Extremwetter-Kongress in Hamburg 25.09.2025, 15:00 Uhr

Klimawandel: „Scheitern ist kein Schicksal, sondern eine bewusste Wahl“

Während US-Präsident Donald Trump den Klimawandel anzweifelt, ist die Wissenschaft klarer als je zuvor. Meteorologie und Physik warnen vor einem beschleunigten Klimawandel.

Blitze bei einem heftigen Gewitter über Siegsdorf und dem Hochfelln...

Klimawandel kann Extremwetterereignisse häufiger machen. Das Bild zeigt Blitze bei einem heftigen Gewitter in Bayern. Während US-Präsident Donald Trump dieser Tage vor der UN den Klimawandel erneut anzweifelte, ist die Wissenschaft klarer als jemals zuvor. Meteorologie und Physik warnen gar vor einem beschleunigten Klimawandel.

Foto: picture alliance / imageBROKER/Christian Peters

Manchmal scheint es einem als Beobachter, als ob sie sich alle verabredet hätten. So, wie diese Woche zum Thema Klimawandel. Angesichts von russischen Bedrohungen, US-amerikanischer Zoll-Drohkulisse, chinesischer Industriedominanz und innerdeutschem Schwarmützel um Geld und marode Infrastrukturen schien „Klima“ nur noch unter „ferner liefen“ eingeordnet. Abgehakt. Kümmern wir uns, wenn wir mal etwas mehr Zeit haben.

Der Klimawandel ist zurück auf der Weltbühne

Aber: Gerade steht „Klima“ mal wieder im Fokus. Donald Trump machte am Dienstag in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung den Auftakt. Nicht, dass er etwas gesagt hätte, was er nicht schon mal gesagt hätte. Aber er hat den Klimawandel adressiert. Der sei der „größte Betrug“. Und: „Wenn Sie sich nicht von diesem Betrug mit der grünen Energie distanzieren, wird Ihr Land scheitern.“ Den CO2-Fußabdruck bezeichnete Trump als eine „Lüge“, die von Menschen mit bösen Absichten erfunden worden sei.

Und es ging am Tag auf der U-Generalversammlung weiter mit dem Klimaschutz. UN-Generalsekretär António Guterres hatte am 24. September zu einem Klimagipfel geladen. Eine Vorbereitung auf die 30. Weltklimakonferenz in diesem November in Brasilien. Auf der Chinas Präsident Xi Jinping als erster Politikvertreter neue Klimaziele und Ausbauziele für erneuerbare Energien ankündigte.

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Wissenschaft sieht klare Erkenntnisse beim Klimawandel

Auftakt aber machte die Wissenschaft. Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), – ohne Trump zu erwähnen – erklärte die Lage wie folgt: „Die Wissenschaft ist sich einig – wir stehen vor einer planetaren Krise. Und wir haben skalierbare Lösungen … Wege, die uns alle zu Gewinnern machen. Das Fenster zu einer beherrschbaren Klimazukunft ist noch offen, aber nur noch knapp.“

Dabei eilen wir seit Jahren von Rekord- zu Rekordjahr. Die Lehren daraus leiten wissenschaftliche Institutionen seit Jahren immer wieder ab, damit die Politik den Stand der Dinge kennt und Handlungsoptionen besitzt.

Weblink zum Videostream: Rockströms Rede [Wortlaut siehe Kasten am Textende] findet sich in der Videoaufzeichnung des sechsstündigen UN-Gipfels ganz zu Anfang.

Extremwetterkongress: Klimawandel besorgt Meteorologen und Physiker

Am heutigen 25. September schließlich meldeten sich die deutschen meteorologischen und physikalischen Gesellschaften mit einem gemeinsamen „Aufruf zu entschlossenem Handeln“ zu Wort. Die globale Erwärmung beschleunige sich. Das Papier kam zeitgleich zum Start des Extremwetterkongresses in Hamburg heraus. „Die Beschleunigung der globalen Erwärmung ist derart schnell, dass wir aus der Klimakurve fliegen“, sagte Frank Böttcher, Vorsitzender der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG) und Veranstalter des Kongresses, laut dpa gleich zum Auftakt der Tagung. „Wir müssten dringend auf die Bremse treten, doch emittieren wir weiterhin viel zu viel CO2. Wir müssen jetzt mit einer Welt denken und planen, in der wir 2050 bereits die 3-Grad-Grenze überschreiten“, warnte der Meteorologe.

