Teilchenrätsel im All: Parker zeigt neue Dynamik der Sonnenkorona
Magnetische Inseln bei der Sonne beschleunigen Teilchen – die Parker-Sonde liefert neue Hinweise zur Struktur des Sonnenwinds.

Eine von SwRI durchgeführte Studie identifizierte Partikel, die durch magnetische Rekonnexion in der Nähe der Sonne auf extrem hohe Energien beschleunigt wurden. Als die Parker Solar Probe der NASA (Flugbahn in grün dargestellt) die heliosphärische Stromschicht durchquerte, stieß sie auf verschmelzende magnetische Inseln (blau) und Protonen, die in Richtung Sonne beschleunigt wurden, wodurch die Rekonnexion als deren Quelle identifiziert werden konnte, die sich von anderen, nicht damit zusammenhängenden Sonnenprozessen unterscheidet.
Foto: JHUAPL
Die NASA-Mission Parker Solar Probe dringt näher an die Sonne vor als jedes Raumfahrzeug zuvor. Am 12. Dezember 2022 durchquerte sie die sogenannte heliosphärische Stromschicht – ein Bereich, in dem sich das Magnetfeld der Sonne umkehrt. Dabei machte sie eine entscheidende Beobachtung: Protonen mit extrem hoher Energie bewegten sich nicht von der Sonne weg, sondern in Richtung des Sterns. Das widerspricht bisherigen Annahmen über die Entstehung solcher Teilchen.
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Magnetische Rekonnexion als Auslöser
Diese ungewöhnliche Teilchenbewegung lässt sich durch einen physikalischen Mechanismus erklären: die magnetische Rekonnexion. Dabei treffen Magnetfeldlinien aufeinander, brechen auf und verbinden sich neu. Dieser Prozess setzt gespeicherte magnetische Energie frei, die sich in Bewegungsenergie und Wärme umwandelt.
Die Forschenden beobachteten bei diesem Durchflug, wie genau in diesem Bereich ein sonnenwärts gerichteter Plasmastrahl – ein sogenannter „Reconnection Exhaust“ – entstand. Dort beschleunigten sich Protonen auf Energien von bis zu 400 keV. Zum Vergleich: Das ist etwa das Tausendfache der lokal verfügbaren magnetischen Energie pro Teilchen.
Simulationen bestätigen Beobachtungen
Um die gemessenen Daten besser zu verstehen, ergänzten die Forschenden ihre Arbeit durch numerische Simulationen mit dem sogenannten kglobal-Modell. Dabei zeigten sich Strukturen wie magnetische Inseln, auch Flux Ropes genannt. Diese kleinen Magnetfelder verschmelzen miteinander und erzeugen dabei starke elektrische Felder entlang der Magnetfeldlinien.
In diesem Umfeld erlebten die Protonen eine Fermi-Beschleunigung – ein Mechanismus, bei dem Teilchen bei jeder Reflektion innerhalb der Magnetfelder weiter beschleunigt werden, solange sie im System eingeschlossen bleiben. Je nach Stärke des zusätzlichen Magnetfeldanteils (Guide Field) stiegen die Teilchenenergien in der Simulation auf bis zu 500 keV.
Auswirkungen auf die Sonnen- und Fusionsforschung
„Diese Beobachtungen zeigen, dass magnetische Rekonnexion an der HCS eine bislang unterschätzte Quelle energiereicher Partikel ist“, erklärt Mihir Desai vom Southwest Research Institute, Hauptautor der Studie. Bisher vermutete man, dass solch energiereiche Teilchen direkt von der Sonne ausgehen. Nun zeigt sich: Auch die Struktur des Sonnenwinds selbst ist eine Quelle solcher Prozesse.
Diese Erkenntnis hilft nicht nur beim Verständnis des Sonnenwinds, sondern auch bei der Forschung zu Sonneneruptionen und koronalen Massenauswürfen. Denn ähnliche Prozesse wie im Sonnenwind spielen sich auch in sogenannten Flare-Regionen der Sonne ab – allerdings unter anderen Bedingungen.
Gefahr für Technik – und Chance für neue Technik
Magnetische Rekonnexion ist ein zentrales Element des sogenannten Weltraumwetters. Die damit verbundenen Sonnenausbrüche können Polarlichter auslösen, aber auch technische Infrastrukturen auf der Erde stören. Ein Beispiel: Im Mai 2024 kam es durch geomagnetische Stürme zu großflächigen Störungen von GPS-Systemen in der Landwirtschaft. Laut Desai verursachte dies Ernteausfälle mit wirtschaftlichen Schäden von bis zu 500 Millionen Dollar.
Zugleich bietet das Verständnis dieser Prozesse neue Chancen für die Fusionsforschung im Labor. Denn auch in Reaktoren wie Tokamaks und Stellaratoren spielen sich Rekonnektionsprozesse ab – allerdings unter kontrollierten Bedingungen. Die Parker-Daten liefern damit wertvolle Einblicke in ein physikalisches Phänomen, das sowohl auf der Sonne als auch auf der Erde eine Rolle spielt.
Parker – unterwegs im Sonnenzyklus
Die Parker Solar Probe wurde im Rahmen des NASA-Programms Living With a Star entwickelt. Ziel ist es, die Wechselwirkungen zwischen Sonne und Erde besser zu verstehen – insbesondere in Hinblick auf technische Systeme und den Einfluss auf das Leben auf unserem Planeten. Parker umrundet die Sonne bis zu dreimal im Jahr und erreicht dabei Distanzen von weniger als 10 Sonnenradien.
Mit jeder Umlaufbahn sammelt die Sonde neue Daten über die äußere Sonnenatmosphäre, die sogenannte Korona, und den Ursprung des Sonnenwinds. Die jüngsten Ergebnisse zeigen: Die energiereichen Teilchen stammen nicht ausschließlich von der Sonnenoberfläche, sondern entstehen auch lokal – durch Prozesse, die bisher kaum beachtet wurden.
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