Galaxien-Duell: Quasar attackiert Nachbargalaxie mit Strahlung
Astronomen beobachten eine galaktische Kollision: Ein Quasar durchbohrt eine Nachbargalaxie und verändert ihre Sternentstehung nachhaltig.

Dieses Bild, aufgenommen mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA), zeigt den Molekülgasgehalt zweier Galaxien, die an einer kosmischen Kollision beteiligt sind. Die rechte Galaxie beherbergt einen Quasar – ein supermassives Schwarzes Loch, das Material aus seiner Umgebung ansammelt und intensive Strahlung direkt in die andere Galaxie abgibt.
Foto: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/S. Balashev and P. Noterdaeme et al. Creative Commons Lizenz (CC BY 4.0)
In einer Region des Universums, die über 11 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt liegt, beobachteten Astronominnen und Astronomen ein außergewöhnliches Ereignis. Zwei Galaxien rasen aufeinander zu, treffen sich, prallen ab – und setzen zur nächsten Runde an. Bei dieser kosmischen Kollision spielt ein Quasar eine zentrale Rolle. Seine Strahlung trifft gezielt die Nachbargalaxie und stört dort die Bedingungen für die Entstehung neuer Sterne. Forschende bezeichnen dieses System daher als ein „kosmisches Turnier“.
Inhaltsverzeichnis
Begegnung zweier Galaxien in der Frühzeit des Universums
Das Licht dieses Szenarios stammt aus einer Zeit, als das Universum nur 18 % seines heutigen Alters hatte. Was wir heute sehen, zeigt den Zustand der Galaxien vor mehr als 11 Milliarden Jahren. Die beiden Galaxien befinden sich in einem Zustand wiederholter Annäherung und Abstoßung – ein Prozess, der typisch für galaktische Verschmelzungen ist. Doch in diesem Fall ist der Ablauf besonders: Eine der Galaxien trägt einen aktiven Quasar in ihrem Zentrum.
Ein Quasar ist der extrem helle Kern einer Galaxie, angetrieben von einem supermassereichen Schwarzen Loch. Wenn Materie in das Schwarze Loch fällt, erhitzt sie sich stark und sendet intensive Strahlung aus – besonders im Radiowellenbereich. Diese Strahlung dringt in diesem Fall tief in die zweite Galaxie ein und verändert dort die Struktur des interstellaren Gases.
Was ein Quasar anrichten kann
„Hier sehen wir zum ersten Mal die Auswirkungen der Strahlung eines Quasars direkt auf die innere Struktur des Gases in einer ansonsten normalen Galaxie“, erklärt Sergei Balashev vom Ioffe-Institut in St. Petersburg. Balashev ist einer der Leitenden der internationalen Studie. Die Forschenden kombinierten Daten des Very Large Telescope (VLT) der ESO mit Beobachtungen des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA).
Diese Kombination ermöglichte eine genaue Analyse. Das Licht des Quasars durchdringt die zweite Galaxie und wird dabei verändert – ein Hinweis auf die Prozesse, die dort stattfinden. Die Auswertung zeigt: Die Quasarstrahlung zerstört weite Teile der Gas- und Staubwolken, in denen normalerweise neue Sterne entstehen würden. Nur kleinste, besonders dichte Regionen bleiben erhalten. Doch sie sind so klein, dass kaum neue Sterne entstehen können.
Ein unfairer Vorteil im galaktischen Turnier
Pasquier Noterdaeme, Mitautor der Studie und tätig am Institut d’Astrophysique de Paris sowie am französisch-chilenischen Labor für Astronomie, beschreibt das System als „kosmisches Turnier“ – angelehnt an mittelalterliche Ritterkämpfe. Der Vergleich passt: Während sich beide Galaxien aufeinander zubewegen, greift der Quasar mit konzentrierter Energie an.
Doch diese Schlacht ist einseitig. Der Quasar wirkt wie eine Waffe, mit der die eine Galaxie systematisch die Bedingungen in der anderen verändert. Und nicht nur das: Gleichzeitig saugt das zentrale Schwarze Loch neue Materie an, die durch die Kollision ins Zentrum transportiert wird. Das verstärkt den Quasar weiter – ein selbstverstärkender Kreislauf.
Technik aus der Atacama-Wüste macht Beobachtungen möglich
Die Forschenden nutzten für ihre Arbeit hochauflösende Instrumente in der chilenischen Atacama-Wüste. ALMA ermöglichte es, die beiden eng benachbarten Galaxien klar zu unterscheiden. Frühere Aufnahmen hatten sie noch als ein einziges Objekt erscheinen lassen. Mit dem Spektrografen X-shooter am VLT konnte das Team das Licht des Quasars auf dem Weg durch die zweite Galaxie analysieren.
Diese Methode zeigt, wie empfindlich die Gasstrukturen auf die intensive Strahlung reagieren. Die Daten liefern nicht nur Hinweise auf die Zerstörung potenzieller Sternenwiegen, sondern auch auf chemische Veränderungen innerhalb der Galaxie.
Auswirkungen auf die Galaxienentwicklung
Die beobachtete Situation ist ein Lehrbeispiel für Prozesse, die in der Frühzeit des Universums häufig waren. Galaxienverschmelzungen traten damals deutlich öfter auf als heute. Auch Quasare waren häufiger aktiv. Beides zusammen beeinflusste die Entwicklung vieler Galaxien – sowohl intern als auch im Zusammenspiel mit ihrer Umgebung.
„Man nimmt an, dass diese Verschmelzungen riesige Mengen an Gas zu den supermassereichen Schwarzen Löchern in den Galaxienzentren transportieren“, erklärt Balashev. Diese Gaszufuhr befeuert die weitere Aktivität der Quasare – mit potenziell weitreichenden Folgen für die Sternentstehung und chemische Entwicklung der betroffenen Galaxien.
Blick in die Zukunft: Was größere Teleskope zeigen könnten
Die Beobachtungen sind Teil eines größeren Projekts zur Erforschung der Rolle von Quasaren in der Galaxienentwicklung. Mit dem Extremely Large Telescope (ELT), das aktuell von der ESO gebaut wird, könnten ähnliche Systeme noch detaillierter untersucht werden. Noterdaeme ist überzeugt: „Das ELT wird uns sicherlich ermöglichen, diese und andere Systeme genauer zu untersuchen.“
Das Ziel: besser zu verstehen, wie Galaxien wachsen, sich verändern und welche Rolle extreme Objekte wie Quasare dabei spielen. Denn die Entwicklung des Universums ist eng mit solchen Prozessen verknüpft – auch wenn sie aus unserer Perspektive unvorstellbare Zeiträume und Dimensionen betreffen.
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