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Witterungsverhältnisse sind schuld 29.12.2021, 15:36 Uhr

Stromerzeugung: Anteil erneuerbarer Energien erstmals seit mehr als 20 Jahren gesunken

Weniger Wind = weniger Ökostrom. Eine simple Formel begründet den Knick in der Statistik: 2021 ist der Anteil erneuerbarer Energien an der deutschen Bruttostromerzeugung im Vergleich zum Vorjahr gesunken - das erste Mal seit über 20 Jahren.

Foto: panthermedia.net/ buchachon_photo

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Traditionell präsentiert das Umweltbundesamt (UBA) zum Ende des Jahres die Statistik für die vergangenen Monate. Und ebenso traditionell zeigte die Kurve der erneuerbaren Energieträger seit 1997 dabei stets nach oben. Nicht so 2021. Nach der vorläufigen Auswertung der Geschäftsstelle der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat) am Umweltbundesamt ist der Anteil von Wind, Solar & Co. in 2021 auf etwa 42 % gesunken. Im Jahr zuvor waren es noch 45,3 %. Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) kommen auf ähnliche Werte.

Weniger Wind und weniger Sonne im Jahr 2021

Die Begründung für den Rückgang: Während der Gesamtstromverbrauch stieg, wurde witterungsbedingt fünf Prozent weniger Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt als im Vorjahr. Besonders im ersten Quartal 2021 gab es im Vergleich zum Jahr 2020 extrem wenig Wind, so UBA, ZSW und BDEW einhellig. Im Jahresvergleich habe auch die Sonne deutlich weniger geschienen. In der Vergangenheit sei es gelungen einzelne wind- und sonnenärmere Jahre durch Zubau neuer Stromerzeugungsanlagen auszugleichen. 2021 war dies nicht der Fall, unter anderem, weil 2019 und 2020 nur wenig Kapazität zugebaut wurde. Durch die deutlich kältere Witterung 2021 stieg zudem der Wärmebedarf und damit auch die energetische Nutzung von Holz und anderer Biomasse. Es wurden mehr Wärmepumpen installiert, entsprechend stieg die Wärmeerzeugung über diesen Weg, berichtet das UBA.

Windenergie trotz Rückgang stärkster erneuerbarer Energieträger

Auf Basis der Anfang Dezember vorliegenden Daten schätzt die AGEE-Stat für das Gesamtjahr 2021 eine Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien von etwa 237 Milliarden Kilowattstunden. Dies entspricht einem Rückgang um etwa fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr (250 Milliarden Kilowattstunden). Der Rückgang der erneuerbaren Stromerzeugung könne im Wesentlichen auf die witterungsbedingt stark gesunkene Stromerzeugung aus Windenergieanlagen zurückgeführt werden, so das UBA. Sie lag nach den Berechnungen der Statistiker im Jahr 2021 bei 118 Milliarden Kilowattstunden (davon 93 Milliarden Kilowattstunden an Land erzeugt und 25 Milliarden Kilowattstunden auf See) – insgesamt ein Minus von elf Prozent im Vergleich zu 2020.

Trotz des Rückgangs steuert die Windenergie fast die Hälfte des gesamten erneuerbaren Stroms bei. Die Stromerzeugung aus Photovoltaik-Anlagen stieg trotz vieler neuer PV-Anlagen wegen der sonnenärmeren Witterung nur um etwa ein Prozent auf 49 Milliarden Kilowattstunden an. Auf Biomasse entfällt eine zum Vorjahr nahezu unverändert große Strommenge von 50 Milliarden Kilowattstunden. Die Stromerzeugung aus Wasserkraft stieg wegen starker Niederschläge in den Sommermonaten um fast fünf Prozent an (19 Milliarden Kilowattstunden).

Anlagenzubau geht nur schleppend voran

Bei der Photovoltaik stieg der Zubau neuer Anlagen seit dem Jahr 2014 kontinuierlich an, jetzt stagniert er. Die neu installierte Leistung im Jahr 2021 wird nach den Berechnungen des UBA voraussichtlich bei rund 5.000 Megawatt und damit ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres liegen. Die insgesamt installierte Leistung wird damit Ende des Jahres um etwa neun Prozent auf knapp 59.000 Megawatt steigen.

Bei der Windenergie an Land ist der Trend bei der Anlagenentwicklung zwar positiv gegenüber dem sehr schwachen Vorjahr. Der Zubau bleibt aber nach wie vor deutlich hinter den Jahren 2014 bis 2017 zurück. Während 2017 noch ein Rekordzubau von 4.891 Megawatt erreicht wurde, wird die neu installierte Leistung im Jahr 2021 voraussichtlich nur bei etwa einem Drittel dieses Wertes liegen. Die installierte Leistung des Gesamtbestandes würde sich damit nur um drei Prozent erhöhen – auf insgesamt rund 56.000 Megawatt.

Bei der Windenergie auf See wurden 2021 keine neuen Anlagen in Betrieb genommen, die Leistung liegt somit unverändert bei 7.800 Megawatt. Zwar sind derzeit weitere Offshore-Windparks in Planung und Bau, die Fertigstellung wird allerdings frühestens 2022 erfolgen, so das UBA.

Finale Daten zur Stromerzeugung im Jahr 2021 wird das UBA mit dem Hintergrundpapier „Erneuerbare Energien in Deutschland – Daten zur Entwicklung im Jahr 2021“ liefern. Die Veröffentlichung ist für März 2022 geplant.

 

 

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