Gravitationswellen 10.09.2025, 18:57 Uhr

Das Universum sendet ein Echo – und Hawking behält recht

Gravitationswellen bestätigen Hawkings Theorie: Schwarze Löcher vergrößern ihre Oberfläche bei Verschmelzungen. Ein kosmisches Echo beweist es.

Schwarze Löcher, die sich spiralförmig aufeinander zu bewegen

Schwarze Löcher, die sich spiralförmig aufeinander zu bewegen und verschmelzen. Ein fernes Zittern der Raumzeit: Gravitationswellen verraten, dass Hawking recht hatte.

Foto: Aurore Simonnet (SSU/EdEon)/LVK/URI

Am 14. September 2015 erreichte ein Signal die Erde, das unser Bild vom Universum veränderte. Was war passiert? Vor mehr als einer Milliarde Jahren stürzten zwei riesige Schwarze Löcher spiralförmig aufeinander zu und verschmolzen. Die Erschütterung dieser kosmischen Katastrophe reiste in Form von Gravitationswellen durch den Raum – winzige Falten in der Struktur der Raumzeit, wie Albert Einstein sie vor rund 100 Jahren vorhergesagt hatte. Nach 1,3 Milliarden Jahren traf dieses Signal schließlich auf die Erde.

Die empfindlichen Antennen des Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory, kurz LIGO, registrierten das Zittern. Es war der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen. Was wie ein kaum hörbarer Ton begann, entwickelte sich zu einem neuen Werkzeug der Astronomie. Forschende konnten nun nicht nur Licht und Teilchen messen, sondern auch das „Echo“ der Raumzeit selbst.

Ein neuer Sinn für die Astronomie

Bis zu diesem Tag sah die Astronomie das Universum durch zwei „Brillen“: Licht in all seinen Formen – von Radiowellen bis Röntgenstrahlen – und hochenergetische Teilchen wie Neutrinos oder kosmische Strahlen. Mit den Gravitationswellen kam ein dritter Sinn hinzu.

Stellenangebote im Bereich Luft- und Raumfahrt

Luft- und Raumfahrt Jobs
WITTENSTEIN motion control GmbH-Firmenlogo
Systemingenieur (w/m/d) WITTENSTEIN motion control GmbH
Igersheim-Harthausen Zum Job 

Die Entdeckung war kein Zufall, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit. 2017 erhielten drei der LIGO-Pioniere den Nobelpreis für Physik: Rainer Weiss, Barry Barish und Kip Thorne. Weiss, der kürzlich mit 92 Jahren verstarb, hatte bereits in den 1970er-Jahren die Grundlagen gelegt.

Heute sind LIGO, der Virgo-Detektor in Italien und KAGRA in Japan zu einem globalen Netzwerk zusammengeschlossen. Gemeinsam registrieren sie alle paar Tage eine neue Kollision Schwarzer Löcher. Mehr als 300 solcher Ereignisse haben sie bislang aufgespürt.

Die Präzision des Unvorstellbaren

Wie winzig diese Signale sind, lässt sich kaum begreifen. LIGO misst Veränderungen, die kleiner sind als ein Zehntausendstel der Breite eines Protons – rund 700 Billionen Mal weniger als der Durchmesser eines menschlichen Haares.

Um diese Empfindlichkeit zu erreichen, haben Ingenieurinnen und Ingenieure die Detektoren stetig weiterentwickelt. Moderne Quantenmesstechnik reduziert Störgeräusche, riesige Laserarme gleichen Temperatur- und Schwingungseinflüsse aus. LIGO und Virgo gelten als die präzisesten Messinstrumente, die je gebaut wurden.

GW250114 – das klarste Signal bisher

Im Januar 2025 erreichte ein Signal die Erde, so deutlich wie nie zuvor. Es trägt den nüchternen Namen GW250114, nach dem Datum seines Eintreffens. Zwei Schwarze Löcher mit jeweils 30 bis 40 Sonnenmassen kollidierten – 1,3 Milliarden Lichtjahre entfernt.

„Wir können es laut und deutlich hören, und das ermöglicht uns, die grundlegenden Gesetze der Physik zu überprüfen“, sagt Katerina Chatziioannou, Physikerin am Caltech.

Tatsächlich erlaubte GW250114 erstmals einen besonders präzisen Test einer alten Theorie: Stephen Hawkings Schwarzloch-Flächentheorem.

Hawkings Gedanke von 1971

1971 stellte Stephen Hawking eine kühne Behauptung auf: Die Oberfläche eines Schwarzen Lochs kann niemals kleiner werden. Wenn zwei Löcher verschmelzen, verbinden sich ihre Massen, die Oberfläche wächst. Zwar verlieren sie Energie in Form von Gravitationswellen, und auch eine schnellere Rotation kann die Fläche verringern. Doch am Ende, so Hawking, bleibt die Summe immer größer als zuvor.

