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Digitalisierung 01.12.2018, 00:00 Uhr

Umsetzung der BIM-Methode

Der Ausbau des Frankenschnellwegs in Nürnberg soll die Leistungsfähigkeit für das heutige und künftige Verkehrsaufkommen gewährleisten. Zur Variantenbetrachtung, Visualisierung und Entscheidungsfindung des 1 810 Meter langen Straßentunnels kamen 3D-Modelle zum Einsatz.

Das Projekt Frankenschnellweg umfasst einen 1 810 Meter langen Tunnel. Abb.: Sweco GmbH

Das Projekt Frankenschnellweg umfasst einen 1 810 Meter langen Tunnel. Abb.: Sweco GmbH

Der Frankenschnellweg (FSW) verbindet das Zentrum der Stadt Nürnberg mit der A73, der Südwesttangente, dem Nürnberger Hafen und den angrenzenden Stadtteilen. Er ist Teil der Kreisstraße N4 und hat eine wesentliche Verteiler- und Erschließungsfunktion für das Stadtgebiet. Der Ausbau des Frankenschnellwegs soll die Leistungsfähigkeit für das heutige und künftige Verkehrsaufkommen gewährleisten.

Im Abschnitt Mitte wird der FSW in eine unter- und eine oberirdische Ebene aufgeteilt. Die unterirdische Ebene umfasst den Bau des 1 810 Meter langen Straßentunnels mit je zwei Fahrstreifen pro Richtung in offener Bauweise (1 380 m) und zwei baulich getrennten Röhren in bergmännischer Bauweise (430 m). Die oberirdische Ebene dient der Aufnahme des Ziel- und Quellverkehrs in die Stadt.

Die Stadt Nürnberg hat sich in Kenntnis der Empfehlungen der „Reformkommission Bau von Großprojekten“ und des BIM-Leitfadens für Deutschland, aber ohne Verpflichtung und im Vertrauen auf die Vorteile entschieden, den Frankenschnellweg mit der BIM-Methode zu planen.

Zu diesem Zeitpunkt lag die Entwurfsplanung schon vor. Im Rahmen der Diskussion über technische Risiken bei der Unterquerung der Bahnstrecke entstand die Idee, die geplante Trasse tieferzulegen. Daher mussten große Teile der Entwurfsplanung neu erstellt werden. Zur Ermittlung der optimalen Gradiente wurde teilweise sogar in die Lph 2 zurückgegangen.

Beim Tunnel mussten die Zwangspunkte Hafensammler, Kanalquerung und Rohrbrücke berücksichtigt werden. Abb.: Sweco GmbH

Beim Tunnel mussten die Zwangspunkte Hafensammler, Kanalquerung und Rohrbrücke berücksichtigt werden. Abb.: Sweco GmbH

 

Bewertung mit 3D-Modellen

Im südlichen Tunnelabschnitt liegt der vorhandene Hafensammler innerhalb des neu zu errichtenden Bauwerkes. Er muss daher im Vorfeld umverlegt werden. Dazu wird der bestehende Abwasserkanal seitlich entlang des Tunnels inklusive mehrerer Schachtbauwerke neu errichtet und an den Bestand angeschlossen.

Südlich der Rohrbrücke quert die sogenannte SUN-Querung 179 das künftige Tunnelbauwerk. Dieser Kanal aus dem Jahr 1907 ist in einem schlechten Zustand. Er wird durch den Haupttunnel in engem Abstand unterfahren und durch die Rampen ebenso knapp überbaut. Da der vorhandene Zustand weder Setzungen durch die Unterfahrung, noch Lasten aus einer neuen Überbauung aufnehmen kann, ist eine Erneuerung auch aufgrund von erforderlichen Kapazitätserweiterungen des Netzes sinnvoll. Die Kanalkreuzung wird nach Norden hin versetzt erneuert und an den Bestand angeschlossen (179a). Durch die Tieferlegung der Tunnelgradiente kann die bestehende Querung (179b) erhalten bleiben.

Unter Berücksichtigung der Randbedingungen des Tunnelvortriebes und der bauzeitlichen Verkehrsphasen wurde anhand einer 3D-Variantenstudie die verträglichste Neuordnung der Kanalanlagen untersucht.

Im ersten Schritt wurden die bestehenden Kanäle und Leitungen anhand der Bestandsunterlagen modelliert. Dabei wurden hinsichtlich des Detailierungsgrads jeweils nur die für die Variantenbetrachtung maßgebenden Punkte berücksichtigt. Nachträgliche Erkenntnisse aus Suchschlitzen wurden zeitnah ins Modell eingearbeitet.

