Gasriese im Staub 14.07.2025, 17:00 Uhr

Unsichtbar im All: Wackelnder Stern verrät gigantischen Exoplaneten

Rätselhafte Lücken und ein wackelnder Stern verraten einen verborgenen Exoplaneten in der Staubscheibe von MP Mus – entdeckt mit Gaia und ALMA.

Stern MP Mus

Als Astronomen ihn erstmals mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) beobachteten, sahen sie eine glatte, planetarische Scheibe, die hier im rechten Bild zu sehen ist. Das Team unter der Leitung von Álvaro Ribas, Astronom an der Universität Cambridge, Großbritannien, gab diesem Stern eine zweite Chance und beobachtete ihn erneut mit ALMA bei längeren Wellenlängen, die noch tiefer in die protoplanetare Scheibe eindringen als zuvor. Diese neuen Beobachtungen, die im linken Bild zu sehen sind, enthüllten eine Lücke und einen Ring, die bei früheren Beobachtungen verdeckt waren, was darauf hindeutet, dass MP Mus doch Gesellschaft haben könnte.

Foto: ALMA(ESO/NAOJ/NRAO)/A. Ribas et al.

Der Stern MP Mus, auch bekannt als PDS 66, galt lange als unspektakulär. Eingebettet in eine flache Scheibe aus Gas und Staub, zeigte er bei ersten Beobachtungen keinerlei Hinweise auf die Entstehung von Planeten. Die sogenannte protoplanetare Scheibe um ihn wirkte strukturlos – keine Lücken, keine Ringe, keine Auffälligkeiten. Für Astronom*innen ein eher uninteressanter Fall.

Doch ein internationales Forschungsteam hat nun das Bild grundlegend verändert. Mit Hilfe des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) und der ESA-Mission Gaia entdeckten die Forschenden Hinweise auf einen massereichen Gasplaneten. Dieser Riese, bis zu zehnmal schwerer als Jupiter, kreist offenbar gut verborgen in der Scheibe – und bringt Bewegung in die Debatte um die Planetenentstehung.

Gaia und ALMA: Ein starkes Duo für die Planetensuche

MP Mus ist etwa sieben bis zehn Millionen Jahre alt – jung, aber nicht mehr in der Frühphase seiner Entwicklung. Sterne mit einem solchen Alter zeigen normalerweise bereits erste Anzeichen der Planetenbildung. Daher war es für die Forschenden irritierend, dass die Scheibe um MP Mus bei den ALMA-Beobachtungen aus dem Jahr 2023 vollkommen gleichmäßig erschien.

Stellenangebote im Bereich Luft- und Raumfahrt

Luft- und Raumfahrt Jobs
WITTENSTEIN motion control GmbH-Firmenlogo
Systemingenieur (w/m/d) WITTENSTEIN motion control GmbH
Igersheim-Harthausen Zum Job 
Nord-Micro GmbH & Co. KG a part of Collins Aerospace-Firmenlogo
Leiter (m/w/d) Lieferantenbetreuung, -entwicklung & Wareneingangsprüfung Nord-Micro GmbH & Co. KG a part of Collins Aerospace
Frankfurt am Main Zum Job 

„Unsere früheren Beobachtungen zeigten eine langweilige, flache Scheibe“, erklärt Dr. Álvaro Ribas von der Universität Cambridge. „Das kam uns seltsam vor.“

2024 folgten daher neue Untersuchungen, diesmal mit längerer Wellenlänge. So konnten die Teleskope tiefer in die dichte Staubscheibe blicken – mit überraschendem Ergebnis: In den Daten tauchten plötzlich Strukturen auf, darunter ein zentraler Hohlraum und zwei weiter außen liegende Lücken. Diese Details blieben zuvor schlicht verborgen.

Ein Wackeln verrät den Riesen

Parallel dazu wertete Miguel Vioque von der Europäischen Südsternwarte Daten der Gaia-Mission aus. Gaia misst äußerst präzise die Bewegung von Sternen. Dabei fiel auf, dass MP Mus leicht „wackelt“. Ein Effekt, der typischerweise durch die Gravitationskraft eines umkreisenden Objekts entsteht – etwa eines Planeten.

Zunächst hielt Vioque das Ergebnis für einen Rechenfehler. Doch als er hörte, dass Ribas und sein Team neue Strukturen in der Scheibe entdeckt hatten, wurde ihm klar: Das Wackeln war real. Die Kombination beider Datensätze machte es möglich, auf das Vorhandensein eines großen Planeten zu schließen – ohne ihn direkt zu sehen.

„Unsere Modellrechnungen haben gezeigt, dass sich das Gaia-Signal auch erklären lässt, wenn man einen riesigen Planeten in die neu entdeckte Hohlraumstruktur einfügt“, so Ribas.

Wo genau steckt der Planet?

Laut den Berechnungen dürfte sich der Gasriese in einer Entfernung befinden, die etwa ein- bis dreimal so groß ist wie der Abstand der Erde zur Sonne. Seine Masse liegt irgendwo zwischen dem Drei- und Zehnfachen von Jupiter – das macht ihn zu einem echten Schwergewicht.

Beobachtet wurde der Planet nicht direkt. Seine Existenz lässt sich lediglich über die Schwerkrafteinwirkung auf den Stern und die Lücken in der Staubscheibe ableiten. Dennoch sind die Hinweise laut den Forschenden eindeutig.

„Dies ist das erste Mal, dass ein Exoplanet in einer protoplanetaren Scheibe auf diese Weise indirekt entdeckt wurde“, sagt Ribas.

Einblicke in die Kindheit von Planetensystemen

Die Entdeckung ist nicht nur für den Einzelfall MP Mus von Bedeutung. Sie zeigt auch, wie wichtig die Kombination verschiedener Beobachtungstechniken ist – und wie viele junge Planeten sich noch unter dem Staub verbergen könnten.

In der Astrophysik geht man davon aus, dass Planeten durch sogenannte Kernakkretion entstehen: Kleine Partikel in der Scheibe kollidieren, haften aneinander und bilden immer größere Körper – bis schließlich ein Planet entsteht. Dabei reißen die jungen Himmelskörper Lücken in die sie umgebende Scheibe, ähnlich den Rillen einer Schallplatte.

Doch diese Lücken sind oft schwer zu erkennen, da sie durch Staub verdeckt werden. Die neue Methode könnte nun helfen, viele weitere solcher „versteckten Riesen“ aufzuspüren.

„Wir glauben, dass dies einer der Gründe sein könnte, warum es so schwierig ist, junge Planeten in protoplanetaren Scheiben zu entdecken“, so Ribas. „In diesem Fall benötigten wir die Daten von ALMA und Gaia zusammen.“

Zukunft der Suche: Tiefer blicken mit neuen Teleskopen

Ribas und sein Team sehen großes Potenzial für kommende Missionen. So soll das ALMA-Observatorium in Chile technisch aufgerüstet werden. Auch das geplante Very Large Array der nächsten Generation (ngVLA) könnte künftig tiefere Einblicke ermöglichen.

Mit diesen Instrumenten lassen sich längere Wellenlängen beobachten – genau die, die nötig sind, um durch dichte Staubscheiben hindurchzublicken. Je mehr solcher Untersuchungen durchgeführt werden, desto besser lassen sich statistische Aussagen treffen: Wie viele Planeten entstehen? Wie groß sind sie? Und wie typisch ist unser eigenes Sonnensystem?

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.