Wie Galaxien wachsen: M83 saugt Gaswolken aus dem All auf
Wie sich Spiralgalaxien wie M83 über Milliarden Jahre mit neuem Material versorgen – und was das mit unserer Milchstraße zu tun hat.

Die Spiralgalaxie M83 saugt fremde Gaswolken auf. Mit diesem Material könnten neue Sterne entstehen.
Foto: 2025 ESO. Creative Commons Lizenz (BY-ND 4.0)
Forschende der Universität Tokio haben ungewöhnlich schnelle Gaswolken in der Galaxie M83 entdeckt. Diese bewegen sich deutlich anders als das restliche Gas in der Galaxie. Vieles deutet darauf hin, dass sie von außerhalb stammen. Überraschend ist: Die Wolken bestehen aus dichtem molekularem Gas – ideal für die Bildung neuer Sterne. Damit liefern sie möglicherweise eine Erklärung dafür, wie Galaxien über Milliarden Jahre frisches Material für die Sternentstehung gewinnen
Galaxien brauchen Nachschub
Galaxien wie unsere Milchstraße bestehen aus Milliarden von Sternen. Doch Sterne sind vergänglich. Sie entstehen aus Gas – vor allem aus molekularem Wasserstoff – und verbrauchen es im Laufe ihres Lebens. Ohne Nachschub müsste die Sternentstehung irgendwann zum Erliegen kommen. Trotzdem entstehen in der Milchstraße und ähnlichen Galaxien auch nach Milliarden Jahren noch neue Sterne. Woher kommt das frische Material?
Dieser Frage ist ein Forschungsteam um Maki Nagata von der Universität Tokio nachgegangen. Ihr Blick richtete sich auf eine Nachbargalaxie: M83, auch bekannt als Südliche Feuerradgalaxie. Diese Spiralgalaxie ähnelt unserer Milchstraße in Struktur und Größe – und liegt in einer Entfernung von etwa 15 Millionen Lichtjahren.
Was sind Hochgeschwindigkeitswolken?
Im Zentrum der aktuellen Studie stehen sogenannte Hochgeschwindigkeitswolken – kurz HVCs (von High-Velocity Clouds). Dabei handelt es sich um Gasansammlungen, die sich deutlich schneller oder langsamer bewegen als das rotierende Scheibengas der Galaxie. Die Forschenden legten ein Kriterium fest: Mindestens 50 Kilometer pro Sekunde Unterschied zur galaktischen Rotation.
Diese Abweichung allein ist noch kein Beweis für einen Ursprung außerhalb der Galaxie. Denn auch lokale Prozesse wie Supernovae – also explodierende Sterne – können Gas mit hoher Geschwindigkeit ausstoßen. Deshalb prüfte das Team genau, ob die beobachteten Wolken durch bekannte Phänomene innerhalb der Galaxie erklärt werden können.
Neun Wolken mit unbekanntem Ursprung
Von zehn untersuchten Hochgeschwindigkeitswolken ließ sich nur eine mit einem bekannten Supernova-Überrest in Verbindung bringen. Die übrigen neun passten nicht zu lokalen Quellen. Zudem enthielten sie deutlich mehr kinetische Energie, als bei Supernova-Auswürfen zu erwarten wäre.
Nagata erklärt: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Galaxien nicht isoliert sind, sondern ständig mit ihrer Umgebung interagieren.“ Vieles deutet darauf hin, dass das beobachtete Gas ursprünglich nicht zu M83 gehörte. Es könnte aus kleineren Nachbargalaxien stammen oder aus dem intergalaktischen Raum selbst.
Überraschung: Das Gas ist dicht und sternentauglich
Ein weiteres Detail überraschte das Team besonders: Die untersuchten Wolken bestehen nicht nur aus dünnem atomarem Wasserstoff, wie es für HVCs typisch ist. Stattdessen fanden die Forschenden kompaktes molekulares Gas – also genau den Stoff, aus dem Sterne entstehen können.
Das bedeutet: M83 bekommt nicht nur zufällig Gasnachschub, sondern genau das Material, das für die Sternentstehung benötigt wird. Die HVCs könnten also direkt dazu beitragen, die Bildung neuer Sterne in der Galaxie zu fördern.
Galaxie M83 – Die Südliche Feuerradgalaxie
- Bezeichnung: Messier 83 (NGC 5236)
- Typ: Balkenspiralgalaxie (Typ SAB(s)c)
- Entfernung zur Erde: ca. 15 Millionen Lichtjahre
- Position am Himmel: Sternbild Wasserschlange
- Durchmesser: etwa 55.000 Lichtjahre
- Besonderheiten: Sehr aktive Sternentstehung, viele Supernovae
- Ähnlichkeit: Strukturell vergleichbar mit der Milchstraße
Warum das für uns wichtig ist
Auch in der Milchstraße gibt es Hochgeschwindigkeitswolken. Dort wurden sie sogar zuerst entdeckt. Doch ihre genaue Herkunft ist bis heute unklar. Das Problem: Weil wir uns innerhalb unserer eigenen Galaxie befinden, ist es extrem schwierig, Entfernungen und Massen dieser Wolken zu bestimmen.
Deshalb richtete sich der Blick auf M83. Von außen lässt sich dort viel einfacher analysieren, wie die Gaswolken mit der Galaxie interagieren. Die Hoffnung: Was wir in M83 beobachten, hilft uns, die Prozesse in unserer eigenen Heimatgalaxie besser zu verstehen.
Frischer Stoff für die Sternentstehung
Gas allein reicht nicht, um Sterne zu bilden – es muss unter den richtigen Bedingungen in dichten Wolken zusammenfallen. Die Forschenden vermuten, dass die beobachteten HVCs genau das tun könnten, wenn sie mit der rotierenden Galaxienscheibe kollidieren.
Nagata sagt: „Wir werden erforschen, ob diese einströmenden Wolken bei ihrer Kollision mit der Galaxienscheibe neue Sternentstehung auslösen könnten. Das würde uns endlich helfen, die Frage zu beantworten, die wir uns zuvor gestellt haben.“
Nächste Schritte: Herkunft und Entwicklung
Künftig wollen die Forschenden untersuchen, ob das molekulare Gas ursprünglich aus atomarem Wasserstoff entstanden ist. Dazu analysieren sie die Umgebung der Wolken und suchen nach Verbindungen zu anderen Strukturen – etwa aus neutralem Wasserstoff.
Ziel ist es, ein umfassenderes Bild davon zu erhalten, wie genau fremde Gaswolken auf Galaxien treffen, was mit ihnen passiert – und welchen Einfluss sie auf die galaktische Entwicklung haben.
Ein Beitrag von: