CO₂-Abscheidung als Schnäppchen – dank Flüssigerdgas
Dank Flüssigerdgas lässt sich CO₂ effizient aus der Luft holen – zu einem Bruchteil der bisherigen Kosten. Forschende zeigen, wie das geht.
Ein LNG-Tanker liefert tiefgekühltes Flüssigerdgas – durch das Rohr strömt es zur Regasifizierung an Land. Die dabei freigesetzte Kälte kann für die CO₂-Abscheidung genutzt werden.
Foto: Smarterpix / MikeMareen
Der Klimawandel erfordert neue Wege der CO₂-Reduktion – und zwar solche, die technisch realistisch, skalierbar und bezahlbar sind. Forschende der Georgia Tech School of Chemical and Biomolecular Engineering zeigen nun, dass eine clevere Verbindung zweier bekannter Verfahren genau das möglich machen könnte: Die direkte CO₂-Abscheidung aus der Luft (Direct Air Capture, DAC) und die Regasifizierung von Flüssigerdgas (LNG).
Inhaltsverzeichnis
Flüssigerdgas als Kältespender
LNG wird für den Transport auf –162 °C heruntergekühlt. Damit es wieder nutzbar ist, muss es am Zielort in den gasförmigen Zustand überführt werden. Dieser sogenannte Regasifizierungsprozess setzt große Mengen an Kälte frei – bislang meist ungenutzt. Genau an diesem Punkt setzt das Konzept des Teams um Professor Ryan Lively an.
„Wir zeigen, dass man mit vorhandener Infrastruktur und sicheren, kostengünstigen Materialien CO₂ zu geringen Kosten abscheiden kann“, so Lively.
Die Idee: Die freigesetzte Kälte wird dazu verwendet, Umgebungsluft auf Temperaturen von –113 bis –53 °C zu kühlen. Diese fast kryogenen Bedingungen ermöglichen eine deutlich effizientere CO₂-Abscheidung.
Luftreinigung unter Null
Die zentrale Herausforderung bei der Luftabscheidung liegt in der geringen CO₂-Konzentration der Atmosphäre – gerade einmal 0,04 %. Deshalb ist der Prozess bislang energieintensiv und teuer. Hinzu kommt, dass die meisten DAC-Systeme auf Aminen basieren. Diese binden CO₂ chemisch, erfordern aber viel Energie zur Regeneration und altern mit der Zeit.
Anders funktioniert die sogenannte Physisorption: Dabei lagert sich CO₂ physikalisch an poröse Materialien an. Die Forschenden testeten zwei Kandidaten: Zeolith 13X und CALF-20.
Zeolith 13X ist ein Trockenmittel, das auch in der Wasseraufbereitung eingesetzt wird. CALF-20 gehört zu den metallorganischen Gerüsten (MOFs), die eine besonders hohe innere Oberfläche bieten. Beide Materialien zeigten bei –78 °C eine rund dreimal höhere CO₂-Aufnahme als gängige Aminlösungen bei Raumtemperatur.
Was ist Direct Air Capture?
Direct Air Capture (DAC) bezeichnet Technologien, mit denen CO₂ direkt aus der Umgebungsluft abgeschieden wird. Das Gas wird anschließend entweder dauerhaft gespeichert oder industriell genutzt. DAC gilt als wichtiger Baustein, um die Klimaziele der Vereinten Nationen zu erreichen – insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen etwa aus der Zement- oder Stahlproduktion.
Kein Wasser, kein Problem
Ein weiterer Vorteil der tiefen Temperaturen: Der Wasserdampf aus der Luft kondensiert bereits vor der Adsorption. Auf diese Weise entfällt ein energieaufwändiger Trocknungsschritt, der bei vielen DAC-Systemen notwendig ist, um die Sorbentien vor Feuchtigkeit zu schützen. Das senkt den Energiebedarf drastisch – von über 7 Gigajoule pro Tonne CO₂ auf nur 1,7 bis 3,3 Gigajoule.
„Wir konnten zeigen, dass sich bei diesen Temperaturen günstige Physisorbentien einsetzen lassen, die sich bei Raumtemperatur nicht eignen“, erklärt Lively.
Und was kostet das?
Das Team führte auch wirtschaftliche Modellrechnungen durch. Das Ergebnis: Die Kosten für die Abscheidung einer Tonne CO₂ könnten auf 70 US-Dollar sinken – im Fall von Zeolith 13X sogar auf rund 68 US-Dollar. Zum Vergleich: Herkömmliche DAC-Verfahren kosten häufig über 170 US-Dollar pro Tonne.
CALF-20 punktet zusätzlich mit einer besonders einfachen Regeneration. Es reicht, das Material bei Raumtemperatur unter Vakuum zu entladen. Das spart Heizenergie und erhöht die Effizienz.
„Über ihre hohen CO₂-Kapazitäten hinaus weisen beide Physisorbentien wichtige Eigenschaften wie niedrige Desorptionsenthalpie, Kosteneffizienz, Skalierbarkeit und Langzeitstabilität auf“, so der Postdoktorand Seo-Yul Kim.
LNG-Terminals als CO₂-Senken
Ein großes Plus der neuen Methode ist ihr Einsatzort: Die Technik lässt sich an bestehenden LNG-Terminals installieren, die weltweit in großer Zahl betrieben werden – vor allem in Küstennähe. Das eröffnet der CO₂-Abscheidung neue Möglichkeiten, auch in Regionen mit hoher Luftfeuchtigkeit.
„LNG-Regasifizierungssysteme sind derzeit eine ungenutzte Quelle für Kälteenergie“, betont Lively. „Wenn wir auch nur einen Teil ihrer Kälteenergie nutzen, könnten wir bis 2050 potenziell über 100 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr einfangen.“
Zudem lassen sich weitere Vorteile kombinieren: So könnten die Anlagen auch zur Trinkwassergewinnung aus Luftfeuchte beitragen oder Luft für Industrieprozesse vorkonditionieren.
Technik bereit für den Einsatz
Die Forschenden arbeiten nun daran, die Materialien und das System weiter zu optimieren. Ziel ist es, die Methode so zu skalieren, dass sie industriell nutzbar wird. Laut Lively liegt darin ein Schlüssel zur kostengünstigen und breit verfügbaren CO₂-Abscheidung.
„Diese Technologie ist keine Zukunftsvision“, sagt er. „Sie ist bereit für die Skalierung.“
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