Sollte Deutschland einen Feiertag streichen?
Ein zusätzlicher Arbeitstag soll Milliarden bringen. Doch stimmt das wirklich? Ein Blick auf Daten und Debatten.
Allerheiligen fällt auf Samstag – so könnte Deutschland Nachholtage einführen wie andere Länder.
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Mehr Arbeitstage 2026 bringen leichte Wirtschaftserholung
Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist es ein Nachteil, für die Wirtschaft jedoch ein Vorteil: Im kommenden Jahr fallen mehr Feiertage auf Wochenenden. Dadurch müssen Beschäftigte in Deutschland insgesamt mehr arbeiten. Laut Statistischem Bundesamt gibt es 2026 im Schnitt 250,5 Arbeitstage – das sind 2,4 Tage mehr als 2025, das mit 248,1 Arbeitstagen den niedrigsten Wert seit 2019 hatte.
Wirtschaftsexperten haben diese zusätzlichen Arbeitstage bereits in ihre Prognosen für 2026 eingerechnet. Nach drei schwachen Jahren soll die deutsche Wirtschaft wieder leicht wachsen. Erwartet wird ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,9 % bis 1,3 %.
Das Ende der Flaute rückt damit näher – unter anderem wegen der zusätzlichen Arbeitstage. Eine Faustregel besagt: Ein Arbeitstag mehr kann das BIP um etwa 0,1 % steigern. Das wären bis zu 8,6 Milliarden Euro, wie Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigen.
Feiertage streichen, Wirtschaft ankurbeln?
In den letzten Monaten haben immer wieder Stimmen aus Wirtschaft und Politik vorgeschlagen, einzelne Feiertage zu streichen, um das Arbeitsangebot zu erhöhen und so das Bruttoinlandsprodukt zu steigern. Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) gehen davon aus, dass ein zusätzlicher Arbeitstag 5 Mrd. € bis 8 Mrd. € mehr Wirtschaftleistung bringen könnte. Auch einzelne Wirtschaftsweisen und Ifo-Vertreter befürworteten in der Vergangenheit die Abschaffung von Feiertagen als Symbol oder Mittel zur Erhöhung der Arbeitsstunden.
Eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis. Die Forscher untersuchten sechs Fälle aus den letzten 30 Jahren, in denen Feiertage gestrichen oder neu eingeführt wurden. Sie fanden keinen klaren Zusammenhang zwischen weniger Feiertagen und höherem Wirtschaftswachstum. In rund der Hälfte der Fälle entwickelten sich Regionen mit erhaltenen oder neu eingeführten Feiertagen wirtschaftlich sogar besser.
Die Studie weist darauf hin, dass Produktivität, Erholung und Innovation mindestens genauso entscheidend für die gesamtwirtschaftliche Leistung sind wie die reine Zahl der Arbeitsstunden. Weniger Erholung durch Feiertagsstreichungen könnte die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten mindern. Außerdem zeigten sich Effekte, bei denen stark belastete Arbeitnehmer als Reaktion auf Feiertagsstreichungen ihre Arbeitszeit an anderer Stelle reduzierten, etwa in Teilzeitstellen.
Ostermontag streichen?
Die Chefin des Lasertechnik-Unternehmens Trumpf, Nicola Leibinger-Kammüller, regte kürzlich an, den Ostermontag als freien Tag zu streichen. Sie begründete dies laut „Stuttgarter Nachrichten“ und „Stuttgarter Zeitung“ damit, dass Deutschland besonders viele Feiertage und überdurchschnittlich viele Krankheitstage habe und man so Industriearbeitsplätze im Land sichern könne.
Auch der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, soll es für sinnvoll halten, Feiertage abzubauen, um die Wirtschaftsleistung zu steigern. Und die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer befürworte laut Berichten ebenfalls die Abschaffung eines Feiertages, um staatliche Krisenkosten besser zu finanzieren.
Zweifel an der erhofften Wirkung
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung kommt in einer Analyse zu einem anderen Ergebnis als viele Wirtschaftsvertreter. In sechs untersuchten Fällen zeigte sich, dass sich die Wirtschaft in etwa der Hälfte der Fälle sogar besser in den Bundesländern entwickelte, in denen Feiertage bestehen blieben oder neu eingeführt wurden. Der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien, schlussfolgerte demnach, die Vorstellung, weniger Feiertage würden automatisch zu mehr Wachstum führen, gehe nicht auf.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) verweist darauf, dass selbst die Abschaffung des Buß- und Bettags im Jahr 1995 keinen spürbaren wirtschaftlichen Vorteil gebracht habe. Zudem würden Feiertage die Erholung der Beschäftigten fördern – und damit langfristig auch ihre Produktivität.
Die Statistiker des Statistischen Bundesamts weisen außerdem darauf hin, dass der tatsächliche wirtschaftliche Effekt eines zusätzlichen Arbeitstags stark davon abhängt, wann dieser im Jahr liegt. Fällt er in die ruhige Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr, bringt er kaum etwas. Liegt er dagegen auf einem Tag wie dem 1. Mai oder dem 3. Oktober, kann der Einfluss auf das Bruttoinlandsprodukt deutlich größer sein.
Feiertage nachholen
Erst vor kurzen forderte der DGB , dass Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, in Deutschland nachgeholt werden – ein Modell, das in vielen europäischen Ländern längst üblich ist. In anderen Ländern Europas ist man da schon weiter: In Spanien, Belgien oder Großbritannien ist es üblich, dass solche Feiertage nachgeholt werden. Entweder fällt dann automatisch der folgende Montag frei, oder es wird ein Ersatztag bestimmt. Deutschland hingegen tut sich damit noch schwer – und bei ungünstigen Kalenderjahren kann das bedeuten, dass uns gleich mehrere Urlaubstage „durch die Lappen gehen“.
Nächstes Jahr würde dieses Thema gleich vier Feiertage betreffen – für alle, die regulär samstags nicht arbeiten, ein deutlicher Verlust von Freizeit.
„Was in zahlreichen anderen Ländern selbstverständlich ist, muss endlich auch in Deutschland Standard werden“, zitiert die dpa den DGB-Landeschef Bernhard Stiedl. In diesem Zusammenhang kritisierte er auch Forderungen von Arbeitgeberseite, einen Feiertag ganz zu streichen.
Seiner Ansicht nach dürften Beschäftigte weder durch Streichungen noch durch ungünstige Kalenderlagen um ihre Erholungszeit gebracht werden. Gut erholte Mitarbeitende seien zudem motivierter, gesünder und leistungsfähiger – wovon letztlich auch die Arbeitgeber profitieren würden.
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