Als das erste Licht das Universum durchdrang – und Webb sah es
Kosmischer Durchblick: Warum gerade Zwerggalaxien für das Verschwinden des Wasserstoffnebels im frühen All entscheidend waren.
Symbole markieren die Positionen junger, massearmer Galaxien, in denen neue Sterne entstehen, als das Universum etwa 800 Millionen Jahre alt war. Mit einem Filter, der solche Galaxien erkennen kann, hat das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA sie mithilfe einer natürlichen Gravitationslinse abgebildet, die durch den massereichen Galaxienhaufen Abell 2744 entsteht. Insgesamt wurden 83 junge Galaxien gefunden, aber nur die 20 hier gezeigten (weiße Rauten) wurden für eine genauere Untersuchung ausgewählt. Die Einblendung zeigt eine Vergrößerung einer der Galaxien.
Foto: NASA/ESA/CSA/Bezanson et al. 2024 and Wold et al. 2025
Das frühe Universum war dunkel. Etwa eine Milliarde Jahre nach dem Urknall durchzog ein Nebel aus neutralem Wasserstoff das All. Sterne und Galaxien existierten zwar schon – doch ihr Licht kam kaum durch. Erst später wurde das Universum transparent. Dieser fundamentale Wandel wird als Reionisierung bezeichnet. Forschende rätseln seit Langem: Wer hat ihn ausgelöst?
Daten des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) liefern nun neue Hinweise. Ein Team um Isak Wold von der Catholic University of America identifizierte Dutzende kleiner Galaxien, die in dieser Übergangsphase aktives ultraviolettes Licht abgaben – und damit wesentlich zum Aufbrechen des Nebels beigetragen haben könnten.
Inhaltsverzeichnis
Viel UV-Strahlung trotz kleiner Masse
„Wenn es um die Erzeugung von ultraviolettem Licht geht, spielen diese kleinen Galaxien weit über ihrer Gewichtsklasse“, sagt Wold. Seine Untersuchung zeigt: Die von ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen analysierten Objekte produzieren so viel UV-Strahlung, dass sie den Reionisierungsprozess maßgeblich vorangetrieben haben könnten.
Die Daten stammen aus dem UNCOVER-Projekt – ein tiefes Beobachtungsprogramm, das Webb gezielt auf den Galaxienhaufen Abell 2744 richtet. Dieser liegt etwa 4 Milliarden Lichtjahre entfernt im Sternbild Sculptor und wirkt als sogenannte Gravitationslinse. Dadurch erscheinen noch weiter entfernte Objekte vergrößert – und werden überhaupt erst sichtbar.
83 Starburst-Galaxien entdeckt
Mit Hilfe von Webb gelang es dem Team, 83 kleine Galaxien zu identifizieren, die zur Zeit der Reionisierung existierten – etwa 800 Millionen Jahre nach dem Urknall. Diese Galaxien sind extrem sternaktiv: Sie durchlaufen sogenannte Starburst-Phasen, in denen massenhaft Sterne entstehen. In solchen Phasen wird besonders viel hochenergetisches, ionisierendes Licht freigesetzt.
Rund 20 dieser Galaxien wurden mit einem zweiten Instrument von Webb – dem NIRSpec – detailliert spektroskopisch untersucht. Die Ergebnisse zeigen: Diese Galaxien sind sehr klein, ihre Sternmassen reichen nur von etwa 1/2000 bis 1/10 der Milchstraße.
„Diese Galaxien sind so klein, dass man 2.000 bis 200.000 davon benötigen würde, um die gleiche Sternmasse wie unsere eigene Milchstraße zu erreichen“, erklärt Sangeeta Malhotra vom Goddard Space Flight Center.

Symbole markieren die Positionen junger, massearmer Galaxien, in denen neue Sterne entstehen, als das Universum etwa 800 Millionen Jahre alt war. Mit einem Filter, der solche Galaxien erkennen kann, hat das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA sie mithilfe einer natürlichen Gravitationslinse abgebildet, die durch den massereichen Galaxienhaufen Abell 2744 entsteht. Insgesamt wurden 83 junge Galaxien gefunden, aber nur die 20 hier gezeigten (weiße Rauten) wurden für eine genauere Untersuchung ausgewählt. Die Einblendung zeigt eine Vergrößerung einer der Galaxien.
Foto: NASA/ESA/CSA/Bezanson et al. 2024 and Wold et al. 2025
Warum gerade die Kleinen?
Große Galaxien sind häufig von dichten Gaswolken umgeben. Das verhindert, dass UV-Strahlung ungehindert entweichen kann. Bei kleinen Galaxien ist das anders. Sie besitzen weniger Masse – und damit auch weniger Material, das das Licht zurückhält. Gleichzeitig reißen Sternentstehungswellen regelrechte Kanäle in das umgebende Gas.
„Starburst-Episoden schneiden Kanäle in die interstellare Materie einer Galaxie, die dem Licht helfen, auszubrechen“, ergänzt James Rhoads. Das erklärt, warum gerade diese Galaxien so effektiv dabei waren, den Kosmos mit ionisierendem Licht zu durchfluten.
Spektroskopie bringt Gewissheit
Entscheidend war für das Team die gezielte Suche nach einer bestimmten Lichtsignatur: das sogenannte doppelt ionisierte Sauerstoffleuchten, eine sogenannte [O III]-Emission. Sie ist typisch für heiße, junge Sterne. Diese Emission wurde ursprünglich im sichtbaren Bereich abgestrahlt, ist durch die Ausdehnung des Universums aber inzwischen ins Infrarot verschoben – und so für das Webb-Teleskop sichtbar.
Nur durch diese Kombination aus Tiefe, Auflösung und Infrarotempfindlichkeit konnte das Team diese schwachen Galaxien sichtbar machen und deren Rolle rekonstruieren.
Was bedeutet das für unser Weltbild?
Heute machen solche kleinen Galaxien nur etwa 1 % aller bekannten Galaxien aus. Doch im frühen Universum waren sie offenbar weit verbreitet. Wenn sie – wie das Team vermutet – ähnlich viel ionisierende Strahlung abgaben wie heutige „grüne Erbsen“ (eine seltene Klasse naher Starburst-Galaxien), könnten sie den gesamten UV-Bedarf für die Reionisierung gedeckt haben.
Das James-Webb-Weltraumteleskop bringt uns damit einen Schritt näher zur Antwort auf eine der zentralen Fragen der Kosmologie: Wie wurde das Universum durchsichtig? Und wer war dafür verantwortlich?
Die Ergebnisse von Wold und seinem Team zeigen: Es waren nicht die spektakulären Schwarzen Löcher oder gigantischen Galaxien, die den Wandel einleiteten – sondern zahlreiche kleine, bis dahin unsichtbare Objekte.
Unsichtbare Giganten eben.
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