4,3 Milliarden Jahre alt 09.10.2025, 04:50 Uhr

So brachte ein Streifschuss den Mond zum Leuchten

Warum der Mond zwei Gesichter hat? Neue Studie erklärt es mit einem alten Krater – und Artemis sucht die Beweise.

Rückseite des Monds

Das South Pole-Aitken-Einschlagbecken auf der Rückseite des Mondes entstand durch einen Einschlag in südlicher Richtung (im Bild unten). Das Becken hat auf einer Seite eine radioaktive, „KREEP-reiche“ Auswurfdecke (leuchtend rot), die Material enthält, das aus dem Mondmagmaozean ausgegraben wurde. Die Artemis-Astronauten werden innerhalb dieses Materials am südlichen Ende des Beckens (unten im Bild) landen.

Foto: Jeff Andrews-Hanna/University of Arizona/NASA/NAOJ

Wenn die Nasa in den kommenden Jahren Astronautinnen und Astronauten im Rahmen des Artemis-Programms zum Mondsüdpol schickt, werden sie wohl mitten in einem wissenschaftlichen Schatz landen. Dort, wo ewiges Eis vermutet wird, könnten sich entscheidende Spuren verbergen, die zeigen, wie unser Mond wirklich entstanden ist.

Darauf deutet eine Studie um den Planetenforscher Jeffrey Andrews-Hanna von der University of Arizona hin. Im Zentrum steht ein gewaltiger Einschlagskrater auf der Rückseite des Mondes – das South Pole–Aitken-Becken, kurz SPA. Es gilt als das älteste und größte Einschlagsbecken im Sonnensystem. Wer dort bohrt, stößt womöglich auf Gestein aus den tiefsten Schichten des Mondes – Relikte aus seiner Entstehungszeit.

Ein schräger Treffer mit Folgen

Rund 4,3 Milliarden Jahre ist es her, dass ein Asteroid den jungen Mond traf. Der Einschlag kam schräg – kein Frontalaufprall, sondern ein Streifschuss. Heraus kam ein Krater, der sich über fast 1900 km von Nord nach Süd und 1.600 Kilometer von Ost nach West zieht.

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Seine Form erinnert an eine Träne oder eine Avocado – länglich, nicht kreisrund. Das Team um Andrews-Hanna verglich den SPA mit anderen Großkratern im Sonnensystem. Dabei fiel auf: Solche Becken verjüngen sich immer in Einschlagsrichtung. Beim SPA passiert das nach Süden – ein Hinweis, dass der Asteroid von Norden kam. Das widerspricht älteren Annahmen, die einen Einschlag aus dem Süden vermuteten.

Andrews-Hanna erklärt: „Das bedeutet, dass die Artemis-Missionen am abgewandten Rand des Beckens landen werden – also am besten geeigneten Ort, um das größte und älteste Einschlagsbecken auf dem Mond zu untersuchen. Dort sollte sich der meiste Auswurf befinden, also Material aus den tiefen Schichten des Mondinneren.“ Mit anderen Worten: Wer dort landet, steht auf den ältesten Überresten, die der Mond zu bieten hat.

Der doppelte Mond: Eine Seite hell, eine dunkel

Seit Jahrzehnten rätseln Forschende, warum die Mondvorderseite so anders aussieht als die Rückseite. Die uns zugewandte Seite zeigt dunkle Lavaflächen, die berühmten „Mare“. Die Rückseite dagegen ist heller und von Kratern übersät. Warum diese ungleiche Entwicklung?

Ein Schlüssel liegt tief unter der Oberfläche. Nach gängiger Vorstellung war der junge Mond zunächst von einem Magma-Ozean bedeckt. Beim Abkühlen sanken schwere Mineralien ab und bildeten den Mantel, während leichtere Mineralien eine Kruste formten. Einige Elemente passten dabei in keine dieser Schichten – Kalium, seltene Erden und Phosphor. Sie blieben in den Resten der Schmelze zurück. Forschende nennen dieses Gemisch KREEP.

Andrews-Hanna beschreibt den Prozess bildhaft: „Wenn Sie schon einmal eine Dose Limonade ins Gefrierfach gelegt haben, haben Sie vielleicht bemerkt, dass das Wasser zu Eis wird, während der Maissirup bis ganz zum Schluss flüssig bleibt und sich in den letzten Resten konzentriert.“

So ähnlich könnte es auch auf dem Mond gewesen sein: Übrig blieb ein dünner Film geschmolzenen Materials zwischen Mantel und Kruste – reich an KREEP und an wärmeerzeugenden Elementen.

Diese Wärme konzentrierte sich auf der Vorderseite. Sie ließ dort Vulkane entstehen und formte die dunklen Ebenen, die wir von der Erde sehen. Auf der Rückseite dagegen kühlte der Mond stärker aus – die Kruste wurde dicker, der Vulkanismus blieb aus.

Die „Zahnpasta“-Theorie

Wie aber gelangte das KREEP-Material auf die Vorderseite? Andrews-Hanna hat dafür ein anschauliches Bild: „Unsere Theorie ist, dass die Kruste auf der Rückseite dicker wurde und den darunterliegenden Magma-Ozean zur Seite drückte – wie Zahnpasta, die man aus einer Tube presst. So landete der Großteil des Magmas auf der Vorderseite.“

Dafür liefert das South Pole–Aitken-Becken neue Hinweise. Auf seiner Westseite fanden Forschende Auswurfmaterial mit viel Thorium – ein typisches KREEP-Element. Auf der Ostseite fehlt es. Das deutet darauf hin, dass der Einschlag ein Fenster in die Kruste riss – genau dort, wo die letzten Reste des Magma-Ozeans lagen.

„Unsere Untersuchung zeigt, dass die Verteilung und Zusammensetzung dieser Materialien genau den Vorhersagen entsprechen, die sich aus Modellen der späten Entwicklungsphase des Magma-Ozeans ergeben“, sagt Andrews-Hanna.

Artemis soll das Rätsel lösen

Was bisher aus Satellitendaten stammt, soll Artemis bald durch Proben bestätigen. Denn Fernerkundung zeigt zwar, wo bestimmte Elemente vorkommen, verrät aber wenig über ihre genaue Zusammensetzung.

„Diese Proben werden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit untersucht – auch hier an der University of Arizona, wo wir hochmoderne Labore speziell für solche Analysen haben“, erklärt Andrews-Hanna.

Und weiter: „Mit Artemis werden wir endlich Proben auf der Erde untersuchen können, bei denen wir genau wissen, woher sie stammen.“ Er ist überzeugt: „Diese Proben könnten noch mehr über die frühe Entwicklung des Mondes verraten, als bisher gedacht.“

Wenn das gelingt, ließe sich die Geschichte des Mondes vielleicht erstmals vollständig rekonstruieren – vom gewaltigen Einschlag über den Magma-Ozean bis zu den Krustenunterschieden, die bis heute sichtbar sind.

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Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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