Neue Studie: Stadtluft gefährlicher als Staub auf dem Mond
Studie zeigt: Mondstaub reizt, ist aber weniger toxisch als Stadtluft. Was das für künftige Mondmissionen bedeutet.

Eine künstlerische Darstellung eines Astronauten, der während einer zukünftigen Artemis-Mission auf der Mondoberfläche arbeitet. Die gute Nachricht: Mondstaub ist weniger giftig als irdischer Feinstaub.
Foto: NASA
Wenn die NASA in naher Zukunft wieder Astronautinnen und Astronauten zum Mond schickt, stellt sich eine alte Frage neu: Wie gefährlich ist der allgegenwärtige Mondstaub wirklich für die Gesundheit? Denn schon nach den Apollo-Missionen berichteten Besatzungsmitglieder von Niesanfällen, Augenreizungen und Atemproblemen nach Außenbordeinsätzen.
Eine aktuelle Studie der University of Technology Sydney (UTS) liefert nun neue Erkenntnisse: Simulierter Mondstaub ist für menschliche Lungenzellen weniger toxisch als Feinstaub, wie er tagtäglich in Großstädten eingeatmet wird. Die Ergebnisse könnten eine wichtige Rolle für die Planung zukünftiger Mondmissionen spielen – insbesondere im Hinblick auf eine dauerhafte Präsenz auf dem Mond.
Inhaltsverzeichnis
Mondstaub – scharf, elektrostatisch und überall
Die Oberfläche des Mondes ist mit Regolith bedeckt – einem extrem feinen Staub, der durch unzählige Meteoriteneinschläge über Milliarden Jahre hinweg entstanden ist. Die Partikel sind scharfkantig, elektrostatisch aufgeladen und haften stark – auch an Raumanzügen. Das Problem: Beim Wiedereinstieg ins Landemodul wird der Staub aufgewirbelt und eingeatmet.
Der Astronaut Harrison Schmitt nannte dieses Phänomen „lunar hay fever“. Bisher fehlten allerdings systematische toxikologische Untersuchungen unter realistischen Bedingungen.
Ziel: Klare Daten zur Gefährdung durch Mondstaub
Unter der Leitung von Michaela B. Smith, Doktorandin an der UTS, untersuchte ein Forschungsteam nun die Wirkung von Mondstaub auf menschliche Lungenzellen. Verwendet wurden zwei Mondstaubsimulanzien der neuesten Generation – LMS-1 (Mare) und LHS-1 (Hochland) – die in ihrer Zusammensetzung dem echten Mondstaub sehr nahekommen.
Zum Vergleich diente Feinstaub (PM2.5), der in stark befahrenen Straßenbereichen von Sydney gesammelt wurde. Die Forschenden testeten die Wirkung auf zwei Zelltypen: bronchiale Epithelzellen und alveoläre Zellen – also solche, die in den oberen und unteren Atemwegen vorkommen.
Der sogenannte Regolith entsteht durch Mikrometeoriten, die mit hoher Geschwindigkeit auf die Mondoberfläche einschlagen. Die enorme Hitze (über 2000 °C) schmilzt Gestein, das beim Erstarren glasige Agglomerate bildet. Über Jahrmilliarden entstehen so kantige, scharfkantige Staubpartikel mit <20 µm Durchmesser. Auf dem Mond bleiben diese Partikel länger in der Luft – auch wegen der geringeren Schwerkraft.
Das Ergebnis: Stadtluft schädigt mehr
Der simulierte Mondstaub löste in hohen Konzentrationen zwar leichte Irritationen aus, doch war der Effekt deutlich schwächer als beim städtischen Feinstaub. Bereits bei niedriger Dosierung (10 µg/ml) rief dieser eine starke Entzündungsreaktion hervor – insbesondere in den bronchialen Zellen.
Bei Mondstaub traten nur bei sehr hohen Konzentrationen (5000 µg/ml) leichte Entzündungsreaktionen auf. Auch die Zellviabilität, also die Überlebensfähigkeit der Zellen, war kaum beeinträchtigt. Ein weiterer positiver Befund: Der typische Mechanismus von Zellschädigung durch oxidativen Stress blieb beim Mondstaub aus. Die getesteten Proben lösten keine genetischen Marker für oxidativen Schaden aus.
Physikalisch reizend, aber chemisch harmlos
Die Forschenden machen für die leichte Reizwirkung vor allem die physikalische Struktur des Staubs verantwortlich. Die scharfen Kanten der Partikel können beim Eindringen in die Zellen mechanischen Schaden verursachen. Doch im Gegensatz zu Materialien wie Quarz, die chronische Erkrankungen wie Silikose auslösen, ist beim Mondstaub keine vergleichbare toxische Langzeitwirkung zu erwarten.
„Es ist wichtig, zwischen einem physikalischen Reizstoff und einer hochgiftigen Substanz zu unterscheiden“, betont Michaela B. Smith. Die Studie kommt zu dem Schluss: Eine kurzfristige Reizung ist möglich – ein Risiko für langfristige Lungenerkrankungen jedoch unwahrscheinlich.
Die Rolle der neuen Raumanzüge
Trotz der beruhigenden Studienergebnisse nimmt die NASA die Gefahr von Staubexposition weiter ernst. Smith besuchte das Johnson Space Center in Houston und zeigte sich beeindruckt von den technischen Fortschritten im Anzugdesign. Zukünftig sollen Raumanzüge nicht mehr ins Innere von Rovern gelangen.
„Der Astronaut steigt von innen in den Anzug ein und aus, und der Anzug kommt nie ins Innere, wodurch verhindert wird, dass der staubige Anzug die Innenraumumgebung kontaminiert“, erklärt Smith.
Diese Lösung könnte helfen, die Staubbelastung in Habitaten drastisch zu reduzieren – ein entscheidender Schritt für längere Aufenthalte auf dem Mond.
Forschung geht weiter: Schwerelosigkeit im Visier
Smiths Arbeit endet nicht bei der Toxizität von Staub. Ihre Doktorarbeit befasst sich nun mit der Frage, wie sich die Mikrogravitation auf der Raumstation langfristig auf die Funktion und Struktur von Lungenzellen auswirkt. Im Labor simuliert sie mit einem Rotationsgerät die Schwerelosigkeit und untersucht, wie sich Zellen in einer solchen Umgebung anpassen.
Professor Brian Oliver, Mitautor der Studie, sieht die Arbeit als wegweisend: „Diese Forschung bringt unsere Forschungsgruppe an der UTS an die Spitze der Weltraumlebenswissenschaften.“
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