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Klimwandel 23.06.2025, 07:00 Uhr

Das Meereis als Schlüssel zur Klimakrise?

Neueste Forschungserkenntnisse belegen den Einfluss des winterlichen Meereises auf die jährlichen Schwankungen der Kohlenstoffdioxid-Aufnahme im Südlichen Ozean. Längere Eisbedeckung bedeutet eine höhere CO2-Aufnahme. Die Studie liefert wichtige Erkenntnisse für Klimaprognosen.

Eisdecke in der Antarktis.

Wie lange das Meer im Winter mit Eis bedeckt ist, spielt eine Rolle beim Klimawandel.

Foto: SmarterPix / moodboard

Die Kohlenstoffdioxid-Aufnahme aus der Atmosphäre durch den Südlichen Ozean variiert von Jahr zu Jahr. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben nun herausgefunden, dass es eine Rolle spielt, wie lange das Meer im Winter mit Eis bedeckt ist. In Jahren mit langanhaltendem Meereis absorbiert der Ozean rund ein Fünftel mehr CO2 als in Jahren mit spätem Eisaufbau oder frühem Eisrückgang. Der Grund: Das Eis wirkt abschirmend und schützt den Ozean vor starken Winterstürmen. Diese Stürme würden andernfalls dafür sorgen, dass sich die Wasserschichten durchmischen und so kohlenstoffreiches Tiefenwasser an die Oberfläche bringen.

Die Studie basiert auf Daten, die über einen Zeitraum von zehn Jahren in einem Küstengebiet entlang der westantarktischen Halbinsel gesammelt wurden. Sie wurde von einem internationalen Forscherteam unter Leitung der University of East Anglia durchgeführt. Beteiligt waren Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts, des British Antarctic Survey, des norwegischen Institute of Marine Research sowie weiterer Institutionen. Die Ergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse für die Vorhersage der zukünftigen Entwicklung des globalen Klimas.

Die entscheidende Rolle des winterlichen Meereises

Der Südliche Ozean ist für circa 40 Prozent der gesamten ozeanischen CO2-Aufnahme verantwortlich, die ihrerseits etwa ein Viertel des vom Menschen verursachten Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes kompensiert. Um vorherzusagen, wie sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre entwickeln und auf den Klimawandel auswirkt, ist es wichtig zu verstehen, warum die CO2-Aufnahme im Südlichen Ozean von Jahr zu Jahr stark schwankt. Genau da setzt die aktuelle Studie an. „Unsere Arbeit zeigt, dass wir untersuchen müssen, wie das Meereis den Kohlenstoffaustausch zwischen den tiefen und den flachen Teilen des Ozeans beeinflusst“, sagt Elise Droste, Hauptautorin der Studie.

In den Frühjahrs- und Sommermonaten sorgen das Wachstum des Phytoplanktons und das Schmelzwasser für niedrige CO2-Konzentrationen an der Meeresoberfläche, was eine hohe Aufnahme von atmosphärischem Kohlenstoffdioxid ermöglicht. Im Winter hingegen führt die Bildung von Meereis zu einer Vermischung des Oberflächenwassers mit den darunter liegenden Schichten. Diese enthalten große Mengen an „natürlichem“ Kohlenstoff, der sich über Jahrhunderte im Meer angereichert hat. Infolgedessen kann die CO2-Konzentration an der Wasseroberfläche so stark ansteigen, dass Kohlenstoffdioxid zurück in die Atmosphäre entweicht.

Der Einfluss des Meereises auf den Kohlenstoffkreislauf

Das Meereis fungiert aber als Barriere und verhindert weitgehend die Freisetzung von CO2 aus dem Ozean in die Atmosphäre während der Wintermonate. Dennoch ist ein gewisser Austausch Teil des natürlichen saisonalen Zyklus. Die Netto-Kohlenstoffaufnahme des Südlichen Ozeans innerhalb eines Jahres hängt somit maßgeblich davon ab, wie viel CO2 im Sommer absorbiert und wie viel im Winter wieder abgegeben wird. „Das macht es schwierig, das System vollständig zu verstehen und die Vorhersage zu verbessern, wie sich die CO2-Aufnahme des Ozeans in Zukunft verändern wird“, erläutert Droste.

Den Südlichen Ozean zu erforschen ist eine Herausforderung, da nur relativ wenige Daten verfügbar sind – insbesondere aus den Wintermonaten. Die rauen Wetter- und Seebedingungen machen es schwierig, Messungen durchzuführen. Hinzu kommt die weiträumige Eisdecke, die selbst für leistungsstarke Eisbrecher ein unüberwindbares Hindernis darstellt. Umso wertvoller sind die Daten, die das British Antarctic Survey über einen Zeitraum von zehn Jahren in der Nähe seiner Forschungsstation Rothera gesammelt hat. Speziell geschulte Meereswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler haben dort ganzjährig physikalische Parameter des Meerwassers erfasst sowie Proben für Nährstoff- und CO2-Analysen entnommen.

Bedeutung der Studie für zukünftige Klimaprognosen

Die Ergebnisse der Studie liefern wichtige Erkenntnisse über die komplexen Zusammenhänge zwischen der Meereisdecke und dem Kohlenstoffkreislauf im Südlichen Ozean. Sie zeigen auf, dass ganzjährige Messungen in dieser Region notwendig sind, um die bestehenden Wissenslücken zu schließen und verlässlichere Prognosen über die zukünftige Entwicklung der ozeanischen CO2-Aufnahme zu ermöglichen. Dorothee Bakker von der University of East Anglia erklärt: „Die Tatsache, dass diese Daten das ganze Jahr über am selben Ort gesammelt wurden, ermöglicht es uns die jährlichen Schwankungen der CO2-Aufnahme durch den Ozean an diesem speziellen Ort zu erklären, aber wir können diese Erkenntnisse nutzen, um auch besser zu verstehen, wie der Rest des Südlichen Ozeans funktioniert.“ Die Studie leistet somit einen Beitrag, um Klimamodelle zu verbessern und die Folgen des Treibhausgasausstoßes durch den Menschen besser abzuschätzen.

Von Julia Klinkusch