Supernova oder Kilonova? Dieses Signal sprengt die Lehrbücher
Supernova oder Kilonova? Ein ungewöhnliches Signal mit Gravitationswellen und Licht stellt gängige Modelle der Astrophysik infrage.
Diese künstlerische Darstellung zeigt ein hypothetisches Ereignis, das als Superkilonova bekannt ist. Ein massereicher Stern explodiert in einer Supernova (links), wodurch Elemente wie Kohlenstoff und Eisen entstehen. In der Folge entstehen zwei Neutronensterne (Mitte), von denen mindestens einer vermutlich weniger Masse hat als unsere Sonne. Die Neutronensterne nähern sich spiralförmig aneinander, senden Gravitationswellen durch den Kosmos und verschmelzen schließlich in einer dramatischen Kilonova (rechts). Kilonovae versorgen das Universum mit den schwersten Elementen wie Gold und Platin, die in rotem Licht leuchten.
Foto: Caltech/K. Miller and R. Hurt (IPAC)
Wenn Sterne sterben, hinterlassen sie klare Spuren. Zumindest schien das lange so. Entweder endet ein massereicher Stern in einer Supernova. Oder zwei Neutronensterne kollidieren und erzeugen eine Kilonova. Beide Explosionstypen folgen unterschiedlichen physikalischen Regeln und liefern unterschiedliche Signaturen im Licht und in Gravitationswellen. Doch ein neu beobachtetes Ereignis bringt diese saubere Trennung ins Wanken.
| Das Wichtigste in Kürze |
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Im August 2025 registrierten die Gravitationswellendetektoren LIGO in den USA und Virgo in Italien ein Signal, das sofort Aufmerksamkeit erregte. Die Daten deuteten auf die Verschmelzung zweier kompakter Objekte hin. Mindestens eines davon war ungewöhnlich leicht. Kurz darauf tauchte am Himmel ein flüchtiger Lichtblitz auf. Zunächst sah alles nach einer Kilonova aus. Wenige Tage später kippte das Bild.
Inhaltsverzeichnis
Zwei Explosionstypen, zwei kosmische Rollen
Supernovae sind seit Jahrzehnten gut erforscht. Sie entstehen, wenn ein massereicher Stern seinen nuklearen Brennstoff verbraucht. Der Kern kollabiert, die äußeren Schichten werden weggeschleudert. Dabei entstehen Elemente wie Kohlenstoff, Sauerstoff oder Eisen. Ohne diese Explosionen gäbe es keine festen Planeten.
Kilonovae sind deutlich seltener. Sie entstehen, wenn zwei Neutronensterne aufeinanderprallen. Dabei werden noch schwerere Elemente erzeugt, etwa Gold oder Uran. Solche Ereignisse gelten als Hauptquelle dieser Stoffe im Universum. Bisher gibt es nur einen eindeutig bestätigten Fall: GW170817 aus dem Jahr 2017. Damals wurden erstmals Gravitationswellen und Lichtsignale gemeinsam gemessen.
Ein Signal, das nicht ins Schema passt
Am 18. August 2025 schlugen die Detektoren erneut an. Innerhalb weniger Minuten ging eine Warnmeldung an Observatorien weltweit. Die Quelle lag in rund 1,3 Milliarden Lichtjahren Entfernung. Auffällig war die geringe Masse mindestens eines beteiligten Objekts.
David Reitze, Geschäftsführer von LIGO, ordnet die erste Analyse vorsichtig ein: „Obwohl wir nicht so sicher waren wie bei einigen unserer anderen Warnmeldungen, erregte dies schnell unsere Aufmerksamkeit als potenziell sehr interessantes Ereignis.“
Kurz darauf identifizierte die Zwicky Transient Facility ein schnell verblassendes rotes Objekt. Es erhielt später den offiziellen Namen AT2025ulz. Zahlreiche Teleskope folgten, darunter auch Instrumente in Deutschland und auf Hawaii.
