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Verlegung von Ver- und Entsorgungsleitungen unter der A49 bei Stadtallendorf 27.03.2024, 00:00 Uhr

Pumpenschacht löst Kollisionsprobleme

Der Pumpenschacht wurde mit zwei Autokränen gleichzeitig an Ort und Stelle platziert. Foto: agc - aqua geo consult GmbH

Der Pumpenschacht wurde mit zwei Autokränen gleichzeitig an Ort und Stelle platziert.

Foto: agc - aqua geo consult GmbH

Aufgrund besonderer topographischer Verhältnisse werden neue Verkehrstrassen häufig tief in den Boden eingegraben. Dabei besteht die Gefahr, auf vorhandene Ver- oder Entsorgungsleitungen zu stoßen. Um einen immensen Erdaushub zu vermeiden, bietet es sich an, die Leitungen tiefer zu legen und im weiteren Verlauf das Wasser über Pumpen wieder in den Bestand zu leiten. Ein gutes Beispiel hierfür stellt der Neubau der A49 bei Stadtallendorf im mittelhessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf dar. Hier wurde eine Abwasserleitung rund 15 Meter tiefer gelegt. Ein hochmoderner Pumpenschacht sorgt für eine ordnungsgemäße Ableitung der Abwässer.

Die Bundesautobahn A 49 verbindet Kassel mit dem Schwalm-Eder-Kreis. Noch endet die nordhessische Autobahn in Schwalmstadt, aktuell wird an einer Fortführung bis Gemünden (Felda) mit Anschluss an die A5 gebaut. Da die neue Autobahn bei Stadtallendorf eine Bahnlinie unterquert, wurde die Trasse teilweise tief in den Boden eingegraben. Eine bisher in diesem Bereich verlaufende Abwasserleitung einer Bundesliegenschaft, die im Freigefälle an das Entwässerungssystem der benachbarten Stadt angeschlossen war, musste in diesem Zuge rund 15 Meter tiefer gelegt werden.

Druckleitung löst Abwasserleitung im Freigefälle ab

„Da die Verkehrsstraße die Abwasserleitung gekreuzt hätte, konnte diese nicht wie bisher im Freigefälle betrieben werden, sondern musste durch eine Druckleitung ersetzt werden. Zur Optimierung des Bauablaufes wurden zwei Druckleitungen, PE DA 110 SDR 11 für den Trockenwetterabfluss und PE DA 250 SDR 11 für Regenereignisse, als Bündel über 300 Meter im Spülbohrverfahren unter der geplanten Verkehrstrasse hindurchgebohrt. Die Rohrleitungen befinden sich an der tiefsten Stelle etwa 20 Meter unter dem ehemaligen Gelände. Am Anfang der Druckleitung dient ein großes Regenüberlaufbecken als Puffer für die neuen Druckleitungen. Am Auslauf des Rückhaltebeckens wurde ein Abwasserschredder installiert, welcher größere Stücke, wie zum Beispiel Stöcke, zerkleinert, bevor sie in den Pumpenschacht gelangen. Direkt hinter dem Regenüberlaufbecken haben wir dann einen großen Pumpenschacht errichtet, in dem vier Pumpen installiert wurden. Zwei kleinere, die für den Trockenwetterabfluss verantwortlich sind und zwei große, die für die Förderung von größeren Wassermengen bei Regenereignissen erforderlich sind“, erläutert Bauingenieur Jan Portugall vom Büro agc – aqua geo consult GmbH aus Kassel.

Im Pumpenschacht arbeiten vier Pumpen: zwei kleinere, die für den Trockenwetterabfluss verantwortlich sind und zwei große, für die Förderung von größeren Wassermengen bei Regenereignissen.

