Geboren im Strahlenbad: Warum manche Planeten nie Wasser sehen
Überraschende Entdeckung mit dem James-Webb-Weltraumteleskop: Manche Planeten starten ohne Wasser, dafür mit viel CO₂. Wie Strahlung ihre Atmosphäre prägt und ihre Chancen auf Leben beeinflusst.
Das James-Webb-Teleskop hat sich den jungen Stern XUE 10 ganz genau angeschaut und eine überraschende Entdeckung gemacht: Planeten mit zu viel CO₂ von Anfang an.
Foto: Universität Stockholm (SU) und María Claudia Ramírez-Tannus, Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA)
Werfen wir den Blick in eine kosmische Werkstatt: Gas und Staub wirbeln durcheinander, ein junger Stern zündet, und in der Scheibe um ihn herum formen sich langsam Planeten. Normalerweise erwarten Forschende dort viel Wasser – in Form von Eis, das sich erhitzt und verdampft. Doch das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) hat gezeigt: Es gibt auch Scheiben, in denen nicht Wasser, sondern Kohlendioxid (CO₂) dominiert.
„Im Gegensatz zu den meisten nahegelegenen Planetenentstehungsscheiben, in denen Wasserdampf die inneren Regionen dominiert, ist diese Scheibe überraschend reich an Kohlendioxid“, sagt Jenny Frediani von der Universität Stockholm. Wasser sei hier so selten, dass es kaum messbar sei – ein klarer Gegensatz zu bisherigen Beobachtungen.
Inhaltsverzeichnis
Kosmische Kinderstuben – alles andere als friedlich
Neue Sterne entstehen selten allein. Meist zünden mehrere fast gleichzeitig in dichten Gas- und Staubwolken. Diese „Sternkindergärten“ sind laute und grelle Umgebungen. Massereiche Nachbarsterne senden intensive ultraviolette (UV) Strahlung aus. Diese Strahlung trifft auf die Gasscheiben junger Sterne und verändert ihre Chemie.
Maria-Claudia Ramirez-Tannus vom Max-Planck-Institut für Astronomie erläutert es: „Sie zeigt, wie extreme Strahlungsumgebungen – die in massereichen Sternentstehungsgebieten häufig vorkommen – die Bausteine von Planeten verändern können.“
Wenn Strahlung Moleküle umbaut
Was passiert dort genau? UV-Strahlung wirkt wie ein unsichtbares Skalpell. Sie spaltet Wassermoleküle, die normalerweise in solchen Scheiben reichlich vorkommen. Die frei werdenden Sauerstoffatome verbinden sich mit Kohlenmonoxid (CO). Heraus kommt CO₂ – und zwar in großen Mengen.
Damit entsteht in den Regionen, in denen sich erdähnliche Planeten entwickeln könnten, eine ungewöhnlich CO₂-reiche Umgebung. Forschende sprechen hier vom „Atmosphärenstartpaket“. Denn ein Planet, der in dieser Zone entsteht, übernimmt die chemische Signatur seiner Wiege. Er startet also direkt mit einer CO₂-lastigen Atmosphäre.
Klimafaktor von Anfang an
Auf der Erde hat sich CO₂ erst nach und nach aufgebaut – durch Vulkane oder biologische Prozesse. Doch in solchen kosmischen Brutstätten ist das anders: Dort wird der Grundstein schon während der Entstehung gelegt.
Das hat Folgen. CO₂ ist ein starkes Treibhausgas. Planeten, die es von Geburt an in ihrer Atmosphäre tragen, könnten deutlich wärmer starten. Ob ein Planet bewohnbar ist oder nicht, entscheidet sich damit schon sehr früh – lange bevor sich Ozeane oder Leben überhaupt bilden könnten.

Ein Bild der Sternentstehungsregion NGC 6357 mit dem jungen Stern XUE 10. Beobachtungen mit JWST/MIRI zeigen eine Planetenentstehungsscheibe, deren Spektrum vier verschiedene Formen von Kohlendioxid (CO2) deutlich nachweist, aber nur wenig Wasser, was neue Einblicke in die chemische Umgebung liefert, in der Planeten entstehen.
Foto: Universität Stockholm (SU) und María Claudia Ramírez-Tannus, Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA)
Blick durchs Infrarotauge
Dass es nicht nur Theorie ist, zeigen die Messungen des JWST. Mit seinem Infrarotinstrument MIRI kann es in die staubverhangenen Scheiben spähen. Dort registrierte es klare CO₂-Signale – viel stärker, als Modelle bisher vorhergesagt hatten.
„Dies stellt eine Herausforderung für die aktuellen Modelle der Scheibenchemie dar“, erklärt Jenny Frediani. Denn die hohen CO₂-Werte lassen sich mit herkömmlichen Prozessen kaum erklären. Nur der Einfluss starker Strahlung passt ins Bild.
Spuren aus der Frühzeit des Sonnensystems
Die Forschenden fanden zudem Isotope – Varianten des CO₂ mit leicht veränderten Atomen. Solche Fingerabdrücke kennt man auch von Meteoriten und Kometen unseres Sonnensystems. Sie gelten als Relikte aus der Zeit, als die Erde und ihre Nachbarn entstanden. Nun könnten diese Signaturen helfen, die Ursprünge unserer eigenen Planetenchemie besser zu verstehen.
Die Nachbarschaft entscheidet
Die Entdeckung führt zu einer wichtigen Erkenntnis: Es reicht nicht, nur auf den Zentralstern zu schauen. Auch die kosmische Nachbarschaft bestimmt, ob ein Planet erdähnlich oder eher ein Treibhaus wird. Wer in einer ruhigen Region geboren wird, hat andere Startbedingungen als ein Planet in einem hellen, strahlungsreichen Sternhaufen.
Arjan Bik von der Universität Stockholm sagt dazu: „Eine so hohe Kohlendioxidkonzentration in der Planetenentstehungszone ist unerwartet. Sie deutet darauf hin, dass intensive ultraviolette Strahlung – entweder vom Mutterstern oder von benachbarten massereichen Sternen – die Chemie der Scheibe verändert.“
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