Südlicher Ozean 27.06.2025, 10:17 Uhr

Unterschätzte Klimawächter: Wie Zooplankton CO₂ versenkt

Kleine Zooplankton-Arten speichern jährlich 65 Mio. Tonnen CO₂ im Südlichen Ozean – ein entscheidender Faktor fürs Klima, bisher kaum beachtet.

Copepoden unter dem Mikroskop: Die winzigen Krebstiere gehören zu den häufigsten Meeresbewohnern und spielen eine zentrale Rolle bei der CO₂-Speicherung im Südlichen Ozean. Foto: Smarterpix / tonaquatic19

Copepoden unter dem Mikroskop: Die winzigen Krebstiere gehören zu den häufigsten Meeresbewohnern und spielen eine zentrale Rolle bei der CO₂-Speicherung im Südlichen Ozean.

Foto: Smarterpix / tonaquatic19

Im Südlichen Ozean transportieren winzige Meeresorganismen wie Copepoden große Mengen an Kohlenstoff in die Tiefe. Eine neue Studie zeigt, dass ihre saisonalen Wanderungen einen bisher unterschätzten Beitrag zur CO₂-Speicherung leisten. Dies könnte entscheidend für die Verbesserung von Klimamodellen sein.

Neue Erkenntnisse zur Rolle des Zooplanktons

Eine aktuelle Studie befasst sich mit einem bislang unterschätzten Prozess im Kohlenstoffkreislauf der Erde. Forschende haben gezeigt, dass kleinste Meeresbewohner wie Copepoden, Krill und Salpen im Südlichen Ozean eine zentrale Rolle bei der Kohlenstoffspeicherung spielen. Der Schlüssel: Ihre regelmäßige Wanderung in tiefe Wasserschichten – ein Verhalten, das nicht nur für ihr Überleben wichtig ist, sondern auch den globalen CO₂-Haushalt beeinflusst.

Der Südliche Ozean gilt als bedeutende Kohlenstoffsenke. Er absorbiert rund 40 % des CO₂, das die Weltmeere aus menschlichen Quellen aufnehmen. Bisher lag der Fokus auf dem Absinken organischer Partikel, etwa von abgestorbenem Plankton. Die neue Studie beleuchtet nun einen zusätzlichen Mechanismus, der auf aktiver Bewegung basiert: die sogenannte saisonale Wanderungspumpe.

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Was genau passiert bei dieser Wanderung?

Im Verlauf des Jahres wandert das Zooplankton zwischen verschiedenen Wassertiefen. Im Sommer ernähren sich die Tiere von Phytoplankton in den oberen Schichten. Im Herbst sinken sie gezielt in Tiefen unter 500 Meter ab, um dort zu überwintern. In dieser Phase geben sie durch Atmung und nach dem Tod Kohlenstoff an die Tiefsee ab. Dieser Kohlenstoff bleibt dort über lange Zeiträume gebunden – deutlich effektiver als bei Partikeln, die nur durch Schwerkraft absinken.

Dr. Guang Yang, Meeresökologe an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und Erstautor der Studie, erklärt: „Unsere Arbeit zeigt, dass Zooplankton die stillen Helden der Kohlenstoffbindung sind. Ihre saisonalen Wanderungen erzeugen einen massiven, bisher nicht quantifizierten Kohlenstofffluss, der nun in Modelle einbezogen werden muss.“

Zooplankton

Linkes Feld: Die traditionelle Vorstellung davon, wie Zooplankton Kohlenstoff in die Tiefe transportiert, indem es im Sommer Phytoplankton in den Oberflächengewässern frisst, wobei dessen Abfallstoffe (partikulärer organischer Kohlenstoff, POC) passiv in große Tiefen sinken und so den Kohlenstoff für Tausende von Jahren speichern. Rechtes Bild: Diese neue Studie zeigt, dass ein winterlicher Prozess, der als „saisonale Wanderpumpe” bekannt ist, ebenfalls zu einer erheblichen Kohlenstoffspeicherung in der Tiefe führt. Das Zooplankton wandert im Herbst nach unten, um unterhalb von 500 m zu überwintern, wo seine Atmung und sein Absterben jährlich rund 65 Millionen Tonnen Kohlenstoff direkt in die Tiefsee einbringen.

Foto: Yang, G. et al.

Wie viel Kohlenstoff wird gespeichert?

Die Studie beziffert die durch die Wanderung gespeicherte Menge auf etwa 65 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr. Zum Vergleich: Das entspricht in etwa dem jährlichen CO₂-Ausstoß von über 15 Millionen Mittelklasse-Pkw.

Vor allem Copepoden – winzige Krebstiere mit einem Durchmesser von wenigen Millimetern – dominieren diesen Prozess. Laut der Analyse sind sie für rund 80 % des Kohlenstoffflusses verantwortlich. Krill trägt etwa 14 % bei, Salpen rund 6 %. Das Team nutzte dafür historische und aktuelle Daten aus über 100 Jahren, die durch Netzfänge im gesamten Südlichen Ozean gesammelt wurden.

Auswirkungen auf Klimamodelle

Bislang unterschätzen viele Erdsystemmodelle die Rolle biologischer Prozesse in tieferen Wasserschichten. Das könnte sich nun ändern. Die „saisonale Wanderungspumpe“ bietet eine neue Perspektive auf natürliche CO₂-Senken – und auf deren Verletzlichkeit. Denn durch die globale Erwärmung verändern sich auch die Lebensräume und Wanderbewegungen des Zooplanktons.

Dr. Jen Freer vom British Antarctic Survey betont: „Krill ist bekannt für seine Rolle im antarktischen Nahrungsnetz, aber wir haben festgestellt, dass Copepoden die Kohlenstoffspeicherung im Winter deutlich dominieren. Dies hat große Auswirkungen, da sich die Ozeane erwärmen und ihre Lebensräume sich verlagern könnten.“

Auch Dr. Katrin Schmidt von der Universität Plymouth warnt vor den Folgen: „Die Studie zeigt, dass die ‚saisonale Wanderungspumpe‘ ein wichtiger Weg der natürlichen Kohlenstoffbindung in Polarregionen ist. Der Schutz dieser Wanderer und ihrer Lebensräume wird dazu beitragen, den Klimawandel abzuschwächen.“

Warum ist das relevant?

Im Gegensatz zu absinkendem Detritus, der neben Kohlenstoff auch wichtige Nährstoffe wie Eisen aus dem oberen Ozean entfernt, recycelt das wandernde Zooplankton diese Stoffe in oberen Wasserschichten. Gleichzeitig transportiert es Kohlenstoff gezielt und effizient in tiefere Bereiche. Das macht die Wanderung nicht nur ökologisch relevant, sondern auch klimawirksam.

Professor Angus Atkinson vom Plymouth Marine Laboratory sagt: „Diese Studie ist die erste, die das Gesamtvolumen dieses Kohlenstoffspeichermechanismus schätzt. Sie zeigt den Wert großer Datensammlungen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen und einen Überblick über die relative Bedeutung von Kohlenstoffspeichermechanismen zu erhalten.“

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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