Nasa und Esa im Duett 02.09.2024, 10:03 Uhr

Sonnenwinde: Forscher lösen ein jahrzehntealtes Rätsel

Eine neue Studie zeigt, wie magnetische „Switchbacks“ Sonnenwinde beschleunigen. Ein Durchbruch für die Sonnenforschung und das Verständnis von Weltraumwetter.

Sonnenwind

Forschende lösen altes Rätsel um die Sonnenwinde. Dieses konzeptionelle Bild zeigt die Parker Solar Probe kurz vor dem Eintritt in die Sonnenkorona.

Foto: NASA/Johns Hopkins APL/Ben Smith

Seit den 1960er Jahren rätselt die Wissenschaft über die Natur des Sonnenwindes. Dieser Strom energiereicher Teilchen verlässt die Sonne mit Überschallgeschwindigkeit und breitet sich im gesamten Sonnensystem aus. Doch wie erhält der Sonnenwind seine enorme Energie, nachdem er die Sonne verlassen hat? Diese Frage könnte nun dank einer neuen Studie beantwortet sein. Forschenden ist es gelungen, entscheidende Erkenntnisse über den Ursprung und die Energiequelle des Sonnenwindes zu gewinnen.

Eine glückliche Konstellation zweier Raumsonden

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Nasa und der Europäischen Weltraumorganisation ESA haben möglicherweise die Antwort auf dieses Rätsel gefunden. Möglich machte es eine einzigartige Kombination von Messdaten zweier Raumsonden, der Nasa Parker Solar Probe und des ESA/Nasa Solar Orbiter.

Beide Sonden sind auf die Erforschung der Sonne und ihrer Umgebung spezialisiert. Die Ergebnisse der Studie, die am 30. August 2024 in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurden, liefern neue Einblicke in die physikalischen Prozesse, die den Sonnenwind antreiben.

Magnetische „Switchbacks“ als Energielieferanten

Die Studie zeigt, dass sogenannte „Switchbacks“ im Magnetfeld der Sonne eine Schlüsselrolle bei der Beschleunigung des Sonnenwinds spielen. Diese Switchbacks sind plötzliche Richtungswechsel im Magnetfeld, die besonders nahe an der Sonne ausgeprägt sind.

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Yeimy Rivera, Co-Leiter der Studie und Postdoktorand am Smithsonian Astrophysical Observatory, erklärte: „Unsere Forschung beantwortet eine der großen offenen Fragen über den Sonnenwind und hilft uns, besser zu verstehen, wie die Sonne ihre Umgebung und letztlich auch die Erde beeinflusst.“

Frühere Beobachtungen und neue Erkenntnisse

Schon die Parker Solar Probe hatte 2021 festgestellt, dass Switchbacks im gesamten Sonnenwind häufig vorkommen. In der Nähe der Sonne sind sie sogar besonders stark ausgeprägt. Allerdings fehlten bislang experimentelle Beweise dafür, dass diese Magnetfeldknicke tatsächlich genug Energie abgeben, um die Beschleunigung des Sonnenwinds zu erklären. Diese Lücke haben die neuen Messungen geschlossen.

Mike Stevens, Astrophysiker am Center for Astrophysics und Mitautor der Studie, erinnert sich an einen Vortrag vor drei Jahren: „Ein Professor fragte mich damals, ob diese Wellen wirklich wichtig sind. Jetzt wissen wir, dass sie es sind.“

Ein glücklicher Zufall führte zur Entdeckung

Die entscheidenden Daten für die Studie stammen aus einer zufälligen Ausrichtung beider Raumsonden im Februar 2022. Während die Parker Solar Probe am Rande der Sonnenkorona, der äußeren Atmosphäre der Sonne, vorbeiflog, war der Solar Orbiter weiter entfernt im All. Innerhalb von nur zwei Tagen maßen beide Sonden denselben Sonnenwindstrom. Während Parker die langsame, aber energiereiche Plasmabewegung in der Nähe der Sonne aufzeichnete, erfasste Solar Orbiter den beschleunigten und aufgeheizten Sonnenwind weiter entfernt.

„Wir haben erst später realisiert, dass beide Sonden dieselbe Struktur im Sonnenwind untersuchten“, erklärt Samuel Badman, ein weiterer Co-Leiter der Studie. „Dieser Moment war ein echter Durchbruch.“

Alfvén-Wellen als Energieüberträger

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass die Energie in den sogenannten Alfvén-Wellen transportiert wird. Diese Wellen durchlaufen das Plasma des Sonnenwinds und geben dabei Energie ab. Alfvén-Wellen sind in der Lage, die magnetischen und kinetischen Fluktuationen zu erzeugen, die für die Beschleunigung des Sonnenwinds verantwortlich sind.

Dank der Beobachtungen der beiden Sonden konnten die Wissenschaftler nun direkt messen, wie viel Energie von diesen Wellen in der Nähe der Sonne abgegeben wird und wie diese Energie mit zunehmender Entfernung abnimmt.

Bedeutung für die Sonnenforschung und das Weltraumwetter

Die neuen Erkenntnisse helfen nicht nur dabei, das Verhalten der Sonne besser zu verstehen, sondern auch bei der Vorhersage von Sonnenaktivitäten und Weltraumwetter. Diese Vorhersagen sind entscheidend für den Schutz von Satelliten und anderen technischen Systemen, die von solarer Strahlung beeinflusst werden können. Darüber hinaus liefert die Studie wichtige Hinweise auf die Mechanismen, die auch in anderen Sternen und deren Winden eine Rolle spielen könnten.

John Belcher, emeritierter Professor am Massachusetts Institute of Technology, der an den frühen Forschungen zu Alfvén-Wellen beteiligt war, jedoch nicht an dieser Studie mitgearbeitet hat, sieht die Ergebnisse als Bestätigung jahrzehntealter Theorien: „Es hat über ein halbes Jahrhundert gedauert, um zu bestätigen, dass Alfvén-Wellen für die Beschleunigung des Sonnenwinds wichtig sind.“

Ein Blick in die Zukunft der Sonnenforschung

Die Ergebnisse der Studie bringen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen entscheidenden Schritt näher an das Verständnis der Sonnenaktivität und ihrer Auswirkungen auf unser Sonnensystem. Sie zeigen, wie die Kombination von hochentwickelten Technologien und internationalen Kooperationen neue Erkenntnisse über unser Universum ermöglicht.

Adam Szabo, wissenschaftlicher Leiter der Parker Solar Probe Mission, fasst es treffend zusammen: „Diese Entdeckung ist ein Meilenstein auf dem Weg, die Geheimnisse der Sonnenwinde zu entschlüsseln und damit eines der wichtigsten wissenschaftlichen Ziele unserer Mission zu erreichen.“

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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