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Erst rot, dann blau – ein Problem für die Deutung
In den ersten Tagen verhielt sich AT2025ulz wie eine klassische Kilonova. Das Licht war rötlich und nahm rasch ab. Genau dieses Verhalten zeigten die Trümmerwolken von GW170817. Die Farbe gilt als Hinweis auf schwere Elemente, die blaues Licht stark dämpfen.
Doch dann änderte sich das Bild. Das Objekt wurde wieder heller. Die Farbe verschob sich ins Blaue. Spektren zeigten Wasserstoff. Das passt zu einer Supernova, genauer zu einer sogenannten Hüllen-armen Kernkollaps-Supernova.
Viele Forschende zogen daraus einen klaren Schluss: kein Zusammenhang mit dem Gravitationswellensignal. Eine gewöhnliche Supernova in einer fernen Galaxie, zufällig zur gleichen Zeit. Doch nicht alle waren überzeugt.
„Wir nicht.“
Mansi Kasliwal vom Caltech blieb skeptisch. Sie leitet das Beobachtungsprogramm GROWTH und ist Hauptautorin der aktuellen Studie.
„Zunächst sah die Eruption etwa drei Tage lang genauso aus wie die erste Kilonova im Jahr 2017“, sagt sie. „Alle versuchten intensiv, sie zu beobachten und zu analysieren, aber dann sah sie eher wie eine Supernova aus, und einige Astronomen verloren das Interesse. Wir nicht.“
Ihr Team fand mehrere Hinweise, dass AT2025ulz weder eine typische Kilonova noch eine normale Supernova ist. Auch die Gravitationswellendaten passen nicht ins bekannte Raster.
Neutronensterne unter Sonnenmasse?
Neutronensterne sind extrem dicht. Sie messen nur rund 25 km im Durchmesser, bringen aber meist mehr Masse als unsere Sonne auf die Waage. Theorien sagen jedoch, dass unter bestimmten Bedingungen auch leichtere Varianten entstehen könnten. Beobachtet wurden sie bislang nicht.
Brian Metzger von der Columbia University erklärt den theoretischen Hintergrund: „Die einzige Möglichkeit, die Theoretiker gefunden haben, um sub-solare Neutronensterne zu erzeugen, ist der Kollaps eines sehr schnell rotierenden Sterns.“
In solchen Szenarien kann ein massereicher Stern bei seiner Explosion entweder in zwei kleine Neutronensterne zerfallen oder eine Materialscheibe bilden, aus der sich ein extrem leichter Neutronenstern zusammensetzt. Treffen zwei solcher Objekte später aufeinander, entsteht eine Kilonova – zeitlich eng gekoppelt an eine Supernova.
Die Idee der Superkilonova
Genau dieses Zusammenspiel könnte AT2025ulz erklären. Eine Supernova erzeugt zwei ungewöhnlich leichte Neutronensterne. Diese spiralen rasch aufeinander zu und verschmelzen. Die Kilonova schleudert schwere Elemente ins All und sendet Gravitationswellen aus. Gleichzeitig verdecken die Trümmer der Supernova zunächst den Blick auf das Geschehen.
Metzger fasst es so zusammen: „Wenn sich diese ‚verbotenen‘ Sterne paaren und durch die Emission von Gravitationswellen verschmelzen, ist es möglich, dass ein solches Ereignis von einer Supernova begleitet wird und nicht als reine Kilonova zu sehen ist.“
Noch kein Beweis, aber ein Warnsignal
Das Forschungsteam bleibt vorsichtig. Die Daten reichen nicht für einen endgültigen Nachweis. Möglich ist auch eine zufällige Überlagerung zweier unabhängiger Ereignisse. Sicher ist nur: AT2025ulz zeigt, dass die bisherigen Kategorien zu eng sein könnten.
Kasliwal blickt nach vorn: „Zukünftige Kilonova-Ereignisse sehen möglicherweise nicht wie GW170817 aus und könnten mit Supernovae verwechselt werden.“
Neue Teleskope und Messnetze sollen genau solche Grenzfälle finden. Dazu zählen das Vera Rubin Observatory, das Nancy Roman Space Telescope der NASA oder neue Radiodetektoren wie das Deep Synoptic Array.
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