Hawking und sein Kollege Jacob Bekenstein verknüpften diese Idee später mit dem Begriff der Entropie – einem Maß für Unordnung. Damit wurde die Oberfläche eines Schwarzen Lochs zum Schlüssel für das Verständnis der Verbindung von Relativitätstheorie und Quantenphysik.

Astronautin oder Astronaut werden kann mit etwas Glück einer von vielen Traumjobs sein, wenn man Luft- und Raumfahrttechnik studiert. Foto: Panthermedia.net/biancoblue (YAYMicro)

Astronautin oder Astronaut werden kann mit etwas Glück einer von vielen Traumjobs sein, wenn man Luft- und Raumfahrttechnik studiert.

Foto: Panthermedia.net/biancoblue (YAYMicro)

Das passende Studium zum Thema:

Weltraummedizin studieren? Hier geht es!

Erstmalig in Deutschland: Studium der Weltraumtechnologie

Luft- und Raumfahrt: Was verdient man als Astronaut?

 

Ein kosmischer Testlauf

Das Ereignis GW250114 lieferte nun den schärfsten Test dieser Theorie. Die beiden ursprünglichen Schwarzen Löcher hatten zusammen eine Oberfläche von etwa 240.000 Quadratkilometern – vergleichbar mit der Fläche des Vereinigten Königreichs. Das neu entstandene Schwarze Loch nach der Verschmelzung wuchs auf rund 400.000 Quadratkilometer an – fast so groß wie Schweden.

Die Zunahme ist eindeutig. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,999 % bestätigt das Signal Hawkings Theorem. Frühere Daten hatten lediglich 95 % Sicherheit erreicht.

Kip Thorne erinnert sich an ein Telefonat: „Hawking rief mich nach der ersten Entdeckung 2015 an und fragte, ob LIGO sein Theorem testen könnte.“ Hawking starb 2018, ohne die Bestätigung zu erleben. „Wenn Hawking noch am Leben wäre, hätte er sich darüber gefreut, dass die Fläche der verschmolzenen Schwarzen Löcher zugenommen hat“, so Thorne.

Die Glocke des Universums

Die Analyse war dennoch kein Selbstläufer. Vor der Verschmelzung sind die Signale vergleichsweise klar, weil die beiden Löcher wie ein kosmisches Tanzpaar aufeinander zuspiralen. Nach der Kollision wird es schwieriger. Das neue Schwarze Loch vibriert wie eine angeschlagene Glocke – eine Phase, die Forschende „Ringdown“ nennen.

Erstmals konnten sie in GW250114 zwei verschiedene Schwingungsmuster im Ringdown exakt messen. Diese Muster ähneln Tönen einer Glocke, die unterschiedlich schnell verklingen. Die Analyse erlaubte die Berechnung von Masse, Drehung und Oberfläche des neuen Schwarzen Lochs.

Eine weitere Studie sucht sogar nach einem dritten „Ton“. Bisher gibt es dafür keine Spur, doch die Ergebnisse liefern strenge Tests für Einsteins allgemeine Relativitätstheorie.

Mehr als Schwarze Löcher

Das Netzwerk aus LIGO, Virgo und KAGRA blickt längst über Schwarze Löcher hinaus. 2017 wurde eine Kollision zweier Neutronensterne beobachtet – ein Ereignis, das Licht und Gravitationswellen zugleich erzeugte. Dutzende Teleskope richteten sich damals auf die Himmelsregion, um das Nachglühen einzufangen. Dabei entstand auch das erste direkte Bild, wie Gold und andere schwere Elemente im All entstehen.

Seither melden die Detektoren regelmäßig Kollisionen von Neutronensternen oder sogar Mischungen aus Neutronenstern und Schwarzem Loch. Forschende fanden zudem Schwarze Löcher, die viel leichter sind als erwartet – und andere, die alle bisherigen Größenrekorde sprengen.

Blick in die Zukunft

Noch arbeiten die Detektoren am Limit ihrer Technik. Doch neue Projekte stehen bereit. In Indien soll ein weiterer LIGO-Standort entstehen. Europa plant mit dem Einstein-Teleskop riesige unterirdische Anlagen mit zehn Kilometer langen Armen. In den USA ist der „Cosmic Explorer“ im Gespräch, der 40 Kilometer lange Messstrecken nutzen könnte.

Solche Observatorien könnten nicht nur weit entfernte Verschmelzungen erfassen, sondern vielleicht sogar die Erschütterungen der allerersten Sekunden nach dem Urknall.

Massimo Carpinelli, Direktor des Europäischen Gravitationsobservatoriums, sagt: „Dies ist eine erstaunliche Zeit für die Gravitationswellenforschung. Wir bereiten bereits eine neue Generation von Detektoren vor, die uns noch weiter in die Vergangenheit des Universums führen werden.“

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.