Sternentwicklung 09.07.2025, 19:55 Uhr

Dreier im All: Warum viele Sternpaare ein drittes Rad brauchen

Viele Sternpaare sind nicht allein – ein dritter Stern mischt mit und verändert, wie sich explosive Systeme wie CVs überhaupt bilden.

Dreifach-Sternsystem

Diese Illustration zeigt ein Dreifach-Sternsystem, in dem zwei der Sterne in einer engen Gravitationsbahn umeinander kreisen. Der helle Stern im Vordergrund rechts ist ein Weißer Zwerg, der seinem Begleitstern Masse entzieht.

Foto: Caltech/R. Hurt (IPAC)

Lange Zeit glaubten Astronominnen und Astronomen, dass kataklysmische Variable (CVs) aus engen Sternpaaren hervorgehen, die durch eine gemeinsame Gashülle zusammenschrumpfen. Eine neue Studie zeigt nun: In vielen Fällen ist ein dritter, entfernter Stern im Spiel – und bringt das Paar überhaupt erst zusammen. Die Entdeckung verändert unser Verständnis von Sternentwicklung grundlegend.

Wenn Sterne Nähe suchen

In unserer Galaxie gibt es zahllose Doppelsterne – zwei Himmelskörper, die sich gegenseitig umkreisen. Doch nicht alle sind dabei sich selbst überlassen. Manchmal kommt ein Dritter ins Spiel. Besonders spannend ist das bei sogenannten kataklysmischen Variablen, kurz CVs. Diese Systeme bestehen aus einem Weißen Zwerg und einem nahen Begleitstern, der regelmäßig Materie verliert. Diese Materie sammelt sich auf dem Weißen Zwerg – bis es zur Eruption kommt. Es entsteht eine Nova.

Solche Ausbrüche faszinieren die Astronomie seit Jahrzehnten. Bisher gingen Forschende davon aus, dass solche engen Paare durch eine Phase der sogenannten „gemeinsamen Hüllenentwicklung“ entstehen. Dabei dehnt sich ein Stern so weit aus, dass er seinen Partner mit einer Gashülle einhüllt. Diese gemeinsame Hülle wirkt wie ein kosmischer Bremsklotz und lässt die beiden Sterne spiralförmig näher rücken. Am Ende bleibt ein kompaktes Paar zurück – bereit für den explosiven Massenraub.

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Doch neue Daten deuten darauf hin, dass diese Geschichte unvollständig ist.

Ein Dritter im Schatten

Ein Forschungsteam rund um Kareem El-Badry vom California Institute of Technology (Caltech) ging der Frage nach, ob CVs wirklich immer nur zu zweit sind. Die Antwort: nicht unbedingt. El-Badry erklärt: „Unsere Ergebnisse zeigen einen weiteren Entstehungsweg für CVs auf. Manchmal ist ein lauernder dritter Stern der Schlüssel.“

Tatsächlich fanden die Forschenden Beweise für eine ganz neue Dynamik: In vielen Fällen scheint ein entfernter dritter Stern entscheidend dafür zu sein, dass ein enges Paar überhaupt entsteht.

Gaia-Daten liefern Hinweise

Um dieser Hypothese auf den Grund zu gehen, werteten die Astronominnen und Astromomen Daten der ESA-Mission Gaia aus. Dabei identifizierten sie 50 CVs, die zu hierarchischen Dreifachsystemen gehören. In solchen Systemen umkreisen zwei nahe Sterne einander, während ein dritter Stern das Ganze aus größerer Entfernung umfliegt.

Rund 10 % der bekannten CVs gehören zu diesen „Triples“. Das allein wäre noch kein Beweis für die Bedeutung des dritten Sterns. Aber mithilfe von Simulationen gelang es dem Team, die Rolle dieses „dritten Rads“ genauer zu untersuchen.

Simulationen mit drei Körpern

In sogenannten Dreikörpersimulationen spielten die Wissenschaftler*innen 2.000 verschiedene Sternkonstellationen durch. Dabei verfolgten sie, wie sich die Anziehungskräfte über Jahrmillionen auswirken.

Das Ergebnis war überraschend klar verteilt:

  • In 20 % der Simulationen kam das CV zustande, ohne dass eine gemeinsame Gashülle nötig war – allein durch die Schwerkraft des dritten Sterns.
  • In 60 % spielte der dritte Stern zumindest eine indirekte Rolle, indem er die beiden Hauptsterne näher zusammenbrachte.
  • Nur in den restlichen 20 % war der klassische Weg über die Gashülle der einzige Mechanismus.

Der Effekt: Die Schwerkraft des Dritten beeinflusst die Umlaufbahn des Sternpaars so stark, dass sie sich näherkommen und ein CV bilden – ganz ohne Gashülle.

Cheyanne Shariat, Hauptautorin der Studie, fasst es so zusammen: „Der Stern muss nicht durch die gemeinsame Hülle spiralförmig einfallen.“ Gezeitenkräfte und Umlaufbahnen erledigen das auch.

Die Dunkelziffer ist hoch

Die Studie zeigt: Der Anteil der CVs in Dreifachsystemen liegt vermutlich deutlich höher als die beobachteten 10 %. Simulationen deuten auf bis zu 40 % hin. Viele Drittsterne bleiben unentdeckt, weil sie zu weit entfernt sind oder sich aus dem System gelöst haben.

Ein Blick in die Gaia-Daten bestätigt auch eine weitere Vorhersage: Die Abstände zwischen dem engen Paar und dem entfernten Stern sind oft sehr groß – mehr als 100 Astronomische Einheiten (AE). Eine AE entspricht etwa der Entfernung zwischen Erde und Sonne. Solche Distanzen erschweren die Entdeckung des Dritten erheblich.

Was bedeutet das für die Forschung?

Die neue Studie verändert den Blick auf CVs. Bisher stand allein das enge Paar im Fokus. Doch jetzt rückt das Umfeld in den Vordergrund. Ein entfernter Dritter kann ein System entscheidend prägen – auch wenn er selbst lange unbemerkt bleibt.

„In den letzten 50 Jahren wurde die CV-Entstehung mit dem Spiral-in-Common-Envelope-Modell erklärt“, sagt El-Badry. „Niemand hatte zuvor bemerkt, dass dies größtenteils in Dreifachsystemen geschieht!“

Damit eröffnet sich ein neuer Forschungszweig: Welche anderen Sternsysteme verbergen einen stillen Mitspieler? Und welche Rolle spielen diese „Dritten“ bei Supernovae, Pulsaren oder Schwarzen Löchern?

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Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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