Zum E-Paper
BIM durchgeführt 22.11.2023, 09:00 Uhr

Dreiklang am Hang

Der integral mit BIM geplante Ringana Campus schafft nicht nur die Voraussetzung für eine Produktion von bis zu 30 Tonnen Kosmetika täglich. Das Unternehmen löst damit auch das Versprechen von Transparenz mit einem verglasten „schwebenden“ Besucherrundgang ein.

Auf unterschiedlichen Niveaus befinden sich Bürogebäude, Produktion und Logistiktrakt am Firmensitz des Naturkosmetik-Unternehmens. Foto: ATP/AnnABlaU

Auf unterschiedlichen Niveaus befinden sich Bürogebäude, Produktion und Logistiktrakt am Firmensitz des Naturkosmetik-Unternehmens.

Foto: ATP/AnnABlaU

Der neue Hauptsitz von Ringana befindet sich auf einem zwölf Hektar großen Grundstück in St. Johann bei Hartberg (Steiermark) mit guter Anbindung an die Südautobahn. Die aus drei zusammenhängenden Bauteilen bestehende Zentrale führt alle bisherigen Standorte zusammen: Neben der Produktionsstätte mit Forschung und Entwicklung sind der Verwaltungstrakt und die Logistikhalle auf unterschiedlichen Geländehöhen angeordnet und miteinander verbunden. Die Hanglage des Grundstückes bestimmte dabei wesentlich die Form der Baukörper und deren Anordnung auf unterschiedlichen Niveaus.

Architekturkonzept umfasst Nachhaltigkeit und Klimaschutz

Der von ATP architekten ingenieure, Wien, und ATP sustain geplante geplante Ringana Campus soll straßenseitig mit seiner hellen, dynamischen Fassade den Frischegedanken des österreichischen Unternehmens repräsentieren und erfüllt die hohen Ansprüche des Kosmetik- und Nahrungsergänzungsmittel-Herstellers an Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Der Gebäudekomplex bietet Raum für etwa 500 Arbeitskräfte in Verwaltung, Produktion und Logistik. Großzügige Außenanlagen mit Streuobstwiese und Schwimmteich erhöhen die Aufenthaltsqualität am Campus. Rund 9.500 Quadratmeter Grünfläche auf den Dächern sorgen für ein natürliches Raumklima im Gebäude und gleichen zusätzlich den Verlust an begrüntem Lebensraum durch die Baumaßnahme aus.

Verbindung von Verwaltung und Produktion

Die rundumlaufende Pfosten-Riegel-Fassade ist vom 1. bis zum 3. Obergeschoss von einem Rahmen umschlossen. Über einen vorgelagerten Windfang betritt man das Verwaltungsgebäude, in dessen Innerem sich eine vielseitige Bürolandschaft erstreckt. Im einladenden, weiträumigen Eingangsbereich finden sich Empfang, Shop und Café, etwas verborgen hinter dem Treppenkern die zentrale Kantine für die Mitarbeitenden. Über ein Brückenbauteil ist der Verwaltungsriegel mit der tieferliegenden Produktion verbunden. Auf einer schwebenden Passage vom Erdgeschoss im Bürohaus zum 1. OG der tieferliegenden Produktion befinden sich Konferenz- und Seminarräume. Diese Brücke mündet in den gläsernen Besucherrundgang. Im 3. OG befindet sich eine weitläufige Aussichtsplattform mit begrünter Panoramadachterrasse und 270-Grad-Blick auf die steirische Hügellandschaft. Im Erdgeschoss des Produktionsgebäudes führt eine Schleuse in den Reinraumbereich. Die Produktionshalle verfügt über zehn Produktionslinien und wird flankiert von den Abteilungen für Forschung, Entwicklung und Qualitätsmanagement. An die Produktion schließt die Logistikhalle mit automatisiertem Hochregallager im Erdgeschoss an.

Die Produktionshalle ist wie eine Schau-Manufaktur gestaltet.

Foto: ATP/Pierer

Tragwerksplanung

Das Bürogebäude ist ein Skelettbau in Stahlbetonbauweise (STB-Bauweise). Das fünfgeschossige Tragwerk (2. UG bis 3. OG) besteht aus STB-Stützen und drei STB-Kernen, die die STB-Flachdecken tragen. Die Brüstungen wirken als zwischen den Stützen gespannte Randträger und damit als Deckenauflager. Sämtliche vertikalen Einwirkungen werden primär über die Flachdecken und die Stützen abgeleitet.

