Trick or Treat? 30.10.2025, 11:30 Uhr

Kürbis-Engineering: Wie das Halloween-Gemüse Giftstoffe bindet

Kürbisgewächse holen Umweltgifte aus dem Boden und lagern sie ausgerechnet dort ein, wo wir hineinbeißen. Japanische Forscher haben herausgefunden, wie der Schadstofftransport funktioniert – und wie man ihn sich zunutze machen kann.

Mehr als Halloween-Deko: Kürbisse transportieren Bodenschadstoffe in ihre Früchte. Forscher wollen diesen Mechanismus nun für die Bodensanierung nutzen.. Foto: Smarterpix/NewAfrica

Mehr als Halloween-Deko: Kürbisse transportieren Bodenschadstoffe in ihre Früchte. Forscher wollen diesen Mechanismus nun für die Bodensanierung nutzen..

Foto: Smarterpix/NewAfrica

Wer an Halloween einen Kürbis aushöhlt, denkt vermutlich nicht an Umweltgifte. Vielleicht sollte er (oder sie) das aber. Denn Kürbisse und ihre Verwandten – Zucchini, Gurken, Melonen – haben eine unangenehme Eigenschaft: Sie holen Schadstoffe aus dem Boden und lagern sie ausgerechnet in den Teilen ein, die wir essen. Andere Pflanzen tun das nicht. Warum ausgerechnet die Kürbisgewächse?

Dieser Frage sind Forscher der Universität Kobe in Japan nachgegangen. Was sie herausgefunden haben, ist nicht nur für die Lebensmittelsicherheit relevant – es könnte auch den Weg zu einer neuen Generation von Pflanzen ebnen, die unsere Böden von Giftstoffen befreien.

Molekularer Transport im Inneren der Pflanze

„Die Schadstoffe bauen sich nicht leicht ab und stellen damit ein Gesundheitsrisiko für Menschen dar, die die Früchte essen“, erklärt Hideyuki Inui, Agrarwissenschaftler an der Kobe University. Für den Transport der Schadstoffe innerhalb der Pflanze sind spezielle Proteine zuständig, die das Team in früheren Studien identifiziert hatte. Diese docken an Schadstoffe im Pflanzensaft an und transportieren sie an die essbaren Fruchtkörper. Diese Proteine gibt es auch in anderen Pflanzen, aber in Kürbissen sind sie besonders häufig. Dabei unterschieden sich die einzelnen Kürbissorten stark voneinander. Warum eigentlich?

Der Schlüssel liegt in der Abscheidung der Proteine aus den Pflanzenzellen in den Pflanzensaft. Das Team fand heraus: Bei Sorten, die viele Giftstoffe anreichen, gelangen viele der Proteine aus den Zellen in den Pflanzensaft und stehen dort als Transportvehikel zur Verfügung. Bei schwach anreichernden Sorten bleiben hingegen die meisten Proteine in den Zellen zurück – und können keine Schadstoffe durch die Pflanze befördern.

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Die eigentliche Entdeckung der Japaner: Den entscheidenden Unterschied macht eine minimale Variation in der Aminosäuresequenz des Proteins. Sie wirkt wie ein molekulares Adressetikett und bestimmt, ob die Zelle ein Protein in den Pflanzensaft abgibt oder nicht. „Nur Proteine, die in den Saft gelangen, können innerhalb der Pflanze wandern und zu den oberirdischen Teilen transportiert werden“, erklärt Inui. „Das scheint der entscheidende Faktor zwischen niedrig und hoch anreichernden Pflanzensorten zu sein.“

Tabakpflanzen als Testlabor

Um ihre These zu überprüfen, wählten die Forscher einen cleveren Weg: Sie brachten Tabakpflanzen – die normalerweise keine Schadstoffe anreichern – dazu, die stark transportierenden Proteinvarianten zu produzieren. Das Ergebnis: Auch die Tabakpflanzen gaben die Proteine plötzlich in ihren Saft ab und reicherten Schadstoffe an. Die Entdeckung ist ein Paradebeispiel für molekulares Bioengineering: Ein winziger Schalter – die Aminosäuresequenz – entscheidet über das Verhalten des gesamten biologischen Transportsystems.

Zwei praktische Anwendungen

Die Erkenntnisse ihres Kürbis-Engineerings eröffnen den Forschern zwei gegensätzliche Anwendungsmöglichkeiten: Kürbisse so zu optimieren, dass sie entweder besonders viele oder besonders wenige Schadstoffe aufnehmen. Inui erklärt:

„Durch die Kontrolle des Verhaltens schadstofftransportierender Proteine – sei es durch Veränderung ihrer Bindungsfähigkeit oder ihrer Freisetzung in den Pflanzensaft – sollte es möglich sein, sichere Nutzpflanzen zu kultivieren, die keine schädlichen Chemikalien in ihren essbaren Teilen anreichern.“

Die erste Anwendung liegt also auf der Hand: Züchter oder Gentechniker könnten Lebensmittelpflanzen so optimieren, dass die abscheidenden Proteine in den Zellen bleiben. Das Ergebnis wäre schafstofffreies Gemüse, auch auf leicht kontaminierten Böden.

Doch der Forscher denkt auch in die entgegengesetzte Richtung: „Ich habe diese Forschung begonnen, weil ich nach Pflanzen suchte, die Schadstoffe effektiv aufnehmen können. Daher stelle ich mir vor, dass wir das gewonnene Wissen nutzen könnten, um Pflanzen zu schaffen, die Bodenschadstoffe noch effektiver absorbieren. Das könnte eine Technologie zur Reinigung kontaminierter Böden werden.“

Phytoremediation: Pflanzen als biologische Kläranlagen

Die Idee dahinter heißt Phytoremediation – die Nutzung von Pflanzen zur Bodensanierung. Statt kontaminierte Flächen aufwendig abzutragen oder chemisch zu behandeln, pflanzt man speziell optimierte Gewächse, die die Schadstoffe aufnehmen. Nach der Ernte werden die belasteten Pflanzen fachgerecht entsorgt – und der Boden ist sauberer.

Mit dem Verständnis des molekularen Transportmechanismus könnten Züchter Pflanzen nun so designen, dass sie bestimmte Schadstoffe besonders effizient binden und in maximalen Mengen nach oben transportieren. Super-Kürbisse für die Umwelttechnik.

Die Ambivalenz des Kürbis

Der Kürbis ist also ein ambivalentes Gewächs: Einerseits sammelt er Schadstoffe, weshalb man bei seiner Standortwahl vorsichtig sein sollte. Andererseits ist er ein mögliches Werkzeug für die Umwelttechnik der Zukunft.

Wer also beim Halloween-Kürbis-Schnitzen einen Moment innehält, darf ruhig an Aminosäuren und Phytoremediation denken. Das Gemüse besitzt größeres Engineering-Potenzial, als man auf den ersten Blick vermuten würde.

Hier geht es zur Originalpublikation.

Ein Beitrag von:

  • Magnus Schwarz

    Magnus Schwarz schreibt zu den Themen Wasserstoff, Energie und Industrie. Nach dem Studium in Aachen absolvierte er ein Volontariat und war mehrere Jahre als Fachredakteur in der Energiebranche tätig. Seit Oktober 2025 ist er beim VDI Verlag.

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