Signal aus der Dunkelheit 22.08.2025, 08:00 Uhr

Radioblitz entfesselt kosmische Power – vier Tage Sonne in Millisekunden

Ein Radioblitz setzt in Millisekunden Energie wie vier Sonnentage frei. Was steckt hinter RBFLOAT, dem hellsten FRB im Universum?

Radioburst

Das Radioteleskop CHIME in Kanada registrierte den bislang hellsten schnellen Radioburst – ein kosmischer Blitz aus 130 Millionen Lichtjahren Entfernung.

Foto: Daniëlle Futselaar/MMT Observatory

Für einen Augenblick war er heller als alles in seiner Galaxie: Im März 2025 entdeckte ein internationales Team von Astronominnen und Astronomen einen der stärksten je registrierten schnellen Radioblitze (FRBs). Das Signal dauerte nur Millisekunden und erhielt den Spitznamen RBFLOAT – kurz für radio-brightest flash of all time.

Die Entdeckung gelang dem Canadian Hydrogen Intensity Mapping Experiment (CHIME) gemeinsam mit seinem neuen Satellitensystem, den sogenannten Outriggers. Mit diesen Antennenstationen in Kanada, den USA und Kalifornien konnten Forschende die Herkunft des Signals mit bislang unerreichter Genauigkeit bestimmen: auf einen Spiralarms der Galaxie NGC 4141, rund 130 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt.

Radioblitze – kurz, stark und rätselhaft

Schnelle Radioblitze sind kurze, aber extrem energiereiche Ausbrüche von Radiowellen. Sie dauern meist nur den Bruchteil einer Sekunde, setzen in dieser Zeit jedoch mehr Energie frei als unsere Sonne in mehreren Tagen. Seit der erste FRB 2007 entdeckt wurde, sind inzwischen Tausende solcher Ereignisse registriert worden. Ihre Ursachen sind noch immer nicht eindeutig geklärt.

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Manche FRBs wiederholen sich in unregelmäßigen Abständen. Andere, wie RBFLOAT, erscheinen nur einmal. Für Forschende ist das ein Problem: Wer die Quelle genauer verstehen will, braucht eigentlich mehrere Ausbrüche. Bei einmaligen Signalen bleibt nur ein einziger Versuch, die Herkunft zu bestimmen.

Ein Signal fast vor der Haustür

„Aus kosmischer Sicht befindet sich dieser schnelle Radioburst quasi in unserer Nachbarschaft“, erklärt Kiyoshi Masui vom MIT. Tatsächlich ist die Distanz von 130 Millionen Lichtjahren im Maßstab des Universums eher klein. Viele andere bekannte Radioblitze stammen aus Milliarden Lichtjahren Entfernung.

Gerade weil RBFLOAT so nah liegt und so hell war, eröffnet er neue Chancen, das Rätsel dieser Blitze zu lösen. Zum ersten Mal konnten Forschende die genaue Region in einer Galaxie ausmachen, in der sich ein einmaliger FRB ereignet hat.

Glühwürmchen im All

Die Ortung gelang mit Hilfe der neuen CHIME-Outrigger. Sie arbeiten wie ein gigantisches, über den Kontinent verteiltes Radioteleskop. „Stellen Sie sich vor, wir sind in New York und in Florida leuchtet für den Bruchteil einer Sekunde ein Glühwürmchen auf, so schnell sind FRBs normalerweise“, sagt Shion Andrew vom MIT. „Die Lokalisierung eines FRB in einem bestimmten Teil seiner Heimatgalaxie ist vergleichbar damit, nicht nur herauszufinden, von welchem Baum das Glühwürmchen kommt, sondern auch, auf welchem Ast es sitzt.“

Diese Präzision war bislang nicht möglich. CHIME registrierte seit 2018 zwar über 4000 Radioblitze, doch deren Herkunft blieb meist vage. Erst die Kombination mit den Outrigger-Stationen ermöglicht eine Art kosmische Triangulation.

Ein Ausbruch ohne Wiederholung

Am 16. März 2025 schlug das CHIME-System Alarm. Ein so starkes Radiosignal ließ die Software zunächst an irdische Störungen denken – etwa durch Mobiltelefone oder Flugzeuge. Erst nach genauer Analyse stand fest: Es handelte sich um ein echtes astrophysikalisches Ereignis.

Die Daten zeigten, dass RBFLOAT seine gesamte Energie in einem einzigen Blitz abgab. In den folgenden Stunden und Tagen registrierten Teleskope keine weiteren Ausbrüche. Auch ein Blick zurück in die CHIME-Archivdaten der letzten sechs Jahre ergab: Kein weiteres Signal aus dieser Region.

Das macht RBFLOAT zu einem sogenannten „Einmal-Ausbruch“. Solche Ereignisse sind seltener und deutlich schwerer zu untersuchen als wiederkehrende Radioblitze.

Spurensuche im Spiralarm

Forschende nutzten zusätzliche Teleskope, um die Umgebung des Radioblitzes genauer zu betrachten. Dazu gehörten das 6,5-Meter-MMT-Teleskop in Arizona und das Keck-II-Teleskop auf Hawaii.

Die Bilder zeigten, dass RBFLOAT am Rand einer Sternentstehungsregion stattfand. Sterne entstehen dort aus dichten Gas- und Staubwolken. Besonders massereiche Sterne können am Ende ihres Lebens zu Neutronensternen werden. Einige davon entwickeln extrem starke Magnetfelder – sogenannte Magnetare. Sie gelten als eine der wahrscheinlichsten Quellen für schnelle Radioblitze.

„Wir haben festgestellt, dass die FRB am Rande eines Sternentstehungsgebiets liegt, in dem sich massereiche Sterne befinden“, erklärt Sunil Simha von der Northwestern University. „Zum ersten Mal konnten wir sogar abschätzen, wie tief er in das umgebende Gas eingebettet ist, und es ist relativ flach.“

Magnetare im Visier

Dass RBFLOAT nicht mitten in einem Sternentstehungsgebiet lag, sondern etwas außerhalb, ist interessant. Yuxin „Vic“ Dong, der die Beobachtungen mit dem MMT leitete, beschreibt es so: „Diese Lage ist faszinierend, da wir erwartet hätten, dass sie sich innerhalb der Ansammlung befindet. Dies könnte darauf hindeuten, dass der Vorläufer-Magnetar aus seinem Entstehungsort herausgeschleudert wurde oder dass er direkt am FRB-Standort und weit entfernt vom Zentrum der Ansammlung entstanden ist.“

Das deutet auf eine mögliche Entwicklungsgeschichte hin: Ein junger Magnetar könnte sich von seinem Ursprungsort entfernt haben, bevor er den Radioblitz aussandte. Alternativ könnte er schon älter sein als viele andere bekannte Kandidaten.

Energie wie vier Tage Sonne

Wie gewaltig der Ausbruch war, zeigt der Vergleich mit unserer Sonne. RBFLOAT setzte in Millisekunden so viel Energie frei wie die Sonne in vier Tagen. Und das in Form von Radiowellen – einer Strahlung, die für das menschliche Auge unsichtbar ist, für Radioteleskope aber klar erkennbar.

Solche Energiemengen erklären, warum selbst weit entfernte FRBs auf der Erde nachweisbar sind.

Wendepunkt in der FRB-Forschung

„Dieses Ergebnis markiert einen Wendepunkt“, sagt Amanda Cook von der McGill University. „Anstatt diese mysteriösen Blitze nur zu entdecken, können wir nun genau sehen, woher sie kommen.“

Tatsächlich hat die Ortung von RBFLOAT gezeigt, dass die Kombination von CHIME mit seinen Outriggern neue Standards setzt. Während die Fachwelt in den letzten acht Jahren nur rund 100 präzise lokalisierte FRBs veröffentlichte, erwarten Forschende nun mehrere Hundert pro Jahr allein mit diesem System.

Damit entsteht in den kommenden Jahren eine umfangreiche Datenbank, die es erstmals erlaubt, systematisch zu vergleichen: Wo treten FRBs auf, welche Umgebungen begünstigen sie, welche Unterschiede gibt es zwischen einmaligen und wiederkehrenden Ausbrüchen?

Ein Blick in die Zukunft

„Dank der CHIME-Ausleger treten wir nun in eine neue Ära der FRB-Wissenschaft ein“, betont Tarraneh Eftekhari vom Center for Interdisciplinary Exploration and Research in Astrophysics (CIERA). Die Studie, die am 21. August 2025 in den Astrophysical Journal Letters erschien, markiert nach Einschätzung der beteiligten Teams nur den Anfang.

Je mehr Ereignisse präzise lokalisiert werden, desto eher lässt sich die Vielfalt der möglichen Quellen erfassen. Ob Magnetare die alleinige Erklärung sind oder ob exotischere Szenarien – etwa kollidierende Sterne oder Schwarze Löcher – eine Rolle spielen, bleibt offen.

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Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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