, dass dort alle Einträge über die Grundwasserleiter an einer Stelle zusammenlaufen: Am Ende einer drei bis zwölf Kilometer langen Reise in 50 bis 100 Metern Tiefe werden die Keime in der „Gallusquelle“ landen. Sie liegt in einem Seitental des Donautals und wird von einem örtlichen Wasserversorger genutzt. Die Einbringung der Keime erfolgt über mehrere Regenüberlauf-Becken auf dem Gebiet. „Wir können hier den natürlichen geologischen Untergrund nutzen und haben trotzdem fast Laborbedingungen“, so Ferry Schiperski.

Frühwarnsystem für Trinkwassergefährdung

Bei hohen Wassereinträgen rechnen die Forschenden damit, dass bereits nach etwa einem Tag Keime von ihrem Einbringungsort zur Gallusquelle gelangt sind. Bei niedrigem Grundwasserspiegel kann dies auch eine Woche oder länger dauern. Untersucht wird das Quellwasser dann mit hochauflösenden PCR-Verfahren. Gleichzeitig werden zudem einfacher zu bestimmende Parameter gemessen, etwa Leitfähigkeit, Temperatur, pH-Wert und Trübung des Wassers. „Wir hoffen, damit preiswert zu bestimmende Indikatoren zu finden, die auf eine Kontamination des Grundwassers hindeuten“, erklärt Ferry Schiperski. Dies sei gerade für ärmere Länder sehr interessant. „Die Indikatoren könnten als Frühwarnsystem genutzt werden, wann nach Starkregen Trinkwasser aus dem Untergrund unbedingt abgekocht werden sollte. Mit einem besseren Verständnis des Eintrags von Keimen können außerdem Wasserschutzgebiete besser eingegrenzt werden. Dies hat etwa für die Landwirtschaft auch eine große wirtschaftliche Bedeutung.“

 

 

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Von TU Berlin/ Marc Daniel Schmelzer