Start-up-Experiment mit Spannung: Mini-Satellit testet Elektro-Docking
Otter Pup 2 soll erstmals zwei Satelliten per Elektro-Docking verbinden – eine Premiere für die private Raumfahrt und künftige Orbit-Tankstellen.

Der Satellit Otter Pup 2 von Starfish Space (links) wird versuchen, an einen Satelliten von D-Orbit ION (rechts) anzudocken.
Foto: Starfish Space
Wenn ein kommerzielles Unternehmen eine Weltraummission startet, dann kann man sich meist über eins sicher sein: Seine Namensgebung ist wesentlich kreativer als der Abkürzungsfimmel staatlicher Raumfahrtbehörden.
Und so hat eine Firma namens Starfish – also „Seestern“ – am 23. Juni einen Satelliten ins All geschickt, der auf den Namen „Otter“ hört. Dieser „Otter“ soll dann, angekommen auf einer niedrigen Erdumlaufbahn, an einen anderen Satelliten docken – was eine Premiere in der privaten Raumfahrt wäre.
Damit hat sich die Firma Starfish Space aus Seattle im US-Bundesstaat Washington so einiges vorgenommen. Denn das Unternehmen gibt es erst seit sechs Jahren. Bei der Gründung war der Name Programm: So wie ein Seestern mit seinen Fangarmen das ökologische Gleichgewicht an einem Riff aufrechterhält, will Starfish Space das Gleichgewicht in der Erdumlaufbahn wahren und sie von Müll befreien.
Inhaltsverzeichnis
Von Seesternen und Ottern
Und so ging 2023 – nur vier Jahre nach Firmengründung – bereits der erste Satellit an den Start – der jedoch fehlschlug. Nun der zweite Versuch mit Otter Pup 2, frei übersetzt dem „zweiten Welpen des Otters“. “Otter Pup 2 ist ein kleiner Demonstrationssatellit“, erklärt Jesse Adams, Chefingenieur der Mission bei Starfish Space. Das Testobjekt sei ungefähr so groß wie eine Mikrowelle und wiege um die 40 kg. „Wer stark genug ist, könnte es wie eine Hantel schwingen“, glaubt Adams. Mittlerweile ist er erfolgreich auf seiner Umlaufbahn eingetroffen.
Warum „Otter“? Weil die Firma – nach eigener Aussage – nun einmal Lebensformen des Wassers liebe. Und ein „Welpe“ ist der Satelllit, weil spätere Exemplare der Baureihe „Otter“ größer werden sollen.
Tiefer heißt nicht einfacher
Aber erst einmal will die Firma zeigen, dass es überhaupt möglich ist, in nur etwa 500 km Höhe zwei Satelliten aneinanderzudocken. “Eine so niedrige Erdumlaufbahn erschwert solch ein Vorhaben“, gibt Jesse Adams zu. „Es gibt dort noch Luftwiderstand durch die Atmosphäre, dem wir entgegensteuern müssen.“
In der viel höheren geostationären Umlaufbahn, also in 36 000 km Höhe, sind solche Manöver bereits gelungen – aber eben noch nie so niedrig, und schon gar nicht von einem privaten Newcomer.
Das Prinzip funktioniert überall
Eine weitere Schwierigkeit ist, dass der ION-Satellit der italienischen Firma D-Orbit, an den gedockt werden soll, über keinerlei Greifvorrichtung verfügt. „Wir wollten absichtlich eine unpräparierte, flache Oberfläche“, betont der Chefingenieur. Denn das heiße: Wenn sich Otter Pup 2 annähere und das Objekt berühre, sei damit der Kontakt zu einer flachen Oberfläche hergestellt. „Und dann würde es auch bei jedem anderen Satelliten funktionieren.“
Das „Berühren“ funktioniert hier mittels eines elektrostatischen Endeffektors. Bei Otter Pup 2 besteht er aus Leiterplatten auf dem Satelliten. Auf ihnen wiederum sind Bahnen aus Kupfer aufgebracht. Durch sie fließt Strom – mal mehr, mal weniger; je nach Steuerung von der Erde. Fließt Strom, erzeugt er eine Anziehungskraft zwischen den elektrisch geladenen Oberflächen beider Satelliten.
