Meyer Werft: 10-Milliarden-Euro-Deal sichert Arbeit bis 2036
Die Meyer Werft sichert sich einen Milliardenauftrag von MSC Cruises. Mit der neuen Schiffsklasse „New Frontier“ ist der Standort bis 2035 ausgelastet.
Wende in Papenburg: Nach der Staatsrettung folgt der Rekordauftrag. MSC bestellt Schiffe der „New Frontier“-Klasse. Vollauslastung bis ins nächste Jahrzehnt.
Es ist eine Nachricht, die in der deutschen Maritim-Industrie für Aufatmen sorgt. Die Meyer Werft in Papenburg, lange Zeit das Sorgenkind der Branche, meldet sich mit einem Paukenschlag zurück. Die Geschäftsführung unterzeichnete eine Absichtserklärung mit der Schweizer Reederei MSC Cruises über einen der größten Aufträge der Unternehmensgeschichte. Das Volumen ist gewaltig: Rund zehn Milliarden Euro umfasst das Paket. Für die Ingenieurinnen und Ingenieure sowie die Belegschaft in Papenburg bedeutet dies Planungssicherheit über ein ganzes Jahrzehnt hinaus. Bis zum Jahr 2036 sind die Docks der Werft damit voll ausgelastet.
Die Vereinbarung markiert den vorläufigen Höhepunkt einer dramatischen Restrukturierungsphase. Noch vor kurzem stand das Traditionsunternehmen vor einer ungewissen Zukunft. Nun scheint die Strategie, technologische Exzellenz mit staatlicher Rückendeckung zu kombinieren, aufzugehen.
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Ingenieurskunst der nächsten Generation
Technisch betreten die Werft und die Reederei mit diesem Auftrag Neuland. Im Zentrum der Vereinbarung steht die Entwicklung und der Bau einer völlig neuen Schiffsklasse. Unter dem Projektnamen „New Frontier“ sollen Ozeanriesen entstehen, die neue Maßstäbe setzen. Die Dimensionen bleiben gigantisch: Jedes der Schiffe soll Platz für bis zu 5400 Passagiere bieten.
Die Ingenieurteams in Papenburg stehen damit vor komplexen Herausforderungen. Es gilt, Effizienz, neue Umweltstandards und die gewohnt hohe Fertigungsqualität in einem neuen Design zu vereinen. Laut der gemeinsamen Mitteilung von MSC und der Meyer Werft ist die Auslieferung des ersten Schiffes dieser Serie für das Jahr 2030 geplant. Danach soll jährlich eine weitere Einheit folgen. Der Vertrag umfasst konkret vier fest bestellte Kreuzfahrtschiffe sowie Optionen für zwei weitere Einheiten.
Bernd Eikens, Geschäftsführer der Meyer Werft, ordnet die Dimension des Deals historisch ein: „Dieser neue Auftrag ist ein bedeutender Meilenstein in der 230-jährigen Geschichte der Meyer Werft.“ Für die technische Abteilung und die Fertigung bedeutet dies einen nahtlosen Übergang von den aktuellen Projekten hin zur nächsten technologischen Generation im Kreuzfahrtbau.
Die Wette des Staates geht auf
Der Großauftrag hat auch eine hochpolitische Dimension. Er rechtfertigt nachträglich das massive Eingreifen der öffentlichen Hand. Im vergangenen Jahr hatten der Bund und das Land Niedersachsen in einer konzertierten Aktion jeweils 40 % der Anteile an der angeschlagenen Werft übernommen. Zusätzlich stellten sie einen Kreditrahmen von 2,6 Milliarden Euro bereit, um die Liquidität zu sichern. Kritiker hatten diesen Schritt damals als riskant bezeichnet.
Die aktuellen Entwicklungen stärken nun die Position der Befürworter. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sieht in dem Auftrag eine Bestätigung der politischen Strategie. „Dieser Auftrag sichert die Auslastung der Werft bis weit ins nächste Jahrzehnt“, so Reiche am Montag. Sie wertet den Zuschlag nicht nur als wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch als technologischen Ritterschlag: „Es ist ein Zeichen für die Anerkennung von höchster Ingenieurskunst. Ein Bekenntnis zum maritimen Standort Deutschland.“ Die Wettbewerbsfähigkeit der Werft sei damit wiederhergestellt.
Auch auf Landesebene herrscht Erleichterung. Der niedersächsische Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) sieht die Vereinbarung als Bestätigung für den Kurs der Landesregierung. „Diese Vereinbarung ist mehr als ein formaler Akt“, erklärt Lies. „Sie ist ein starkes Signal an die Menschen in der gesamten Region um Papenburg und an die über 1800 Zulieferer, deren Know-how unser maritimes Rückgrat bildet.“ Lies betont zudem, dass es bei der Rettung nicht nur um zivilen Schiffbau ging, sondern auch um strategische Aspekte der nationalen Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit.
Wertschöpfung in der Region
Für den Maschinenbau und die Zulieferindustrie im Nordwesten Deutschlands ist die Nachricht von existenzieller Bedeutung. Ein Kreuzfahrtschiff ist ein komplexes System, das aus Millionen Einzelteilen besteht. Die Meyer Werft fungiert hierbei als Systemintegrator. Nach Unternehmensangaben sind rund 20.000 Arbeitsplätze in der weiteren Region direkt oder indirekt mit der Werft verbunden. In der Werft selbst arbeiten derzeit mehr als 3200 Beschäftigte.
Nico Bloem, Abgeordneter der SPD-Landtagsfraktion, unterstreicht diesen wirtschaftlichen Hebeleffekt. Er bezeichnet die Nachrichten als „fantastisch“ und analysiert die ökonomischen Folgen: „Dieser Auftrag bringt massive Wertschöpfung nach Niedersachsen und sichert die Arbeitsplätze auf der Meyer Werft für mehr als ein Jahrzehnt.“ Seiner Ansicht nach beweise der Deal, dass der „Einsatz des Landes für die Arbeitsplätze in Papenburg goldrichtig war.“
Die Werft war zuvor durch eine toxische Mischung aus externen Faktoren in Schieflage geraten. Während der Corona-Pandemie brach die Nachfrage nach Kreuzfahrten fast vollständig ein. Gleichzeitig explodierten infolge des Ukraine-Kriegs die Energie- und Rohstoffpreise, was die Kalkulationen für laufende Bauprojekte massiv belastete.
Gewerkschaft mahnt nachhaltige Umsetzung an
Bei aller Euphorie über die vollen Auftragsbücher richtet sich der Blick der Arbeitnehmervertretung bereits auf die konkrete Ausgestaltung. Die IG Metall begrüßt den Auftrag ausdrücklich als „ein klares Signal, dass die Werft auf dem richtigen Weg ist“. Die Gewerkschaft fordert nun jedoch, die Beschäftigungssicherung für mindestens 3100 Stellen in Papenburg vertraglich festzuzurren.
Der staatliche Einfluss soll indes kein Dauerzustand bleiben. Das Ziel der Politik bleibt der spätere Ausstieg aus dem operativen Geschäft. „Wir verfolgen das klare Ziel der Reprivatisierung der Meyer Werft, legen aber gleichzeitig großen Wert auf eine nachhaltige Umsetzung“, betonte Bundeswirtschaftsministerin Reiche. Der Fokus liegt nun darauf, die „New Frontier“-Klasse nicht nur zu verkaufen, sondern profitabel und fristgerecht zu fertigen.
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