Auch der Deutsche Wetterdienst (DWD) ist laut dpa zu einer Neubewertung hinsichtlich des Entwicklungstrends der Temperaturen in Deutschland gekommen. „Wir beobachten eine beispiellose Häufung von Wärmerekordjahren mit Blick auf das zurückliegende Jahrzehnt“, sagte DWD-Vorstandsmitglied Tobias Fuchs. „Der Klimawandel beschleunigt sich – und mit ihm nehmen Wetterextreme wie Hitzewellen und Trockenphasen spürbar zu.“

Auswirkung des Klimawandels konkret in Deutschland zu spüren

Konkret verändert sich Deutschland durch den Klimawandel. „Die Nordsee war im Frühjahr und Sommer 2025 so warm wie nie seit Beginn der Messungen“, sagte Helge Heegewaldt, Präsident des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). In Kiel habe eine marine Hitzewelle über 55 Tage gedauert – mit Temperaturen von mehr als 4 °C über dem langjährigen Mittel.

Seit 1900 sei der Meeresspiegel in Cuxhaven um mehr als 25 cm gestiegne, in Warnemünde um 20 cm. Klimawandel ist messbar. „Dadurch erhöhen sich die Wasserstände an unseren Küsten deutlich. Auch Sturmfluten werden vor diesem Hintergrund heftiger ausfallen“, warnte Heegewaldt laut dpa.

„Panik hilft niemandem, aber die Erkenntnisse zum Klimawandel sind eine starke Motivation, planvoll, konsequent und zügig den Weg hin zu einer Wirtschaft ohne Kohle, Öl und Gas weiterzugehen“, sagte Bundesumweltminister Carsten Schneider anlässlich des Extremwetterkongresses. „Ohne internationale Klimapolitik wäre die Welt auf einem 5-Grad-Erhitzungskurs mit katastrophalen Folgen.“ Aus Schneiders Sicht sind die Voraussetzungen für weiteren Fortschritt „noch nie so gut wie heute“.

Welche Klimabaustellen Deutschland hat, lesen sie hier.

Wissenschaft diskutiert, ob der Klimawandel sich beschleunigt

Wissenschaft würde sich selbst nicht ernst nehmen, würden die Forscherinnen und Forscher nicht genau hinsehen. So gibt es zum Aufruf „Globale Erwärmung beschleunigt sich“ Einwürfe von Wissenschaftlern, über die das Science Media Center berichtet. „Zunächst kann man in der Tat sagen, dass die global gemittelte Temperatur in den letzten Jahrzehnten schneller gestiegen ist als in den Jahrzehnten zuvor. Die längerfristige Erwärmungsrate lag seit den 1970er-Jahren bei ungefähr 0,2 °C pro Dekade, wohingegen sie in den letzten zehn bis 20 Jahren eher im Bereich von 0,25 °C bis 0,3 °C pro Dekade lag“, beschreibt Helge Gößling, Klimaphysiker und Arbeitsgruppenleiter in der Abteilung Klimadynamik am Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven, die Lage. Allerdings: „Ob sich diese Beschleunigung angesichts natürlicher Schwankungen bereits statistisch robust belegen lässt, ist nach meinem Kenntnisstand noch nicht eindeutig geklärt. Allerdings wäre eine tatsächliche Beschleunigung keine Überraschung.“

Auch Bjorn Stevens, Direktor der Abteilung Klimaphysik, Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg, betont, dass es seiner Ansicht nach „keinen wissenschaftlichen Konsens darüber“ gibt, dass sich die Erwärmung beschleunigt. Der Zeitraum von Mitte 2023 bis Mitte 2024 war hinsichtlich der sprunghaften Veränderung der globalen Durchschnittstemperaturen alarmierend, aber nicht beispiellos. Die Veränderungen über wenige Jahre hinweg können weder als Zeichen einer beschleunigten Erwärmung gewertet werden, noch schließen sie diese aus.

Keine Anzeichen für Abschwächung des Klimawandels erkennbar

Es ist das alte Dilemma, dass es durchaus wissenschaftliche Erkenntnisse – und das eine ganze Reihe davon – gibt, die nahelegen, dass sich der Klimawandel und die Erderwärmung beschleunigt haben und dies auch weiter der Fall sein kann. Aber methodisch sauber nachweisen lässt es sich nicht. Insofern kann Wissenschaft nur davor warnen und betonen, dass es Anzeichen dafür gibt.