Für die Varianten wurden verschiedene Teilmodelle erstellt. Diese wurden zu Vergleichszwecken in ein Gesamtmodell überführt und als Planungs- und Diskussionsgrundlage sowohl intern als auch extern bei Besprechungen genutzt.

Durch die 3D-Modellierung konnten die für die Planung und Variantenentscheidung maßgebenden Abstände zwischen den Bauwerken exakt lokalisiert und ermittelt werden. Zudem konnte zum Beispiel der Platzbedarf der erforderlichen Spießschirmsicherung und die Größe der Felsüberdeckung einfach dargestellt und überprüft werden.

Für die Trassenführung wurde eine Kollisionsprüfung der Baugrube, Sammler, Gasleitung und Tunnel durchgeführt. Abb.: Sweco GmbH

Für die Trassenführung wurde eine Kollisionsprüfung der Baugrube, Sammler, Gasleitung und Tunnel durchgeführt. Abb.: Sweco GmbH

Aus den 3D-Modellen der einzelnen Varianten können beliebige Schnitte durch die Bauwerke und 3D-Ansichten erzeugt werden. So war es möglich, die aufgrund der sehr engen Platzverhältnisse entscheidende geometrische und technische Machbarkeit der verschiedenen Varianten fundiert zu bewerten. Durch die wirklichkeitsnahe dreidimensionale Darstellung konnten dies auch nicht fachkundige Entscheidungsträger problemlos nachvollziehen, sodass alle Projektbeteiligten bei der Entscheidungsfindung gleichermaßen eingebunden waren.

Rohrbrücke unterquert

In unmittelbarer Nähe des zu überquerenden alten SUN-Kanals befindet sich eine den Frankenschnellweg überquerende Leitungsbrücke (Rohrbrücke N-Ergie). Diese liegt im Bereich der Ein- und Ausfahrtsrampen und beeinflusst die Gradiente und die Portallagen der Rampen wesentlich. Durch die Tieferlegung der Gradiente konnte die Brücke erhalten und mit den Rampen knapp unterquert werden.

Durch die Zwangspunkte Kanal „unten“ und Brücke „oben“ wurden verschiedene Varianten zur Trassenführung der Rampen untersucht und über die Schnittstelle zwischen CARD/1 und Revit in das 3D-Modell integriert. So konnten Probleme und Zwangspunkte der Trassierung leicht aufgezeigt und die Abhängigkeiten zur Tunnelgestaltung (mögliche Sohl- und Deckenstärken) einfach dargestellt werden.

Auch gestalterische Gesichtspunkte spielten bei der Variantenentscheidung eine wichtige Rolle: Verschiebt man die Rampenportale, kann die wenig repräsentative Rohrbrücke kaschiert werden.

Die Bestandsoberfläche liegt im Bereich der alten Lage des FSW tiefer als das umgebende Gelände. Abb.: Sweco GmbH

Die Bestandsoberfläche liegt im Bereich der alten Lage des FSW tiefer als das umgebende Gelände. Abb.: Sweco GmbH

 

Oberflächenplanung unterstützt Gestaltung

Nicht nur das Tunnelbauwerk selbst und die benachbarten Bauwerke, sondern auch das umgebene Gelände sind entscheidend für die Tunnelplanung und die Variantenuntersuchung.

Die Integration der Oberflächenplanung in das BIM-Gesamtmodell über ein digitales Geländemodell unterstützt die finale Gestaltung. Bereiche, in denen sich Bauwerksgeometrie und Oberflächengestaltung gegenseitig beeinflussen, können leichter erkannt werden. Die Bestandsoberfläche liegt im Bereich der alten Lage des FSW tiefer als das umgebende Gelände. In diesem Fall ist die Höhenlage des Betriebsgebäudes direkt abhängig von der Gestaltung der endgültigen Oberfläche. Damit die Vorteile auch genutzt werden können, muss die Oberflächenplanung schon in einem frühen Planungsstadium erfolgen.

Als Ergebnis der Modellierung lässt sich festhalten, dass es möglich ist, komplexe Infrastrukturbauwerke entsprechend den üblichen Anforderungen im Bauwesen zu modellieren. Für die frühen Leistungsphasen erleichtert die 3D-Modellierung die Variantenbetrachtung, Visualisierung und Entscheidungsfindung, besonders auch für nicht fachkundige Beteiligte. Um zu einer effektiven und wirtschaftlichen Arbeitsweise zu gelangen, sind jedoch noch deutliche Fortschritte erforderlich.

www.sweco-gmbh.de

Von M. Stallmann

Dipl.-Ing. (FH) Miriam Stallmann, M.-Eng.Sweco GmbH, Frankfurt