Aussteifung gegen Wind, Schiefstellung und Erdbeben

Ein Teil des Gebäudes ist unterkellert und auf einer Bodenplatte fundiert. Die restlichen Stützen sind auf Einzel- und Streifenfundamenten gegründet. Die horizontale Gebäudeaussteifung gegen Wind, Schiefstellung und Erdbeben erfolgt über die STB-Kerne und Pendelstützen. Das Bürohaus wurde flexibel für mögliche Änderungen und Anpassungen in der Zukunft konzipiert. Die Produktionshalle mit einer Außenabmessung von rund 120 x 48 Meter und einer Höhe von zehn Metern ist zur Hälfte unterkellert. Die vertikalen Elemente werden überwiegend von STB-Stützen (60 x 60 Zentimeter) im Raster 12 x 24 Meter gebildet, die in Köchereinzelfundamente beziehungsweise im unterkellerten Bereich in die Kellerkonstruktion eingespannt sind. Die Unterkellerung ist mittels Bodenplatte fundiert. Die Decken über UG und EG sind als Flachdecken ausgebildet, die auf Stützen und Wänden gelagert sind. Der Hallenboden im nicht unterkellerten Bereich ist eine schwimmende monolithische Bodenplatte mit minimierter Fugenteilung.

Stützenfreiheit durch statisches System

Das Dachtragwerk bilden Stahlbaufachwerke mit Spannweiten von zwölf Meter als Hauptträger sowie 24 Meter als Nebenträger mit einem Raster von je sechs Meter. Die Dachdeckung ist eine Trapezblech-Dachkonstruktion. Die Aussichtsplattform wurde in Stahlbauweise errichtet und in die Fachwerke aufgehängt. Das statische System bietet ausreichende Stützenfreiheit in der Produktionsebene (EG, 12 x 24 Meter) und zugleich die erforderliche Tragfähigkeit in der Dachebene für die geplante Heizung, Klima, Lüftung, Sanitär- und Elektroausrüstung. Durch die Fachwerkkonstruktion ist auch die Flexibilität für künftige Änderungen – unter Einhaltung der wirtschaftlichen Aspekte – mitberücksichtigt. Die etwa 15 Meter hohe Logistikhalle hat Außenabmessungen von rund 84 x 60 Meter. Die vertikalen Elemente bilden überwiegend STB-Stützen (60 x 60 Zentimeter) in einem Raster von 12 x 12 Meter, die in Köchereinzelfundamenten eingespannt sind. Das gewählte Raster bietet ausreichend Platz für die Regale, und ermöglicht die schlanke und wirtschaftliche Konstruktion der STB-Stützen und der Stahldachkonstruktion. Die horizontale Aussteifung gegen Wind, Schiefstellung und Erdbeben erfolgt über die eingespannten Stützen. Das Dachtragwerk bilden vollwandige Stahlträger mit einer Spannweite von zwölf Metern als Hauptträger sowie zwölf Metern als Nebenträger mit einem Achsraster von je sechs Metern. Die Dachdeckung erfolgt als Trapezblech-Dachkonstruktion.

Eine weiße Frame- und Lisenenkonstruktion am straßenseitig gelegenen Bürogebäude mit dem Firmennamen soll den Ringana-Markenkern der „Frische“ nach außen kommunizieren.

Foto: ATP/Pierer

Erdwärme über Tiefenbohrungen

Die Energieversorgung des Gebäudes erfolgt über Tiefenbohrungen mit Erdwärmenutzung. Das Sondenfeld besteht aus 161 Bohrungen mit einer Tiefe von 120 Meter. Dabei setzt sich eine Sonde aus zwei U-förmigen Rohrschlaufen (Duplex DA 32 x 3 mm, PN16) zusammen. Die Sonden führen über Verteilerschächte und anschließend über eine Sammelleitung ins Gebäude. Das Sondenfeld wurde mittels ETR-Test (Enhanced Thermal Response Test) energieoptimiert konfiguriert, und eine Sondenfeldsimulation und eine Grundwassermodellierung ermittelten bereits im Vorfeld den maximalen Energieertrag.

Die Herstellung der Kosmetikprodukte benötigt sowohl Heiz- als auch Kühlleistung. Da der Wärmepumpenprozess gleichzeitig sowohl Kälte- als auch Wärmeenergie liefern kann, bewirkt das Energiekonzept eine effiziente und kostengünstige Energieverschiebung im Gebäude selbst, ohne übermäßige Fremdenergie zuzuführen. Überschüssige Energie wird über das Sondenfeld abgeführt.

Integrale Planung mit BIM

Trotz verkürzter Planungszeiten ließ sich im integralen Planungsprozess, informationsunterstützt durch Building Information Modeling (BIM), das Gebäudekonzept mit dem technischen Layout und den Nutzeranforderungen rasch in Einklang bringen. Im interdisziplinären Planungsprozess gelang es, ein ökologisch und ökonomisch nachhaltiges Gebäude mit einem klimafreundlichen Energiekonzept zu entwerfen. Die Integrale Planung mit BIM lieferte im zentralen Datenmodell tragfähige Entscheidungsgrundlagen für den Auftraggeber zu einem sehr frühen Zeitpunkt und unterstützte das Planungsteam dabei, Ressourcen zu schonen, Verschwendung im Errichtungsprozess zu vermeiden und Einsparungspotenziale über den gesamten Lebenszyklus darzustellen. 

Empfehlungen der Redaktion

  1. Bauvorhaben mit Zukunft
  2. Beton verbindet die Ufer
  3. Nichts mehr verpassen: Hier geht‘s zur Anmeldung für den Bauingenieur-Newsletter…
Von ATP / Redaktion Bauingenieur