Christian Franzke, Professor am Center for Climate Physics des Institute for Basic Science der Universität Busan in Südkorea, beschreibt die Beobachtungslage. „Die Beschleunigung der Erderwärmung basiert auf Daten von nur 15 Jahren. Das ist recht kurz; normalerweise brauchen wir Klimaforscher mindestens 30 Jahre, um sicher über Trends reden zu können.“ Andererseits seien auch keine Anzeichen dafür erkennbar, dass sich die Erwärmung abschwächen würde. „Von daher können wir 2050 einer Erwärmung von 3 °C ausgehen, da die meisten Länder – auch Deutschland – nicht schnell genug ihre Treibhausgasemissionen auf null reduzieren; eher emittieren wir immer mehr.“

Erdsysteme überschreitet kritische Belastungsgrenzen

Am 24. September stellte das PIK einen neuen Bericht vor, der nach Angaben des Instituts aufzeigt, dass mittlerweile sieben der neun kritischen Belastungsgrenzen des Erdsystems überschritten sind. Das sei eine mehr als im Vorjahr.

„Mehr als drei Viertel der lebenswichtigen Erdsystem-Funktionen befinden sich nicht mehr im sicheren Bereich. Die Menschheit verlässt ihren sicheren Handlungsraum und erhöht so das Risiko, den Planeten zu destabilisieren“, so PIK-Direktor Rockström. Klimawandel, Integrität der Biosphäre, Veränderung der Landnutzung, Veränderung des Süßwasserkreislaufs, Veränderung der biogeochemischen Kreisläufe, Eintrag menschengemachter Substanzen sowie – neu im Jahr 2025 – die Ozeanversauerung seien betroffen. Alle sieben zeigen dem Forschungsteam zufolge in eine bedenkliche Richtung.

Dass international getroffene Vereinbarungen Wirkung zeigen können, zeigten laut PIK die beiden Bereiche, die bisher noch im sicheren Bereich lägen: die Belastung durch Aerosole (Luftverschmutzung) und die Ozonschicht. „Jahrzehntelanges internationales Handeln – etwa das Montreal-Protokoll oder strengere Regeln im Schiffsverkehr – zeigt, dass politische Maßnahmen Veränderungen erwirken können“, so das PIK in seiner Mitteilung.

Hoffnung bei Engagement gegen Klimawandel

UN-Generalsekretär António Guterres sieht einem dpa-Bericht zufolge im Kampf gegen die Klimakrise auch positive Entwicklungen – etwa bei der Energiewende. „Wir stehen am Beginn einer neuen Energie-Ära“, sagte er am Rande der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York. Als Beispiele nannte er China und Indien. Beide hätten einige ihrer selbst gesetzten Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien deutlich früher erreicht als geplant. Chinas Präsident Xi Jinping hatte dort auch die Klimaziele für die kommenden Jahre konkretisiert: Die Volksrepublik werde bis 2035 den Ausstoß von Treibhausgasen, gemessen an den Höchstwerten, um 7 % bis 10 % senken.

Der Anteil nicht fossiler Energie am gesamten Energiekonsum soll auf mehr als 30 % steigen. Bis 2035 sollen 3600 GW an Wind- und Solarkraftwerken installiert sein  – sechsmal so viel wie 2020. Jinping verkündete zwar kein „Verbrenner-Aus“, aber er sprach davon, dass Neuwagen „überwiegend“ Elektro- und Hybridautos sein sollen. „Unsere Berechnungen zeigen, dass das neue Ziel wahrscheinlich nicht zu einer weiteren Senkung der Emissionen führen wird, da China dieses Ziel mit den bereits bestehenden Maßnahmen ohnehin erreichen wird“, kommentierte Norah Zhang, die Leiterin des Climate Action Trackers für China und Analystin am NewClimate Institute. Das sei enttäuschend, da China die Möglichkeit hätte, schneller zu dekarbonisieren.

Ein Beitrag von:

  • Stephan W. Eder

    Stephan W. Eder

    Stephan W. Eder ist Technik- und Wissenschaftsjournalist mit den Schwerpunkten Energie, Klima und Quantentechnologien. Grundlage hierfür ist sein Studium als Physiker und eine anschließende Fortbildung zum Umweltjournalisten.

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