Aus dem Bauch in den Orbit
„Wer einen Wäschetrockner zu Hause hat, kennt das“, vergleicht Jesse Adams. „Wir benutzen hier im Prinzip die Anziehung, die auch ihre Socken zusammenpappen lässt. Diese elektrostatische Aufladung wird die beiden Satelliten zusammenhalten.“
Nach dem gemeinsamen Start mit einer Falcon 9 haben sich beide Satelliten erst einmal getrennt und mehrere Hundert Kilometer voneinander entfernt. Jeder wird zunächst seine eigene Mission erfüllen. „Unser ION-Satellit ist eine Plattform für verschiedene Nutzlasten“, so Matteo Bartolini, Ingenieur beim Unternehmen D-Orbit in Rom. „Er trägt kleinere Satelliten in seinem Bauch. Die wird er erst einmal ins All entlassen.“

Der rund 40 kg schwere Otter Pup 2 soll erstmals im niedrigen Erdorbit an ein anderes Raumfahrzeug andocken – allein durch elektrostatische Kräfte.
Foto: Starfish Space
Stillehalten auf der Umlaufbahn
Erst dann werden sich beide Satelliten wieder annähern. Otter Pup 2 wird dabei der aktive Teil sein. Er pirscht sich an seine Beute, den ION-Satelliten, heran. “Wir werden dabei rein passiv sein, unsere Position halten und uns nicht bewegen“, betont Bartolini, „solange, bis der Kontakt zwischen Otter Pup 2 und dem ION-Satelliten hergestellt ist.“
Sein Name hat übrigens nicht mit Ionenantrieb zu tun, sondern steht schlicht für „In Orbit Now.“ Er ist ungefähr so groß wie eine Waschmaschine, das heißt, er hat eine Kantenlänge von jeweils 1 m. Damit ist er etwas größer als Otter Pup 2.
Eine fliegende Tankstelle
Ist der Kontakt zwischen beiden Satelliten hergestellt, könnte künftig die eigentliche Aufgabe solch einer unbemannten Servicemission in der Umlaufbahn beginnen. „Im Moment ist es so, dass die Lebenserwartung von Satelliten auch durch den Treibstoffverbrauch begrenzt wird“, sagt der Luft- und Raumfahrtingenieur Felix Huber, Leiter des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums in Oberpfaffenhofen. „Und damit wäre es natürlich gut, wenn man das nachfüllen könnte.“ Denn Treibstoff hoch zu bringen, wäre billiger, als einen komplett neuen Satelliten zu starten. „Ich habe dann eine fliegende Tankstelle im All und kann meine Satelliten nachtanken, um sie länger fliegen zu lassen.“
Auftanken, Abschleppen oder Absturz
Es gebe derzeit allerdings keinen standardisierten Dockingadapter, der solche Manöver zuließe – deswegen der Trick mit der elektrostatischen Aufladung und Annäherung. So es denn funktioniert. „Sie müssen demonstrieren, dass sie es können“, fordert Huber. „Sie wollen kommerzielle Aufträge, also müssen sie auch zeigen, dass sie die Technik beherrschen.“
Bislang wird Starfish Space unter anderem von Intelsat und von der Nasa finanziert, die beide Interesse an diesem Projekt haben. Und falls das mit dem Auftanken nicht funktioniert, kann der eigens angereiste Otter-Satellit sein Gegenüber immer noch abschleppen und zum zielgerichteten Absturz und Verglühen in der Erdatmosphäre bringen, um so Weltraumschrott zu vermeiden.
Ein Beitrag von: