Größter Boom seit dem Urknall 06.06.2025, 07:55 Uhr

Heller als der Urknall? Neue Lichtblitze sprengen alle Rekorde

Extreme Nuclear Transients: Neue Klasse von Explosionen zeigt, was passiert, wenn Sterne auf gigantische Schwarze Löcher treffen.

Ein unglücklicher massereicher Stern nähert sich einem supermassereichen Schwarzen Loch

Ein unglücklicher massereicher Stern nähert sich einem supermassereichen Schwarzen Loch. Die daraus resultierende Explosion ist stärker als alles andere, was bisher beobachtet wurde.

Foto: University of Hawaiʻi

Astronomen der Universität von Hawaii haben im Universum Lichtblitze beobachtet, die alles Dagewesene in den Schatten stellen. Sie dauern Monate, strahlen Billionen mal heller als unsere Sonne und haben eine Energie, die weit über jeder bekannten Supernova liegt. Das Forschungsteam hat diese seltenen Ereignisse als Extreme Nuclear Transients (ENTs) getauft – eine neue Klasse kosmischer Phänomene, deren Ursache im Zusammenspiel von massereichen Sternen und extrem großen Schwarzen Löchern liegt.

Transiente Ereignisse mit Rekordwerten

Das Team um Jason Hinkle von der Universität Hawaii beobachtete über Jahre hinweg ungewöhnlich langlebige Flares im Zentrum entfernter Galaxien. Die Helligkeit dieser Ereignisse nahm über rund 100 Tage zu und blieb anschließend mehrere Monate nahezu konstant. In dieser Zeit strahlten die ENTs eine Energie von bis zu 1,5 × 10⁵² Erg ab – das entspricht etwa 25-mal der Energie der stärksten bislang bekannten Supernova. Zum Vergleich: Unsere Sonne produziert in zehn Milliarden Jahren dieselbe Energiemenge, die ein ENT in nur einem Jahr freisetzt.

Die Forschenden nutzten unter anderem Daten der Gaia-Mission der ESA sowie Messungen vom Keck-Observatorium, der Zwicky Transient Facility (ZTF) und anderen Observatorien. Drei Ereignisse standen im Fokus: Gaia16aaw, Gaia18cdj und AT2021lwx.

Wussten Sie schon?
Supernovae gelten bisher als die energiereichsten bekannten Sternexplosionen. ENTs strahlen jedoch bis zu 25 Mal mehr Energie ab – bei deutlich längerer Dauer.

 

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Was steckt hinter dieser extremen Leuchtkraft?

Typische Erklärungen wie Supernovae oder Gamma-Ausbrüche konnten schnell ausgeschlossen werden. Die Lichtkurven der ENTs verliefen zu gleichmäßig und zu lang. Auch aktive Galaxienkerne, sogenannte AGNs, konnten nicht als Ursache dienen, da ihre Helligkeit meist unregelmäßig schwankt.

Stattdessen kam eine andere Erklärung in den Fokus: Ein Stern gerät zu nah an ein supermassereiches Schwarzes Loch. Die enorme Gravitationskraft zerreißt den Stern – ein Vorgang, der als „Tidal Disruption Event“ (TDE) bekannt ist. Ein Teil des Materials wird in das Schwarze Loch gezogen, der Rest in den Weltraum geschleudert. Dabei entsteht ein heller, langlebiger Lichtausbruch.

Doch die ENTs unterscheiden sich deutlich von herkömmlichen TDEs. „Diese ENTs sind noch einmal stärkere Monster – sie sind weit heller als typische Sternzerstörungen dieser Art und halten länger an“, sagt Hinkle. Offenbar wirken bei den ENTs noch extremere Bedingungen.

Gigantische Massen als Auslöser

Die Auswertung der Daten legt nahe: Nur wenn ein besonders massereicher Stern – mindestens drei Sonnenmassen – auf ein extrem massereiches Schwarzes Loch trifft, kann ein ENT entstehen. Die Schwarzen Löcher müssen dabei mehr als 100 Millionen Sonnenmassen besitzen, in einem Fall sogar geschätzt 250 Millionen. Nur diese Kombination erzeugt eine so langsame und gleichmäßige Akkretion des Sternenmaterials, wie sie bei ENTs beobachtet wird.

Im Zentrum dieser Ereignisse steht also das Zusammenspiel zweier kosmischer Giganten – ein massereicher Stern und ein gewaltiges Schwarzes Loch.

Beweise im Lichtspektrum

Alle drei analysierten ENTs zeigten im Spektrum breite Linien von Wasserstoff und einfach ionisiertem Magnesium. Auch die konstante blaue Farbe des Lichts deutet auf Temperaturen von etwa 15.000 Kelvin hin – ein deutliches Indiz für eine stabile Akkretionsscheibe rund um das Schwarze Loch.

Infrarotmessungen belegten zudem, dass Staub in der Umgebung durch UV-Strahlung erhitzt wurde – auch das ein typisches Merkmal für eine Flare-Quelle im galaktischen Zentrum. Teilweise konnte zusätzlich Röntgenstrahlung gemessen werden, wie sie auch von aktiven Schwarzen Löchern bekannt ist.

Fachbegriff erklärt: Tidal Disruption Event (TDE)
Wenn ein Stern einem Schwarzen Loch zu nahe kommt, zerreißen Gezeitenkräfte den Stern. Dabei wird ein Teil des Materials vom Schwarzen Loch verschluckt und leuchtet dabei auf.

 

Blick in die ferne Vergangenheit

Die beobachteten ENTs stammen aus Galaxien mit einer Rotverschiebung von z ≈ 1 – das bedeutet: Das Licht dieser Explosionen ist seit rund 8 Milliarden Jahren unterwegs zur Erde. Damals war das Universum etwa halb so alt wie heute. Die Wirtsgalaxien zeichnen sich durch hohe Sternentstehungsraten von bis zu 110 Sonnenmassen pro Jahr aus. Auch das spricht für ein aktives, massereiches Schwarzes Loch im Zentrum.

Benjamin Shappee, Mitautor der Studie, betont den wissenschaftlichen Wert solcher Ereignisse: „Da sie so hell sind, können wir sie über große kosmische Entfernungen hinweg sehen – und in der Astronomie bedeutet weit weg zu schauen, in die Vergangenheit zu schauen.“

ENTs als neue Werkzeuge der Kosmologie

ENTs sind selten. Forschende gehen davon aus, dass sie mindestens 10 Millionen Mal seltener auftreten als gewöhnliche Supernovae. Doch genau diese Seltenheit macht sie wertvoll: Sie markieren Extremzustände im Universum, die sonst schwer zugänglich sind. Durch ihre Helligkeit eignen sie sich hervorragend zur Beobachtung von Schwarzen Löchern im frühen Kosmos.

„Sie beleuchten auch Prozesse, die für das Heranwachsen der größten Schwarzen Löcher im Universum verantwortlich sein könnten“, erklärt Hinkle. ENTs geben also nicht nur Hinweise auf die Lebenszyklen von Sternen, sondern auch auf das Wachstum der Zentralobjekte ganzer Galaxien.

Neue Teleskope versprechen mehr Entdeckungen

Die derzeit bekannten ENTs wurden durch Zufall oder gezielte Nachsuche in Archivdaten entdeckt. Das ändert sich bald. Zukünftige Observatorien wie das Vera C. Rubin Observatory oder das Nancy Grace Roman Space Telescope werden den Himmel systematisch und in hoher Auflösung beobachten. Sie könnten Dutzende, vielleicht Hunderte dieser seltenen Phänomene aufspüren – auch in noch größerer Entfernung und damit noch tiefer in der kosmischen Vergangenheit.

ENTs könnten so zu einem wichtigen Instrument werden, um das frühe Universum zu verstehen. Gleichzeitig helfen sie dabei, das Verhalten von Materie in den extremsten Schwerkraftfeldern zu erforschen.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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