Foto: Finger Baustoffe GmbH

Trockenwetter- und Regenwetterpumpen ergänzen sich

Die Pumpen wurden jeweils redundant aufgestellt, um beim Ausfall einer Pumpe die Abwässer weiter fördern zu können. Der Pumpenschacht, der von der Finger-Beton Unternehmensgruppe geliefert wurde, ist dabei so konzipiert, dass das anfallende Abwasser zuerst den kleineren Trockenwetterpumpen zugeführt wird. Dabei werden die Pumpen, abhängig vom Wasserpegel im Pumpenschacht, über einen hydrostatischen Druckaufnehmer gesteuert. Fällt bei einem Regenereignis mehr Wasser an, als die „Trockenwetterpumpen“ fördern können, so springt eine sogenannte „Regenwetterpumpe“ an, welche das Abwasser in die größere der beiden Druckleitungen einspeist. Die Regenwetterpumpen werden ebenfalls über den hydrostatischen Druckaufnehmer gesteuert. Da die Stadt, an deren Abwassersystem die Druckleitung angeschlossen ist, nur eine begrenzte Abwassermenge aufnehmen kann, wurde die genehmigte Einleitmenge auf 59 Liter pro Sekunde begrenzt.

Überwachung per magnetisch-induktiver Durchflussmessung

Jan Portugall äußert sich wie folgt: „Um diese Einleitmengen einhalten zu können, wird die Druckleitung hinter den großen Pumpen über eine magnetisch-induktive Durchflussmessung (MID) überwacht und begrenzt. Mit deren Hilfe wird die Leistung der in Betrieb befindlichen Pumpe runterreguliert, sobald die genehmigten Abwassermengen überschritten werden. Um an dem MID Wartungsarbeiten durchführen zu können, wurde es in einem begehbaren Betonschacht platziert. Da sich beide Druckleitungen hinter dem Pumpenschacht an einem Hochpunkt befinden, wurde auf jeder Druckleitung ein Be- und Entlüftungsventil platziert, welche Luftpolstern in der Druckleitung beseitigen. Die Steuerung und Stromversorgung der gesamten Anlage erfolgt über eine extra für diesen Zweck errichtete Betonstation. Diese verfügt über einen doppelten Boden, unter dem die Kabel und Rohrleitungen in die Betonstation eingeführt werden und die Anbindung an Elektroverteilung und Schaltanlagen erfolgt.“

Druckentspannungsschächte bremsen Fließgeschwindigkeit

Am Ende der beiden Druckleitungen wurden diese jeweils in einen Druckentspannungsschacht eingeleitet und anschließend in einem Sammelschacht zusammengeführt, bevor sie wieder in die bestehende Freispiegelentwässerung eingebunden wurden. In den Druckentspannungsschächten wird das durch die Druckleitungen geförderte Abwasser aufgestaut, sodass es sich entspannen kann und die Fließgeschwindigkeit abgebremst wird. Anschließend kann es im Freigefälle in einer größeren Rohrleitung abfließen.

Bauteile des Pumpenschachts wurden vorgefertigt

Gefertigt wurde der Pumpenschacht aus zwei monolithischen Bauwerken im Werk Stockstadt der Finger-Beton Unternehmensgruppe. Die Bauteile, mit einem Gewicht von 40 Tonnen und 20 Tonnen, wurden fertig auf die Baustelle geliefert und aufgrund der Entfernung zwischen Baufeld und Straße jeweils mit zwei Autokränen per Tandemhub in die Baugrube eingebracht und miteinander verbunden.

Gegenseitige Behinderungen konnten entschäft werden

Ende 2024 soll die A49 komplett fertig sein. Auftraggeber für die Verlegung der Leitungen war der Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH). Die Projektleitung wurde seitens der LBIH-Niederlassung Nord wahrgenommen. Die Maßnahme zeigt, dass die notwendige Anlagentechnik unabhängig von Gelände, Infrastruktur und neuer Bauvorhaben mit Kollisionspotential, dank individuell gefertigter Betonbauteile so untergebracht werden konnte, dass technisch erforderliche Lösungen zeitnah realisiert und gegenseitige Behinderungen deutlich entschärft werden konnten.

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Von Von Melanie Schulz / Finger Beton